Kuehs stellt an den Beginn des Romans Szenen, die die Willkür der auf Zakynthos eingesetzten italienischen Besatzer eindringlich beschreiben: Kleinste Bekundungen von Widerstand münden in potenzielle Hinrichtungen, die dann dank des Einsatzes des Bürgermeisters und Bischofs wieder abgewendet werden können. Erst nach und nach führt er auch jüdische Figuren in die Handlung ein. Anders, als man es von Schilderungen der NS-Zeit aus vielen anderen Orten kennt, ziehen hier alle an einem Strang: gegen das aufgezwungene Regime.

Insoferne hebt Kuehs mit diesem Buch auch einen zivilgesellschaftlichen Schatz. Hier stemmt sich nicht nur ein Einzelner oder eine Gruppe gegen das Unrecht, hier fügen sich die Bewohner eines ganzen Ortes zu einem Ganzen, das sich auf die richtige Seite stellt – und das unter Einsatz des eigenen Lebens.

Anders, als man es von Schilderungen der NS-Zeit
aus vielen anderen Orten kennt, ziehen hier alle an
einem Strang: gegen das aufgezwungene Regime.

 

Denn die Möglichkeit von Exekutionen ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren steht hier ständig, das macht Kuehs eben von den ersten Seiten an klar, als Möglichkeit im Raum. Kleinste Verfehlungen wie das Behalten von einem Liter Olivenöl führen schon zur Verhaftung, und das vor dem Hintergrund, dass die italienischen Militärs die Bevölkerung systematisch aushungern, indem jegliche Nahrungsmittel konfisziert werden.

Der Autor hörte 2012 von der anekdotisch überlieferten Rettung der Juden auf Zakynthos zum ersten Mal bei einem Urlaub auf der Insel, seitdem ließ ihn diese Geschichte nicht mehr los. Dokumente und Aufzeichnungen dazu sind allerdings kaum vorhanden, 1953 sorgte ein Erdbeben für massive Zerstörungen in dem Ort, dabei ging vieles verloren.

Wilhelm Kuehs: Kein Mensch ist eine Insel. Historischer Roman. Dachbuch 2022, 528 S., € 21,50

Kuehs musste sich daher vor allem auf die mündliche Überlieferung stützen und führte zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen beziehungsweise deren Nachkommen. Ergänzend zog er Passagen eines Buches von Samuel Mordos zum Thema, der für Kuehs Teile daraus ins Englische übersetzte, eine Dokumentation des griechischen Filmemachers Tonis Lykouressis und Recherchen von Marcia Ikonomopoulos, Direktorin des Museums Kehila Kedosha Janina in New York, als Quellen heran.

Mit Kein Mensch ist eine Insel legt Kuehs nun einen gleichermaßen bedrückenden wie Hoffnung gebenden Roman vor. Die Menschen von Zakynthos zeigten, dass jede und jeder Einzelne selbst unter den restriktivsten Umständen noch kleine Handlungsspielräume hat. Sie zu nutzen, erfordert Mut, aber vor allem auch das Wissen, ein Back-up zu haben, nicht allein zu agieren.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here