Gespräch & Fotos: Ronnie Niedermeyer
Auf dem Höhepunkt der Waldheim-Affäre drehte Filmemacherin Elizabeth T. Spira 1988 die Sendung Am Stammtisch im Rahmen ihrer Alltagsgeschichten für den ORF: Menschen, die am Wirtshausstammtischen ihrer Meinungen freien Lauf lassen. Doch der Sendetermin wurde mehrmals verschoben und letztendlich abgesagt. Ende August 2016, mit achtundzwanzig Jahren Verspätung, wurde die Doku nun erstmals ausgestrahlt. Im WINA-Gespräch erzählt die TV-Legende, wie es dazu kam – und was sich an Stammtisch-Meinungen in den letzten drei Jahrzehnten geändert hat.
WINA: Wie erging es Ihnen, Frau Spira, in den sowohl frauenfeindlichen als auch antisemitischen Männerrunden, in die Sie während der Dreharbeiten Einlass gefunden haben?
Elizabeth T. Spira: Als Reporterin bin ich froh, wenn ich das zu hören bekomme, was ich zeigen will. Ich gehe dort nicht als Jüdin rein, nicht einmal als Frau, sondern als Fernsehmensch – und schaue, dass ich möglichst knackige Bemerkungen bekomme. Diese gelten ja auch gar nicht mir, sondern dem Zuschauer. Mich kann da niemand beleidigen oder kränken. Im Gegenteil – ich versuche sogar ein bisschen zu provozieren.
Ist Ihnen nie mulmig geworden?
❙ Überhaupt nicht. Aber ich habe ja drei Herren hinter mir: Den Beleuchter, den Kameramann und den Tonmann. Alle drei sind jung und kräftig; manchmal ist es auch ganz gut, wenn einer mit der Watsche drohen kann.
Haben Sie sich manchmal dabei erwischt, dass Sie sich beim Filmen mit besonders charismatischen Leuten solidarisieren?
❙ Nein, da habe ich eine ziemliche Distanz, die man in dem Beruf auch gut gebrauchen kann. Ich biedere mich nicht an und lasse keine Nähe zu. Das gilt nicht nur im beruflichen Leben, auch sonst bin ich kein Umarm- und Bussi-Bussi-Mensch.