Hochzeit mit Hindernissen

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Zivilehen sind bis heute in Israel verboten. Dennoch gibt es private Wege und erfolgreiche Initiativen, die den Versuch machen, Paaren ein Leben in Partnerschaft gesellschaftlich zu erleichtern. Von Itamar Treves-Tchelet

Israel gilt heute als die einzige Demokratie der Welt, in der Paare eine Ehe nur religiös schließen können. Gemäß geltendem Recht, das ein Relikt aus der Herrschaft der Osmanen vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist, werden Eheschließungen nur religiös durchgeführt. Und diese ausschließlich bei anerkannten Religionen: Judentum, Christentum, Islam und bei den Drusen. Andere Gruppen, die nicht diesen vier angehören, werden als „konfessionslos“ betrachtet und können nicht heiraten. Dies gilt auch für interreligiöse Paare. Dementsprechend sind die Zivilehen eines der am stärksten diskutierten Themen in der jüdisch-israelischen Gesellschaft der letzten 20 Jahre geworden.

Das Oberrabbinat Israels ist die Behörde, die das exklusive Recht besitzt, jüdische Ehen zu schließen.

Dies wurde 1947 als Bedingung von „Agudat Israel“ (heutzutage eine charedische politische Partei) an David Ben Gurion gestellt. Seither gilt das Thema Eheschließungen in Israel als Hornissennest: Bis heute hat es keine Regierung gewagt, diesen empfindlichen Status quo zu ändern, der das fragile Gleichgewicht zwischen Religiösen und Sekularen ins Wanken bringen könnte. Nun mussten Paare, die diesen religösen Anforderungen nicht folgen wollten, oder Paare, deren Hochzeitsantrag aufgrund von halachischen Gründen abgelehnt wurde, sich also auf die Suche nach Alternativen machen. Im Laufe der Zeit haben sie auch solche gefunden.

Eine Möglichkeit ist es, die Ehe im Ausland zu schließen. Dadurch wurde der Begriff „Zypern-Ehe“ geprägt. Im Sinne internationaler Abkommen werden solche Ehen von jeder Behörde in Israel anerkannt. Jedes Jahr fahren etwa 3.000 Paare nach Zypern, um ihre Zivilehe dort zu schließen. Zusätzlich kann man in noch 50 anderen Ländern ähnlich heiraten, Österreich eingeschlossen. Eine andere Option ist, sich als eheähnliche Gemeinschaft registrieren zu lassen (Yeduim BeZibur). Hier regelt ein Vertrag lediglich die finanziellen Belange des Paares. Dabei wird man nicht als verheiratetes Paar bezeichnet, doch die meisten Behörden akzeptieren die Sozialrechte (und Pflichten), wie z. B. Pensionsansprüche, der beiden Lebenspartner. Diese beiden Lösungen sind jedoch meistens mit hohen Kosten und bürokratischem Mehraufwand verbunden.

Partnerschafts-ID

Eine einzigartige Alternative, die es in Israel seit 2007 gibt, ist die so genannte „Partnerschaft-ID“. Hier gilt die Ehe im Form von eine rechtlichen Erklärung (Nisuey Choze), in der die beiden Partner sich zu einer gemeinschaftlichen Haushaltsführung verpflichten und sich durch einen Anwalt als Paar deklarieren lassen. Diese ID-Karte, die 2010 vom Hildebrandt’s Institute als „The Marketing Initiative of the Year“ bezeichnet wurde, wird von Anwältin Irit Rosenblum und ihrer 1998 gegründeten Organisation „Mischpacha Chadascha“ (Neue Familie) ausgegeben.

wina: Frau Rosenblum, Sie sind schon seit Jahren an der Speerspitze des Kampfes für Familienrechte und Zivilehen in Israel aktiv. Wie haben sie damit angefangen?

Irit Rosenblum: Der Startpunkt für „Mischpacha Chadascha“ waren die 90er-Jahre. Damals sind mehr als eine Million Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert, weil sie Juden waren. Doch als viele von ihnen hier heiraten wollten, wurden sie plötzlich, ohne Vorwarnung, nicht mehr als solche betrachtet. Und wenn man so ein grundlegendes Recht wie das Recht auf Eheschließung nicht ausüben darf, dann verliert man viele Sozialrechte, die verheirateten Paaren vorbehalten sind. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, für die Rechtsgleichheit zu kämpfen, sodass jeder Mensch eine Familie gründen darf, entweder durch Partnerschaft oder durch Elternschaft. In den letzten 14 Jahren haben wir es tatsächlich geschafft, durch richtungsweisende Präzedenzfälle die Atmosphäre rund um dieses Thema zu verändern. Leider jedoch noch ohne gesetzliche Verankerungen.

wina: Und wie kann die „Partnerschaft-ID“ solchen „heiratsunfähigen“ Leuten helfen?

IR: Diese ID, die wir erfunden haben, ermöglicht heute eine fast volle Deckungsgleichheit der Rechte von verheirateten Paaren und Paaren, die sich mittels der „Partnerschaft-ID“ verpaktet haben. Die Punkte, die wir noch nicht abdecken konnten, sind sehr gering. Etwa, dass Frauen mit 18 nicht vom Armeedienst befreit werden können, wie dies bei verheirateten Frauen der Fall ist.

wina: Wie funktioniert es bei Scheidungen?

IR: Die ID vereinfacht auch die Scheidung insofern, dass die Partnerschaft auch einseitig aufgelöst werden kann. Es gibt Situationen, in denen z. B. Frauen nicht aus einer Ehe aussteigen können, da ihnen der Scheidebrief (Get) durch den Ehemann verweigert wird und sie dadurch keine neue Partnerschaft eingehen können. Sollen diese Menschen alleine enden? Da engagieren wir uns und helfen dieser Person, die Ehe vor dem Familiengericht zu beenden.

wina: Es wurde Ihrer Organisation vorgeworfen, Assimilation zu fördern und dadurch auch die jüdische Zukunft Israels zu gefährden.

IR: Natürlich sehen religiöse Interessengruppen uns als eine Bedrohung. Es gibt einen permanenten Kampf zwischen uns. Aber ihre Argumente sind banal. Es passiert auch das Gegenteil von Assimilation: Durch die Migration sind die Leute in einen jüdischen Staat gekommen, wo Schabbat und Feiertage deutlich für jeden erkennbar sind. Dadurch haben sie sich an das Judentum angenähert. Religiöse Interessengruppen haben diese Menschen, statt sie zu akzeptieren und zu tolerieren, hingegen in erniedrigender Weise abgelehnt.

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wina: Unter den 14.000 jährlichen Eheregelungsanträgen betreut „Mischpacha Chadascha“ auch viele homosexuelle Paare. Wie steht es um deren Rechte?

IR: Auch diese Paare können von uns eine „Partnerschaft-ID“ bekommen. Vor dem Gesetz werden sie dennoch nicht als Paar anerkannt. Leider auch nicht, wenn ihre Beziehung in anderen Ländern, wie z. B. Kanada, legitimiert wurde. Dank unseres Kampfes für ihre Rechte haben wir es zwar geschafft, dass homosexuelle Partnerschaften vor Gericht anerkannt werden. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern sind wir in dieser Hinsicht in Israel relativ weit fortgeschritten. Aber besser wäre es, wenn wir es noch leichter machen könnten.

wina: Wie sieht die Zukunft der Zivilehe aus?

IR: Ich denke, dass Zivilehen heutzutage überall auf der Welt überhaupt nicht nötig wären. Sie sind ein Eingriff des Staates in die Privatsphäre eines Paares. Wünschenswert wäre, dass nicht der Staat diktiert, wie man als Paar sein Leben führen darf. Ein Paar sollte vielmehr vor dem Staat definieren können, wie es seine Beziehung leben möchte.

Zur Person

Irit Rosenblum (geb. Lämel) ist in Jerusalem aufgewachsen. Sie hat Jus und Philosophie an der Universität Tel Aviv studiert. Rosenblum ist die Begründerin von „Mischpacha Chadascha“, die seit 1998 für Familienrechte in Israel kämpft. Sie wurde mehrmals national und international ausgezeichnet.

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