
Der Bubble Tea OMG ist gerade ein Renner bei Spar und Rewe. Erzeugt wird er von einer litauischen Firma, dort war Hannes Winkelbauer vor Kurzem. Und entdeckt hat er das Modegetränk auf einer französischen Lebensmittelmesse, „in der letzten Halle, im hintersten Winkel“. Der Profi sah in dem unscheinbaren Becher – unten ist Tee, auf der oberen Etage drängen sich die Bubbles auf Stärkebasis, die man dann hinein kippen muss. Am Becher angeklebt ist noch ein ausziehbarer Trinkhalm, so dick, dass die Bubbles durchpassen und erst im Mund platzen. „Bevor das marktreif war, haben wir noch einige Probleme lösen müssen, etwa mit der Verpackung“, erzählt er. „Was wir halt noch nicht wissen, ist, ob das jetzt eine kurzfristige Sache ist oder ob der Erfolg anhält.“
Der Spruch „Handel ist Wandel“ bedeutet für Winkelbauer mehr als nur eine hohle Phrase. Seine Firma – der passende Slogan lautet: „Aus der Welt verwöhnter Gaumen“ – hat den Wandel als stetiges Geschäftsprinzip. Denn die 35 Beschäftigten müssen über die Saisonen hin ausgelastet sein, die Umsätze sind alles andere als selbstverständlich und stabil. Winkelbauer liefert nicht direkt an die Konsumenten, sondern an die großen Ketten in Österreich, manchmal auch im Ausland. Und diese zögern oft nicht lange, Produkte, die nicht schnell drehen, wieder aus den Regalen zu entfernen. Auch die Lieferanten, unter ihnen Weltkonzerne, nehmen dem Importeur schon einmal gut gehende Waren wieder weg und vertreiben sie selbst oder verkaufen die eine oder andere Brand an die Konkurrenz, die wiederum jemand Neuen mit der Vermarktung beauftragt.
So hat etwa Winkelbauer vor einigen Jahren nach erfolgreichem Aufbau in Österreich die Marke Heinz wieder verloren, er hatte ihre Ketchups innerhalb weniger Jahre zu zweistelligen Marktanteilen gepusht. Doch dann wollte der Konzern drastische Preiserhöhungen einführen, die Winkelbauer als nicht realistisch ansah. Heinz kündigte ihm den Vertrag, ein erheblicher Umsatzbrocken ging verloren. Ähnliches passierte ihm mit Benko und Suchard Express Trinkkakao, der von einem Konzern-Portfolio, dem von Mondelez, in ein anderes, französisches, wechselte. Wieder musste Ersatz gefunden werden.
„Wir haben – mit der Ausnahmen von Hofer – in jeder Filiale des österreichischen Lebensmittelhandels unsere Produkte“, erzählt Winkelbauer. Das heißt bei Spar, bei der Rewe-Gruppe sowie beim Diskonter Lidl. Und das Angebot, das der Importeur ausrollt, ist weit gefächert, umfasst mehr als 40 bekannte Marken.
Zu den Langzeitpartnern gehört etwa Seeberger, ein deutscher Produzent von Nüssen, Trockenfrüchten und Mischungen von beidem. Mit der Schweizer Besitzerfamilie von Vanini, das sind Feigen- oder Birnensenfs zum Käse, ist Winkelbauer befreundet. FinnCrispKnäckebrot gehört zu seiner Warenwelt, ebenso italienische Bauli Panettone-Kuchen oder Erdnussbutter, weich und crunchy, von Skippy aus den USA.
Stabilität schaffen. Aber Winkelbauer hat sich auch selbst Markenrechte gesichert, um mehr langfristige Stabilität ins Geschäft zu bringen. So kaufte er etwa jene von der Everest GmbH, die unterschiedliche Reissorten in die heimischen Regale bringt, von einer österreichischen Konkurrentin. „Die Grenzwerte für Schadstoffe im Reis sind deutlich strenger geworden“, erzählt er, „und sie wollte sich das nicht mehr antun.“ Also reiste er wiederholt nach Indien und Thailand und baute die Lieferungen um, inzwischen gibt es Bioreis der Marke.
Wie innovativ der Großhändler ist, zeigt sich auch an diesem Beispiel: So importiert Winkelbauer schon länger CurryPasten der thailändischen Marke Blue Elephant. Jetzt verknüpft er diese mit seinem Everest-Reis-Programm. Er hat mit Blue Elephant eine neue – diesmal indische – Curry-Linie entwickeln lassen, auf den Packungen im Supermarkt finden sich beide Marken. Die Konsumentinnen und Hobbyköche wissen schon, wie sie mit Thai-Currypaste umgehen, jetzt können sie das ebenso mit anderen Geschmäckern ausprobieren – nach indischer Art.
Hannes Winkelbauer ist zwar ein umtriebiger Chef, aber neben dem Geschäft muss noch Zeit für anderes sein.
Und Winkelbauer ist selbst unter die Produzenten gegangen. Er hat schon vor Jahren bemerkt, dass auch in Österreich die Nachfrage nach orientalischen Speisen kontinuierlich zunimmt. „Inzwischen ist im Lebensmittelhandel der Umsatz von Hummus fast doppelt so groß wie der von Liptauer.“ Schlanker Nachsatz: „Und wir sind Marktführer.“
Wir ist in diesem Fall eine andere Firma, Deli Gourmet, die Winkelbauer gemeinsam mit einer Partnerin gegründet hat, mit Fanny Schreiber. Produziert werden unter der Marke Deli Dip unterschiedliche Hummus-Varianten, Tahina oder Falafel in Budapest, von einem Israeli. Der Importeur Winkelbauer hat damit vor allem die Filialen von Billa und Billa plus bestückt, bis hin zu kleinen Gebinden für den Mittagssnack der urbanen Angestellten.
Der Name Winkelbauer stand freilich einst nicht für Hummus, Tahina oder Erdnussbutter, sondern für frische Paradeiser und reife Pfirsiche. 1929 gründete der Großvater in der Wiener Innenstadt am tiefen Graben ein Gemüsegeschäft und übersiedelte es später hinter die Peterskirche. Über die Jahrzehnte kauften hier Prominente oder deren Angestellten ein. Die Köchin des Fürsten Liechtenstein suchte ihre Suppen-Wurzeln einzeln aus, Rudolf Kirchschläger stellte sich brav mit einem Plastiksackerl in der Hand an.
„Wir waren aber schon damals beim Obst und beim Gemüse vorne dabei“, erinnert sich Winkelbauer, der noch selbst um zwei Uhr in der Früh am Großmarkt in Inzersdorf Ware besorgte. „Wir haben erste Avocados importiert und Kiwis.“ Sein Vater begann dann bereits in den 1960er-Jahren mit dem Import von Süßigkeiten, Konserven oder Pflaumen in Armagnac, und das zweite Standbein wurde immer kräftiger. In den 90ern sperrten sie schließlich das Stadtgeschäft zu.
Neustrukturierung und Turnaround. Hannes Winkelbauer hatte gleich nach seiner HAK-Matura den Vater im Geschäft unterstützt, dann machte er seine Lehrund Wanderjahre. Unter anderem arbeitete er beim Großhändler Ahorner, versuchte sich auch – erfolglos – am Kauf von ganzen Bananen-Schiffen. 1994 rief ihn sein Vater ins Geschäft. 1995 übernahm er dieses schließlich nach einem Schlaganfall des Seniors, zunächst gemeinsam mit zwei jüngeren Brüdern, von denen einer auch heute noch in der Geschäftsführung arbeitet und neben dem Mehrheitseigentümer Hannes zweiter Gesellschafter ist.
Doch zunächst war Sanierung angesagt. Der Vater hatte mit seinen Schoko-Importen zu schnell expandiert, zu viele Kredite aufgenommen. Hannes musste über mehrere Jahre restrukturieren, etwa ein teures Lagerhaus wieder verkaufen. Heute werden die Lieferungen über angemieteten Lagerraum abgewickelt, ohne eigene LKWs. Der Turnaround gelang, über die letzten Jahrzehnte war – mit Auf und Abs – Wachstum angesagt, die 2,5 Mio. Euro Umsatz beim Firmeneintritt der Söhne haben sich inzwischen verzehnfacht. Doch Selbstläufer ist das Geschäft auch heute noch nicht, daher sind Reisen rund um den Globus, Scouting neuer Produkte und regelmäßige Besuche der internationalen Lebensmittelmessen weiter angesagt.
Daneben bietet Winkelbauer noch ein kleineres Segment „Non-Food“ im Programm an, etwa die Zahnpasta Perlweiß oder die israelische Kosmetikserie Salt house, basierend auf Salz aus dem Toten Meer. Erst kürzlich hat seine Firma von Henkel die Markenrechte von Lysoform gekauft. Produziert werden Reiniger, Waschmittelzusätze oder Desinfektionsmittel von jenen Zulieferern, die das schon für den deutschen Konzern gemacht hatten.
Hannes Winkelbauer ist zwar ein umtriebiger Chef, aber neben dem Geschäft muss noch Zeit für anderes sein. Zwei bis dreimal in der Woche geht er Thai-Boxen und verausgabt sich körperlich. Einige Jahre lang hat er als Obmann den jüdischen Fußballverein Maccabi Wien geleitet, seit über zehn Jahren ist er im Tempelvorstand des Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse aktiv. Seine Frau Petra, die ein Modegeschäft in Franchise geführt hatte, engagiert sich für die jüdische internationale Frauenorganisation Wizo. Die Tochter Jessica geht neben dem Studium der Immunbiologie für den Verein Likrat in Schulen, um gelebtes Judentum zu vermitteln. Nur Sohn Marc, ein ehemaliger Maccabi-Jugendfußballer und HakoahSchwimmer, hat momentan für derartige Aktivitäten keine Zeit: Er arbeitet nach einem Wirtschaftsstudium in England und Portugal in Berlin am Aufbau eines Startups im Versicherungsbereich.