#HitlerWasRight – Forum gegen Antisemitismus

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Der Gazakrieg wurde weltweit in den sozialen Medien mit anderen Mitteln fortgesetzt. WINA bat das Team des Forums gegen Antisemitismus, aus seinem Alltag zu berichten. Von Alexia Weiss

WINA: Auf Facebook werden immer wieder deutlich antisemitische Gruppen gegründet (in den vergangenen Monaten etwa „Jewish Ritual Murder“). Bei Meldungen erhalten User Wochen oder Monate später eine Benachrichtigung, wonach dadurch nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen werde. Wie beurteilen Sie diese Firmenpolitik?

Forum gegen Antisemitismus: Die Firmenpolitik von Facebook ist hier ähnlich wie die Firmenpolitik anderer Konzerne in den USA. Das hängt damit zusammen, dass „freedom of speech“ – die Meinungsfreiheit – in den USA eine andere Bedeutung hat als in Österreich. Diese Haltung darf und soll trotzdem kritisiert werden, vor allem in Hinblick darauf, dass andere Inhalte sehr wohl entfernt werden. Die Auslegung der Richtlinien ist nicht immer klar nachvollziehbar – so sind etwa Mobbing, Belästigung, Hassreden, Gewalt und Drohungen in den Facebook-Gemeinschaftsstandards untersagt, und in den Nutzungsbedingungen ist festgehalten, dass „das Gesetz“ nicht gebrochen und die Rechte anderer nicht verletzt werden dürfen. Während in einigen Fällen durchgegriffen wird, bleiben andererseits Gruppen wie oben genannte unangetastet.

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Welche diesbezüglichen Seiten/Gruppen sind Ihnen in Ihrer Arbeit untergekommen? Wie waren Ihre Erfolge, dagegen vorzugehen, bisher?

❙ Beginnend mit diversen „Adolf  Hitler“-Fanseiten (teilweise mit über 200.000 „Gefällt mir“-Angaben) bis hin zu „Kindermörder Israel“ und ähnlichen Seiten/Gruppen, in denen so genannte Israel-Kritik mit Antisemitismus verschwimmt, ist auf Facebook alles vorhanden. Eine detaillierte Auflistung würde vermutlich mehr als nur eine Ausgabe von WINA füllen, vor allem wenn man bedenkt, dass auch einzelne User problematische Inhalte posten – Kommentare, Bilder, Videos. Das Problem ist, dass, selbst wenn eine Seite entfernt wird, kurz darauf zwei neue mit ähnlichem Inhalt problemlos gegründet werden können.

Was raten Sie Usern/Gemeindemitglieder, wenn sie auf solche Seiten/Gruppen stoßen?

❙ Wichtig ist in einer solchen Situation, dass die Seite/Gruppe von mehreren Usern gemeldet wird. Als erste Reaktion folgt oft die Antwort, dass der gemeldete Inhalt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt. Nach vermehrter Kritik wird jedoch das Bedenken der User ernster genommen und die Seite auch entfernt. Weiters kann sich jeder zusätzlich an das Forum gegen Antisemitismus wenden. Bei einem Beratungsgespräch können dann alle weiteren Schritte besprochen werden. Bei möglicherweise strafrechtlich oder zivilrechtlich relevanten Tatbeständen ist auch der Gang zur Polizei anzudenken.

Der vergangene Sommer war von der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Hamas/Gaza geprägt. Wie hat sich das in Ihrer Wahrnehmung in den sozialen Netzwerken widergespiegelt?

❙ Auf Twitter und Facebook kam es zu einer Flut antiisraelischer und/oder antisemitischer Inhalte. Auch Österreich blieb davon nicht verschont. Vor allem von Usern mit türkischem Hintergrund wurden Postings, Tweets, Kommentare verfasst, die bei Weitem nicht nur antiisraelisch, sondern tief antisemitisch und verhetzend waren. Adressaten waren hierbei nicht nur Israelis, Juden beziehungsweise „Zionisten“, sondern auch Politiker wie Außenminister Sebastian Kurz, der nach seinem Friedensappell zum Nahostkonflikt Dutzende antisemitische Kommentare erntete; oder die Hetze gegen die ORF-Mitarbeiterin Lisa Gadenstätter, gegen die Abdurrahman Karayazili von der Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD) eine Kampagne initiierte („Der Redakteur, der der Moderatorin ins Ohr die Anweisungen flüstert, wird von der israelischen Lobby gesteuert“), welche gar zu Morddrohungen führte.

Manche Gemeindemitglieder meinten, hier spiele sich parallel zum tatsächlichen Krieg ein „Cyber War“ ab. Entspricht das auch Ihrer Wahrnehmung?

Im Netz darf frei gehasst werden. Unter anderem auf „Adolf  Hitler“-Fanseiten mit bis zu 200.000 „Likes“.
Im Netz darf frei gehasst werden. Unter anderem auf „Adolf Hitler“-Fanseiten mit bis zu 200.000 „Likes“.

❙ Der Eindruck täuscht nicht. Vor allem im Gegensatz zu früheren Waffengängen zwischen Israel und einer Terrororganisation in der Region konnten wir diesmal eine regelrechte Kampagnisierung beobachten. Besonders hervorgetan hat sich hierbei die eben erwähnte UETD, die auf vehemente Art und Weise ihr Klientel zu mobilisieren vermochte. Im Rahmen dieser auf allen Ebenen gut organisierten Kampagne wurden beispielsweise Israels Vorgehen in Gaza mit dem Holocaust verglichen sowie zahlreiche weitere antisemitische Ressentiments geschürt. Auch auf Twitter kamen mehrere als solche betrachtete „pro-israelische“ User unter Beschuss durch (teilweise frisch eröffnete) Twitter-Accounts mit türkischem Background und mussten obszön-antisemitische Bedrohungen über sich ergehen lassen. Der ORF wurde wegen der Gadenstätter-Causa mit einer von der UETD vorgefertigten und auf Facebook publizierten Massenmail bombardiert. Die Konsequenz dieser systematischen Scharfmacherei war eine Flut an hasserfüllten Postings, die zu einem beträchtlichen Teil Gegenstand behördlicher Ermittlungen wurden beziehungsweise noch werden.

Haben Sie als Forum gegen Antisemitismus in dieser Zeit auch direkt Anfeindungen erlebt?

❙ Ja, auch das Forum wurde zum Ziel Dutzender Onlineangriffe. Diese folgten meist der Logik, dass Juden stellvertretend für eine wie auch immer geartete Politik des Staates Israel verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden dürfen – ein klassischer Fall von Antisemitismus. Glücklicherweise blieb es hier größtenteils bei diesem „Cyber War“, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern in Europa, wo es zu zahlreichen physischen Übergriffen auf Juden kam.

Antisemitismus in sozialen Netzwerken – auf welch unterschiedliche Weisen kann er sich bemerkbar machen?

❙ In sozialen Netzwerken macht sich Antisemitismus auf ganz ähnliche Weisen bemerkbar wie andernorts im nichtvirtuellen Raum. Bloß dass hier weitaus hemmungsloser agiert werden kann. Aufgrund des (oft nur vermeintlichen) Gefühls von Anonymität und des Rückhalts der eigenen „Community“ fällt es vielen Personen leichter, ihr Ressentiment auszuleben, wodurch es auch sehr schnell zu Gesetzesverstößen kommt (zum Beispiel durch verhetzende Kommentare, verbotene Symbole). Auch die zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten fördern die virale und propagandamäßige Verbreitung dieses Gedankenguts. Antisemitischer Content ist auf Facebook schnell mal „geliked“ und geteilt. Auf Twitter erfreuen sich Hashtags im Zuge zielgerichteter Kampagnen größter Beliebtheit. Während des Gazakriegs erlangte beispielsweise der von antiisraelischen Aktivisten lancierte Hashtag #HitlerWasRight traurige Berühmtheit. ◗
fga-wien.at

FORUM GEGEN ANTISEMITISMUS
Das Forum gegen Antisemitismus wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, aktiv gegen Antisemitismus in Österreich vorzugehen. Seit der Einstellung des Rechtsextremismusberichts im Jahr 2002 sammelt das Forum gegen Antisemitismus Daten, die in Form einer jährlichen Statistik publiziert werden. Das Forum gegen Antisemitismus agiert nicht nur als Dokumentationsstelle des antisemitischen Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich, sondern ist auch eine Anlaufstelle für ZeugInnen oder Opfer von Antisemitismus.

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