Großzügigkeit, Gastfreundlichkeit und Generosität

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Friedrich (Fritz) Wärndorfer – „Er liebte es, sich mit aparten Dingen zu umgeben. Alle Eigenschaften des idealen Mäzens waren in ihm vereinigt […]“* Von Jutta Fuchshuber

Der Großindustrielle Friedrich (Fritz) Wärndorfer war nicht nur einer der wichtigsten Kunstmäzenen um die Jahrhundertwende, sondern auch ein maßgeblicher Förderer der Secession und der „Wiener Werkstätte“ (WW). Ohne seine finanzielle Unterstützung wäre die Idee der WW nicht realisiert worden.

Als zweiter Sohn von Samuel Wärndorfer und Berta, née Neumann, wurde er am 5. Mai 1868 in Wien geboren. Um die Jahrhundertwende war die Familie im Besitz einer der größten Textilfabriken in der Monarchie. Nach Absolvierung des Akademischen Gymnasiums und des Militärdienstes wurde Friedrich Wärndorfer nach England geschickt, um dort Erfahrungen im Textilbereich zu sammeln. Fritz und sein Bruder August waren beide Kunstsammler und verkehrten in Wiener Künstlerkreisen. Sein älterer Bruder handelte mit Kunst und war von 1919 bis 1925 als Geschäftsführer und Gesellschafter im „Auktionshaus für Altertümer Glückselig & Wärndorfer Gesellschaft m.b.H.“ tätig.

1896 heiratete Fritz im Wiener Stadttempel die Übersetzerin Lili Jeanette Hellmann, mit der er drei Kinder hatte: Carl Richard, Helene und Herbert. Seine Frau stammte ebenfalls aus einer wohlhabenden Textilfabrikantenfamilie (N. Neumann).

Zurück aus England, suchte Fritz Wärndorfer in Wien Kontakt zu den Künstlern der 1897 gegründeten Secession. Der Schriftsteller Hermann Bahr, mit dem er eine intensive Freundschaft pflegte, machte ihn mit einigen Künstlern bekannt. Bald zählten der Architekt Josef Hoffmann, der Maler und Kunsthandwerker Koloman Moser sowie der Maler Gustav Klimt zu seinen Freunden. 1903 ließ Fritz Wärndorfer das Atelier von Gustav Klimt auf seine Kosten instandsetzen und mit neuen Möbeln ausstatten. Wie auch die bekannte Schriftstellerin und Journalistin Berta Zuckerkandl, war Fritz Wärndorfer ein begeisterter Unterstützer dieser zeitgenössischen, modernen Kunstrichtung und damit auch der Secession.

Das Tempo des Automobils. Fotografie von Fritz Wärndorfer aus dem Fotoalbum der Wiener Werkstätte,  um 1903.
Das Tempo des Automobils.
Fotografie von Fritz Wärndorfer aus dem Fotoalbum der Wiener Werkstätte, um 1903.

Im November 1900 organisierte Josef Hoffmann die 8. Secessionsausstellung, in der vorwiegend britisches Design präsentiert wurde. Obwohl Fritz Wärndorfer nur wenig kaufte, erteilte er 1902 drei wichtige Aufträge: Den schottischen Architekten, Maler und Designer Charles Rennie Mackintosh beauftragte er mit der Einrichtung des Musikzimmers in seiner Villa im Cottage-Viertel (18., Weimarer Straße 59), Josef Hoffmann entwarf das Speise-, Herren- und Kinderzimmer und Koloman Moser gestaltete die Galerie. Mackintoshs Frau, Margaret Macdonald, entwarf für das Musikzimmer nach Motiven des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck ein Gesso-Paneel (sechs Einzeltafeln, Gesamtlänge 594 cm, Höhe 152 cm), das so genannte Wärndorfer-Fries. Der Doyen der Kunstkritiker um 1900, Ludwig Hevesi, beschrieb nach einem Besuch in der Wärndorfer Villa 1905 das Musikzimmer, über das in der Secession viel gesprochen wurde, und das Fries als „ein[en] Organismus für sich“. Der Fries galt ab 1916 als verschollen und wurde erst bei Umbauarbeiten in den 1990er-Jahren im Keller des Museums für angewandte Kunst (MAK) wieder aufgefunden.

Ohne seine Unterstützung wäre die Wiener Werkstätte nicht realisiert worden.

Eine der wichtigsten künstlerischen Institutionen des beginnenden 20. Jahrhunderts war die „Productivgenossenschaft von Kunsthandwerk Wiener Werkstätte“. Im Mai 1903 von Hoffmann, Moser und Wärndorfer gegründet, stützte sie sich auf die britische Kunstbewegung Arts & Crafts, welche sich als Gegenmodell zur Massenproduktion der Kunstindustrie verstand. Finanziert wurde die Wiener Werkstätte von Fritz Wärndorfer, der 500 Kronen Startkapital auf den Tisch legte. Hoffmann und Moser fungierten als künstlerische Direktoren, Wärndorfer, der die WW in der Folge mit 50.000 Kronen unterstützte, als kommerzieller Direktor. Rasch etablierte sich die WW als innovative Vereinigung und als Marke mit Verkaufslokalen in Wien und Deutschland. In ihrem 29-jährigen Bestehen entstanden unzählige Häuser und Villen sowie Einrichtungen für (Groß-)Industrielle und KünstlerInnen (u. a. Familie Mautner-Markhof, Familie Zuckerkandl, Familie Gallia, Familie Primavesi, Hugo Bernatzik, Paul und Hermann Wittgenstein, Wilhelm Figdor, August Lederer, Carl Moll). Des Weiteren war die WW als Verleger und Kommissionär verschiedener kunsthandwerklicher Firmen tätig.

Die Sammlung

Die Kunstsammlung Fritz Wärndorfers umfasste neben 150 Briefen von Aubrey Beardsley und Arbeiten des belgischen Bildhauers und Grafikers Georg Minne grafische Arbeiten von Koloman Moser und Marcus Behmer. Als Förderer und Unterstützer Klimts erwarb er einige Bilder des Künstlers, so etwa Pallas Athene oder Die Hoffnung I. Seine Kunstsammlung ist heute verstreut und nur mehr schwer rekonstruierbar.

Schreibschrank für die Familie Wärndorfer, Wien, Ausführung: Wiener Werkstätte 1903/04.
Schreibschrank für die Familie Wärndorfer, Wien, Ausführung: Wiener Werkstätte 1903/04.

Als dem 1907 eröffneten Kabarett Fledermaus das Geld ausging, sprang Wärndorfer ein und finanzierte das ihm ans Herz gewachsene Kabarett. Peter Altenberg verfasste über die Eröffnung einen Prolog und beschrieb Wärndorfer als „geistreiche[n] Gentlemen mit sehr viel Geld und Geschmack – zwei Dinge, die bekanntlich fast nie beisammen sind“.

Trotz ihrer künstlerischen Erfolge befand sich die WW 1907 in größeren finanziellen Schwierigkeiten. Nach einem Streit zwischen Wärndorfer und Moser schied Letzterer aus der Genossenschaft aus. 1909 stand die WW vor dem Ausgleich, da ein Bankkredit von 300.000 Kronen fällig wurde. Fritz Wärndorfer versuchte in London Geldgeber zu finden. Als dies misslang, verkaufte er seine Firmenanteile an die Náchoder Baumwollspinnerei Waerndorfer–Benedict–Mautner und zahlte den fälligen Bankkredit aus seinem Privatvermögen. Vier Jahre später betrugen die Schulden der WW rund eine halbe Million Kronen. Die Produktion wurde eingestellt und das Unternehmen 1914 aufgelöst. Adalbert Kurz und Paul Hellmann, ein Schwager von Fritz Wärndorfer, gründeten eine Betriebsgesellschaft. Als Gesellschafter traten in die neu errichtete Wiener Werkstätte Finanziers ein, die sich vor allem aus dem Kundenstock Hoffmanns rekrutierten. Ende März 1914 wurde Fritz Wärndorfer schließlich gedrängt, aus der WW auszutreten. Nachdem er sein gesamtes Vermögen in die WW, in seine Kunstsammlung und in die Unterstützung von Künstlern investiert hatte, verkaufte er Teile seiner umfangreichen Kunstsammlung, unter anderem Bilder von Gustav Klimt. Angeblich auf Druck seiner Familie, die den finanziellen Ruin abwenden wollte, emigrierte Fritz Wärndorfer am 23. März 1914 gemeinsam mit seiner Frau und seinem ältesten Sohn Carl Richard von Wien in die USA. Sein jüngster Sohn Herbert und seine Tochter Helene blieben in Wien. In seinem Einbürgerungsantrag 1914 gab er an, als Farmer tätig zu sein und später als Designer einer Textilfirma; 1919 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 1922 wurde ihm die Leitung der neu gegründeten Wiener Werkstätte of Amerika angeboten – er lehnte ab. Der einstige Kunstmäzen und Förderer der Secession und Wiener Werkstätte verstarb 1939 in Pennsylvania.

Die finanziellen Probleme der Wiener Werkstätte blieben auch nach Wärndorfers Ausscheiden bestehen. 1932 wurde das Unternehmen aufgelöst und die Restbestände über das Auktionshaus für Altertümer Glückselig, Gesellschaft m.b.H. versteigert.

ZUR PERSON
Jutta Fuchshuber
studierte Geschichtswissenschaft an der Universität Wien. Derzeitige Forschungsschwerpunkte: Nationalsozialismus und Enteignungspolitik in Österreich 1938-1945; in verschiedenen zeitgeschichtlichen Projekten engagiert; seit 2014 in der Restitutionsabteilung der IKG tätig

*Helga Malmberg, Widerhall des Herzens. Ein Peter Altenberg Buch, München 161, S. 53 ff; zitiert nach: Helga Peham, Die Salonièren und die Salons in Wien : 200 Jahre Geschichte einer besonderen Institution, Wien-Graz-Klagenfurt 2013, S. 211.

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