Gerne hört man Schoschana Maitek-Drzevitzky, der ersten Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Mannheim, zu. Ihre Schilderungen sind lauter kleine wortgewandte Gesamtkunstwerke. Von Manja Altenburg
Erst als Neunjährige erlernt sie bewusst die deutsche Sprache, als sie mit ihren Eltern von Israel nach Köln zieht. Beide Elternteile haben die Schoa überlebt. Ihre Mutter entkommt dem Todesmarsch im Osten, ihr Vater flieht aus Buchenwald. Mehr weiß Schoschana nicht von seiner Geschichte, er hat nie über seine Erfahrungen gesprochen. Nur wenige enge Verwandte beider Familien überleben. Schoschanas Eltern lernen sich in Hof/Saale kennen und bauen die jüdische Gemeinde vor Ort mit auf. Als Schoschana 1948 geboren wird, beschließen die Maiteks, nach Israel auszuwandern. Die Mutter als Zionistin ist hier die treibende Kraft. Nur kurz verweilt die Familie in einem Auffanglager und bekommt eine Wohnung in Lod zugewiesen. Dort leben sie unter ärmlichen Verhältnissen in einer Einraumwohnung. „Noch heute habe ich den Geruch von Petroleum, schließlich hatten wir keinen Strom, in der Nase, wenn ich an diese Zeit denke.“ Auch Terpentin gehört zu diesen Kindheitsgerüchen. Damit korrigiert die Mutter ihre handschriftlichen Übersetzungen auf Filmrollen ins Englische und Deutsche, die dann als Untertitel erscheinen. Diese wurden dann im ersten Kino in Lod gezeigt. Auch andere Übersetzungsarbeiten unternimmt sie, während der Vater eine Beschäftigung bei der Eisenbahn findet. „Wir hatten kaum Platz, aber von dem ersten angesparten Geld kauften meine Eltern ein Klavier. Und so wurde ich mit europäischem Liedgut Abend für Abend in den Schlaf gesungen.“ Die Maiteks sind hungrig nach europäischer Kultur, nach Lyrik. Ein Hunger, den ihre Tochter mit in die Wiege gelegt bekommt hat.