Heitere Ekstase

Amos Talmon ist Dirigent und leidenschaftlicher Förderer junger Musiker. Der Israeli mit Wiener Wurzeln dirigierte Mozart im Muth.

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Amos Talmon. Im Rahmen des Zyklus Mozart in my hands dirigierte er im Muth zwei Klavierkonzerte und eine Sinfonie von Mozart. © Reinhard Engel

Ludwig van Beethovens 4. Sinfonie in B-Dur Op. 60 veränderte sein Leben. Nicht weil Amos Talmon auf diese Weise seine Liebe zur Musik entdeckte, sondern weil er den 1. Satz, ein besonders markantes Thema „mit einer heiteren gefühlsmäßigen Ekstase“ dirigierte. Vor rund 20 Jahren heimste er damit Standing Ovations ein, und „seither habe ich nie mehr zurückgeblickt“, erzählt der israelische Dirigent, der den Taktstock erst mit 39 Jahren in die Hand nahm.
Und das, obwohl er mit klassischer Musik seit dem Kindesalter gefüttert wurde. „Ich war schon im Babyalter ständig der Musik ausgesetzt: Die Eltern waren große Liebhaber der Klassik. Meine Mutter ist eine Wienerin, ihr Schwager war Willy Hirsch, der ehemalige Besitzer der Firma Osolio. Mein Vater stammt aus Łódź und nahm mich bereits mit fünf Jahren zu meinem ersten Konzert ins Mann-Auditorium.“ Von da an kaufte ihm sein Vater jeden Freitag eine Schallplatte, die sich Amos selbst aussuchen durfte.
Doch vorerst blieb die Musik ein Privatvergnügen. Talmon erbte eine kleine Firma, die er zu beträchtlicher Größe brachte. „Ich war geschäftlich viel unterwegs, und da nutzte ich jede Gelegenheit, um Konzerte und Opernaufführungen in aller Welt zu besuchen.“ Vor etwa zwanzig Jahren wies ihn ein Freund auf ein Inserat hin, in dem ein Dirigier-Workshop an der Tel Aviv University angeboten wurde. „Es klingt seltsam, aber wenn ich irgendwo Musik hörte, begann ich zu dirigieren: zuhause, im Büro und sogar im Auto.“ Nach diesem zweimonatigen Workshop bestand er seine Prüfung mit Beethovens 4. Sinfonie so bravourös, dass er weiterstudierte und seine Karriere als Dirigent begann. Seine Firma gibt es noch, aber seit 20 Jahren widmet er achtzig Prozent seines Lebens den Konzertauftritten in Israel und in aller Welt. Amos liebt das romantische Repertoire und dirigierte bereits Sinfonie-Orchester in New York, Prag, Barcelona, China, Mexiko, Deutschland und der Türkei.

»Musik ist auch unsere einzige Flucht
aus der derzeitigen politischen Realität.«
Amos Talmon

Förderung junger Solisten. Nach Wien kamer jüngst auf Einladung von Matthias Lessky, dem Gründer der Jungen Philharmonie Wien, einem Jugendorchester für besonders talentierte Künstlerinnen und Musiker im Alter von 17 bis 27 Jahren. Im Rahmen des Zyklus Mozart in my hands dirigierte er im Muth, dem Konzertsaal der Wiener Sängerknaben, zwei Klavierkonzerte und eine Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart.
Mit der Musicangels Foundation betreibt Talmon ein sehr ähnliches Projekt in Israel. „Unsere Konzertreihe Grand Symphonic Series fördert junge Solisten in ihrer Ausbildung, um sie für Auftritte mit Sinfonie-Orchestern reif zu machen.“ Als Direktor des Herzliya Performing Arts Centers ist Talmon für das gesamte klassische Musikprogramm einer Saison zuständig. „Alle großen Orchester des Landes machen bei uns mit. Ich bin nicht nur für das künstlerische Programm, sondern auch für die Finanzen verantwortlich. Da klassische Konzerte teuer sind, enden sie immer mit einem Defizit. Das decke ich dann privat ab“, lacht Talmon.
Große Freude bereitete ihm jüngst das Festkonzert zu Jom haAtzma’ut, das er mit dem Haifa Symphony Orchestra konzipiert und dirigiert hat. „Mit diesem Konzert wollten wir Spaß verbreiten und signalisieren, dass die Musik auch unsere einzige Flucht aus der derzeitigen politischen Realität ist. Daher adaptierten wir Leonard Cohens Hallelujah für Orchester und schlossen mit Leonard Bernsteins schwungvollem Mambo aus der West Side Story.“
Das Kärntner Sinfonieorchester dirigierte Talmon bereits zweimal, in Wien, wo seine familiären Wurzeln liegen, absolvierte er sein erstes Dirigat.
Und das, obwohl er sein „Gesellenstück“ mit Ludwig van Beethovens 4. Sinfonie ablieferte, dessen Uraufführung 1807 im Palais Lobkowitz in Wien unter der Leitung des Komponisten stattfand.

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