Folgt man den Vorgaben der Tora, sollte sich der Mensch „die Erde nicht untertan machen, wie die archaische Bibelübersetzung nahe legen würde, sie also nicht beherrschen und schon gar nicht ausbeuten“, betont der Rabbiner. Jedes siebente Jahr soll daher auf dem Gebiet des biblischen Israel nichts aktiv auf den Feldern angepflanzt werden – nur was von selbst wächst, darf, wenn es gereift ist, auch geerntet und konsumiert werden.
Brachzeiten kannte man übrigens sowohl in der antiken wie auch in der mittelalterlichen Landwirtschaft. Sie wurden eingesetzt, um dem Boden die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen. Im Mittelalter war in Europa dabei die Dreifelderwirtschaft sehr verbreitet: Ein Drittel des Feldes wurde mit Wintergetreide wie Roggen oder Emmer, ein zweites Drittel mit Sommergetreide wie Hafer, Gerste oder Hirse bestellt. Und der dritte Teil des Feldes blieb vom Menschen unbepflanzt und diente oft als Viehweide.
Es gab in der Vergangenheit allerdings auch im Land Israel Situationen, in denen es Rabbiner für nötig befanden, die Felder nicht ein Jahr brach liegen zu lassen: dann nämlich, wenn es auf Grund schlechter Ernten, etwa nach Dürren oder Unwettern, eine Hungersnot gab. Das war etwa im 19. Jahrhundert mehrmals der Fall.
Argumentiert wurde dann mit Pikuach Nefesh – also der Rettung von Leben. Heter Mechira nennt man das Modell, bei dem das Land zunächst an Nichtjuden verkauft wird, damit es dann von diesen bestellt werden kann. Damit bleibt das hier Erwirtschaftete auch weiter koscher. Nach dem Schmitta-Jahr wird das Land wieder zurückgekauft. Das Prinzip erinnert an den Chametz-Verkauf zu Pessach – ist aber doch etwas völlig anderes, wie Rabbiner Hofmeister erklärt. „Heter Mechira dient einzig und allein dazu, das Gebot des Schmitta-Jahres zu umgehen.“
Bis heute wird allerdings in Israel von vielen weiterhin das Brachjahr durch Inanspruchnahme von Heter Mechira vermieden. Gerne beruft man sich dabei auf Rabbiner Avraham Kook, der 1930 anlässlich einer neuerlichen Hungersnot zustimmte, das Brachjahr ausfallen zu lassen. Er formulierte dafür allerdings zwei Bedingungen: Heter Mechira dürfe praktiziert werden, weil Eretz Israel nicht von Juden regiert werde und weil die jüdische Bevölkerung eine Minderheit darstelle. Sollte sich eines von beiden ändern – was mit der Staatsgründung der Fall war – sollte seinem Verständnis nach Heter Mechira nicht mehr funktionieren, um den Toravorgaben zum landwirtschaftlichen Zyklus zu entgehen.
Zuletzt gebe es allerdings immer mehr Stadtrabbinate, die wieder zum Modell des Brachjahres zurückkehren, erzählt Rabbiner Hofmeister. Alle sieben Jahre würden es mehr und mehr Bauern, die Landwirtschaft wieder nach den Regeln der Tora betreiben. Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich allerdings schwer eruieren. Das israelische Landwirtschaftsministerium blieb der diesbezüglichen Anfrage von WINA leider über mehrere Wochen und bis zum Redaktionsschluss eine Antwort schuldig und verwies lediglich auf die allgemeinen statistischen Daten zum Ackerbau im Land.

„Achtet darauf, meine Welt nicht zu
beschädigen und zu zerstören, denn wenn ihr das tut,
wird es niemanden geben, der sie reparieren wird!“
Midrasch Kohelet Rabba 1

 

Sammeln für das Schmitta-Jahr. Dafür unterstrich man im Ministerium Bemühungen, gerade im heurigen Brachjahr alternative Anbauweisen, die ohne Erde auskommen, zu fördern. Sieben Millionen Schekel (knapp zwei Millionen Euro) stehen zur Verfügung, um etwa erdlose Kulturverfahren in Gewächshäusern, die mit Nährlösungen arbeiten, zu unterstützen. Das helfe allerdings nach rabbinischer Meinung nichts, um den Toravorschriften von Schmitta zu entgehen, betont dazu Rabbiner Hofmeister.
Die traditionelle Unterstützung für Bauern, die sich an das Schmitta-Jahr halten, sieht ganz anders aus: Seit vielen Jahrhunderten wurde in der Diaspora für die Bauern in Eretz Israel Geld gesammelt. Seit dem 17. Jahrhundert seien solche Sammlungen bekannt, erzählt Rabbiner Hofmeister. Solche seien zum Beispiel aus der Zeit vor dem Holocaust auch aus burgenländischen Gemeinden überliefert. Spendenboxen wie früher gebe es heute zwar in Wien nicht mehr, „aber es gibt auch bei uns Spendenaufrufe zur Unterstützung der Schmitta“.
Grundsätzlich kämen hier heute zwei Strömungen zusammen: jene von Teilen der Orthodoxie, die sich möglichst genau an die Vorgaben der Tora halten möchten, sowie Bauern, die Landwirtschaft aus Umwelt- und Klimaschutzgründen möglichst ursprünglich betreiben möchten. So würden seit der Jahrtausendwende alle sieben Jahre eben immer mehr Farmer ein Brachjahr einlegen.
Mit durchaus guten Erfahrungen, wie Rabbiner Hofmeister betont: „Einer seits gibt es eine große solidarische Unterstützung für diese Betriebe und Bauern. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Erträge in den darauffolgenden Jahren ausgiebiger waren.“ Das Schmitta- Jahr gilt übrigens nicht nur für Bauern, die vom Getreide- und Gemüseanbau leben. Auch wer privat in seinem Garten oder auch nur am Balkon Früchte, Gemüse, Blumen oder Grünpflanzen anbaut, muss sich an das Brachjahr halten – jedenfalls wenn er oder sie sich an die Tora hält.
Viel wird dieser Tage über den Klimawandel und Naturkatastrophen berichtet. Rabbiner Hofmeister ist allerdings davon überzeugt, dass die Umwelt noch gerettet werden kann, wenn man die Dringlichkeit der Tora erkennt. „Achtet darauf, meine Welt nicht zu beschädigen und zu zerstören, denn wenn ihr das tut, wird es niemanden geben, der sie reparieren wird!“ (Midrasch Kohelet Rabba 1)

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