„Ich bin vor allem Wiener Jude“

Avi Kihinashvili ist seit dem Vorjahr Leiter des Mitgliederservice der IKG. Seine Eltern stammen aus Georgien, er selbst kam in Österreich zur Welt und definiert sich auch zuallererst als Österreicher. Georgien hat er bisher noch nie besucht – näher ist ihm Israel, wo viele seiner Verwandten heute leben.

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Avi Kihinashvili liebt die Arbeit in der Gemeinde, in der er sich zuhause und wertgeschätzt fühlt. Foto: Daniel Shaked

Satschchere, eine Kleinstadt in den Bergen im Nordwesten Georgiens, ist die Heimat sowohl der mütterlichen als auch der väterlichen Familie von Avi Kihinashvili. Für ihn gibt es neben dem Namen allerdings nur die Erzählungen der Eltern. Sie waren in den 1970er-Jahren jeweils mit ihren Eltern nach Israel ausgewandert, wo sie einander auch kennenlernten und schließlich 1980 heirateten. Ein Jahr zuvor war der Großvater väterlicherseits bereits neuerlich emigriert, dieses Mal nach Wien. Nach der Hochzeit übersiedelten Kihinashvilis Eltern sowie seine Großmutter väterlicherseits ebenfalls nach Österreich.

Er selbst wurde 1987 in Wien geboren, besuchte zunächst die Zwi-Perez-Chajes- Schule und absolvierte dann am Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum (JBBZ) eine Lehre zum Bürokaufmann. Ein Praktikum führte ihn nach dem Lehrabschluss ins Mitgliederservice, damals unter der Leitung von Natalia Najder. Man kam gut miteinander zurecht, und die Abteilung suchte gerade jemanden, um sich um die Mitgliederdatenbank und die Friedhofsdatenbank zu kümmern. So begann Avi Kihinashvili im Jänner 2007, im Mitgliederservice zu arbeiten.

2015 verabschiedete er sich in einen anderen Job – am Ende sollte es aber nur ein halbjähriges Gastspiel werden. Die Bridge Group ist im Bereich Immobilien sowie dem Import von Baumaterialien aus China aktiv, erzählt er. „Aber ich habe mich dort nicht so wirklich hineingefunden.“ So zog es ihn wieder zurück in die IKG – bis heute ist er, wie er betont, IKGPräsident Oskar Deutsch dankbar, dass dieser ihm die Rückkehr ermöglichte. So sammelte er weiter Erfahrung im Mitgliederservice, managte aber auch zwei Jahre lang den Front Desk im Generalsekretariat. Da wie dort kümmerte er sich um die Organisation der IKG-Wahlen, eine aufwändige Angelegenheit, wobei vor allem das Einhalten von Fristen essenziell ist.

Foto: Daniel Shaked

Rosen streut er hier seiner ersten Vorgesetzten, Natalia Najder. „Sie hat mir Genauigkeit beigebracht und die Dinge in Ordnung zu halten. Von ihr weiß ich, was man bei Wahlen berücksichtigen muss, was bei der Verwaltung der Tempelkarten, aber auch im Umgang mit den Mitgliedern Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.“

Kleines, hochmotiviertes Team. Heute leitet Kihinashvili die Abteilung; eine große Stütze ist ihm dabei Daniela Maurer. „Wir sind ein super Team und haben auch Ideen, wie man alles noch moderner machen kann.“ Bereits gestartet wurde die Vorschreibung der Mitgliedsbeiträge nicht mehr aus der Datenbank heraus, sondern über ein Buchhaltungssystem. Insgesamt wollen die beiden die Digitalisierung auch in anderen Bereichen groß schreiben: Die Datenbank soll erneuert und das Wahlsystem digitalisiert werden. „Das ist aber noch in den Startlöchern.“ Maurer arbeite daran, für Mitglieder, aber auch andere Interessierte, auf der IKG-Website Antworten auf die gängigsten Fragen zu formulieren, „FAQ – Frequently Asked Questions“ also.

„Wir sind jedenfalls sehr motiviert. Uns schwebt so etwas wie das Mitgliederservice 2.0 vor.“ Die Abteilung hat zudem inzwischen auch Aufgaben übernommen, die bisher von anderen im Haus erledigt wurden, die Telefonzentrale etwa oder die zentrale Poststelle.

Was Kihinashvili an seiner Tätigkeit besonders schätzt: „Ich arbeite in einem jüdischen Umfeld und mit Leuten zusammen, mit denen ich mich wohlfühle.“ Es sei zudem schön, Services für die IKG-Mitglieder zu bieten, die diese zufrieden machen. Vor allem aber meint er: „Es ist so dieses heimische Gefühl hier.“

Was nicht heißt, dass es nicht am einen oder anderen Tag seitens mancher Gemeindemitglieder auch Unangenehmes zu hören gibt – Stichwort Mitgliedsbeiträge. „Wir schicken die Vorschreibungen aus, und natürlich gibt es immer wieder Leute, die dann anrufen, ein bisschen garstig sind und schimpfen.“ Das seien die Momente, in denen er versuche zu vermitteln. Manchmal wäre es auch angebracht, nicht nur zu fragen, inwiefern man von der IKG profitiere, sondern wie man seinerseits der IKG helfen können. Denn, davon ist Kihinashvili überzeugt: Am Ende profitiert jeder vom breiten Angebot der IKG. Er verweist dabei auf jene Leistungen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar seien, wie die Sicherheit vor und rund um die Synagogen oder Veranstaltungen. Aber ja, wenn er sehe, dass es finanziell knapp ist, versuche er, in Abstimmung mit dem Generalsekretariat Lösungen zu finden.

„Wichtig ist, die Gesetze der Tora einzuhalten, zu wissen,
was darf man, was nicht, ein guter Mensch sein, … “
Avi Kihinashvili

Privat steht seine Familie im Mittelpunkt. Er und seine Frau haben drei Kinder, einen Sohn, mit dem er gerne Schach spielt oder ihn zu dessen Spielen bei Maccabi begleitet, und zwei Töchter. Er selbst ist zu Hause zunächst mit Georgisch aufgewachsen, mit den Geschwistern sprach er auch Hebräisch, in der Schule kam Deutsch dazu. Mit seinen Kindern spricht er vor allem Hebräisch, aber auch Deutsch, seine Frau vor allem Russisch, obwohl auch sie Georgierin ist, aber nicht hier, sondern in Israel aufwuchs und zum Studium an der Lauder Business School nach Wien kam. Als Familiensprachen Hebräisch, Deutsch und Russisch zu wählen, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, erzählt er. „Hätte ich es rückblickend wechseln können, wäre mir lieber gewesen, ich hätte als Kind Russisch statt Georgisch gelernt“, sagt er. „Russisch wird mehr gebraucht und ist internationaler.“

Woran er nie gedacht hat, war, seinen Familiennamen zu ändern. Ja, das mache ihn zwar auf den ersten Blick zu jemandem mit Migrationshintergrund. Aber wenn die Leute dann hören, dass er Wienerisches Deutsch spreche, sei das Thema schon wieder erledigt, sagt Kihinashvili.

Zu Traditionen und Religion erzählt er: Kiddusch am Freitag und Samstag seien von klein an selbstverständlich gewesen – Begleiter dabei bis heute georgische Speisen, wie Schechamandi, ein Suppengericht, Huhn mit Kartoffeln aus dem Backrohr, Salate, vor allem aber auch Khenagi, eine georgisch-jüdische Spezialität mit gemahlenen Walnüssen, die ein bisschen an Matzeknödeln erinnern. Schabbat halte er aber erst seit der Geburt seines Sohnes vor neun Jahren.

Jüdischkeit ist ihm auch das Wichtigste, was er an seine Kinder weitergeben möchte. Ja, sie sollen zum Gebet auch in die georgische Synagoge gehen. „Aber ich sag mal so: Ich bin vor allem Wiener Jude. Hier bin ich aufgewachsen. Wichtig ist, die Gesetze der Tora einzuhalten, zu wissen, was darf man, was nicht, ein guter Mensch sein, nicht lügen, nicht stehlen.“ Ob seine Kinder einmal georgisch heiraten oder nicht, sei ihm nicht wichtig. „Sie sollen nur jüdisch heiraten – und glücklich sein.“

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