Der Hundeflüsterer

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Tel Aviver lieben ihre Hunde über alles. Strandabschnitte für Hunde und unzählige Hundezonen machen Tel Aviv zu einem Hundeparadies. Es gibt keinen Ort, an dem der Wauzi nicht mit darf. Und wenn Herrchen und Frauchen mal zu beschäftigt sind, dann gibt es da noch Mosche, den Hundeflüsterer. Von Iris Lanchiano

Mosche ist 38 Jahre alt, eigentlich mag er es gar nicht, Mosche genannt zu werden, sondern lieber Moses. So wie sein Lieblings-Burger-Restaurant. Moses ist von Beruf Dogwalker, also jemand, der fürs Gassigehen bezahlt wird. Aber nicht nur das wichtige Geschäftchen erledigen die Hunde mit Moses. Er pflegt sie, bürstet sie, und die Streicheleinheiten dürfen natürlich auch nicht fehlen.

In Tel Aviv ist also jeder Tag ein „Hundstag“.

Ich habe Moses im Gan-Meir-Park kennen gelernt, der Park im Herzen von Tel Aviv auf der King-George-Straße. Er hatte acht Hunde an der Leine. Zwei Huskys, einen Dackel, einen Cockerspaniel, einen Scotch-Terrier, einen Labrador und zwei französische Bulldoggen. „Ich kenne jeden Hund sehr gut. Ich weiß, was sie gerne essen und wo sie am liebsten spazieren gehen.“ Er zeigt mit dem Finger auf einen der beiden Bulldoggen. „Bamba zum Beispiel hat eine chronische Krankheit, deswegen gebe ich ganz besonders acht auf ihn.“

Moses ließ die Hunde von der Leine, damit sie sich in der Wiese austoben können. Wir setzten uns auf die Parkbank. Ich war fasziniert davon, wie gut er die Hunde im Griff hatte. Moses lebt mittlerweile von seinem Geschäft als Dogwalker. Es war nicht immer so. Was als Hobby anfing, wurde später zu seiner Berufung. Früher war er IT-Spezialist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA„Ich habe viel Geld gemacht. Jeden Tag 10 Stunden gearbeitet, nach Hause gekommen und noch weitergearbeitet. Mein Körper hat mir dann ein Zeichen gegeben, dass ich kurz vor einem Burnout stand. Angefangen hat es mit einem stressbedingten Tinnitus. Mein Doktor hat mir gesagt, wenn ich nicht einen Gang zurückschalte, werde ich bald zusammenbrechen. Das hat mich wachgerüttelt. Wenn man in Tel Aviv erfolgreich sein möchte, muss man sehr viel arbeiten und bereit sein, vieles aufzugeben.“ Seine Liebe zu Hunden war immer groß, aber er war sich bewusst, dass er keinen Hund halten konnte. „Meine Wohnung ist zwar in einer Top-Lage direkt auf der Dizengoff-Straße, aber sie ist zu klein, um einen Hund zu halten.“

Moses ist überzeugt, dass Hunde die einzigen wahren Freunde sind. „Durch meinen Job bekomme ich ab und zu etwas vom Privatleben meiner Kunden mit. Nach einer Trennung gibt es richtige Schlammschlachten um die Hunde. Und die armen Tiere wissen nicht, was ihnen geschieht, wenn sie jedes Wochenende woanders verbringen. In Tel Aviv gibt es so viel Konkurrenz, was Hunde betrifft. Jeder will einen besonderen Hund haben, etwas Exotisches, Ausgefallenes. Besonders klein, besonders groß, besonders süß, besonders selten. Für viele ist der Hund hier ein Accessoire, und sie bedenken nicht, wie viel Pflege ein Hund braucht. Für manche ist der Hund nur da, um jemanden kennen zu lernen; schüchterne Menschen oder andere, die einfach, so wie ich früher, soviel arbeiten, dass sie keine Zeit für soziale Kontakte haben. In Tel Aviv versuchen die Singles so wieder auf den Markt zu kommen. Und irgendwie kann ich sie auch verstehen. Denn gibt es eine schönere Liebesgeschichte, als wenn sich zuerst die Hunde beim Gassigehen näher kommen und dann die Besitzer.“

Er lächelte mich an, und ich merkte, wie er mir immer näher kam. Es war der richtige Zeitpunkt gekommen, um zu gehen. In Tel Aviv ist also jeder Tag ein „Hundstag“.

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