Isabel in Jerusalem

Zur künftigen Wasserversorgung investiert Israel derzeit kräftig in die Infrastruktur. Die österreichische Strabag bohrt dazu gerade den längsten Tunnel des Landes.

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Die Tunnelbohrmaschine Isabel ist 250 Meter lang, 580 Tonnen schwer und hat in den letzten 30 Jahren mehrere Tunnel in Europa gebohrt. © Strabag

Isabel ist eine mächtige Maschine. Ihr Kampfgewicht liegt bei immerhin 580 Tonnen, insgesamt ist sie 250 Meter lang. Gebaut wurde sie breits 1988 und hat schon mehrere Tunnel in Europa gebohrt. Für ihren aktuellen Einsatz in Israel wurde sie generalüberholt und mit modernster Digitaltechnik ausgerüstet. Angereist ist sie in ihre Einzelteile zerlegt, nötig waren für die Verschiffung von Venedig nach Ashdod insgesamt 30 Container.
Isabel gehört der österreichischen Strabag, einer der größten Baufirmen Europas. Sie wird in Israel den längsten Tunnel des Landes bohren, mit einem Durchmesser von 3,90 Metern und 13 Kilometern Länge. In ihm werden aber keine Züge oder Autos fahren, er dient dem Transport von dringend nötigem Wasser nach Jerusalem.
Den Auftrag an die Strabag hatte der staatliche Wasserversorger Mekorot Water Company bereits Mitte 2016 vergeben. Es geht dabei um die Errichtung einer Trinkwasserleitung für Jerusalem. Die 42 Kilometer lange Leitung führt von den Meerwasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer direkt in die Stadt Jerusalem. Davon werden eben 13 Kilometer unterirdisch über einen Tunnel verlaufen. Die Arbeiten sollen nach einer Bauzeit von etwa 57 Monaten 2021 fertiggestellt sein.

Die zu bauende Trinkwasserleitung wird 900 Höhenmeter überwinden und ist auf einen maximalen Durchsatz von 75.000 m3 Wasser pro Stunde ausgelegt.

Warum ist dieses Projekt notwendig geworden? Die Wassersituation in Israel hat sich in den letzten Jahren nach einer scheinbaren Entspannung wieder verschärft (siehe dazu Die Dürre ist zurück, WINA, Oktober 2018). Mekorot wird zu den existierenden fünf Entsalzungsanlagen zwei weitere große im Norden errichten. Und das staatliche Unternehmen baut auch die Leitungen quer durch das Land aus, denn die existierenden Leitungen sind bereits maximal ausgelastet.
Was den aktuellen Strabag-Auftrag betrifft, so geht die Jerusalemer Stadtverwaltung davon aus, dass der lokale Bedarf mittelfristig noch weiter steigen wird. Deshalb hatte man sich für das Projekt 5th Water Supply System to Jerusalem entschieden. Die zu bauende Trinkwasserleitung wird 900 Höhenmeter überwinden und ist auf einen maximalen Durchsatz von 75.000 m3 Wasser pro Stunde ausgelegt. Sowohl das gebirgige Gelände wie auch die Tatsache, dass ein großer Abschnitt durch ein Naturschutzgebiet führt, haben zur Entscheidung geführt, einen Teil davon unterirdisch zu verlegen.
Strabag bohrt dafür – in einem internen Joint Venture mit der deutschen Tochter Züblin – einen rund 13 Kilometer langen Tunnel. Hier kommt die mächtige konzerneigene Hartgesteinstunnelbohrmaschine Isabel zum Einsatz. Der Bohrdurchmesser beträgt 3,9 Meter, darin werden dann die 2,65 Meter dicken Stahlrohre verlegt, in denen das Wasser fließen soll. Die restliche Leitung wird in offener Bauweise errichtet.
Seit der Grundsteinlegung im Mai 2016 wurden die notwendigen Büros, Werkstätten und Gleisanlagen aufgebaut und die Tunnelbohrmaschine einsatzbereit gemacht. Inzwischen sind bereits die ersten 130 Meter Tunnel gegraben. Nun fährt man nach und nach die Leistung nach oben, bis man den geplanten Bohrfortschritt von 21 Metern pro Tag erreicht. Damit sollte die Tunnelbohrmaschine in zwei Jahren in Ein Karem eintreffen. Ab März 2019 wird bereits mit dem Rohreinbau begonnen.
Strabag hat im Tunnelbau reichlich Erfahrung. Aktuell ist der Baukonzern etwa im Koralmtunnel tätig, wo für die Bahn die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Graz und Klagenfurt neu errichtet wird. Aber auch in Übersee hat Strabag prestigeträchtige Projekte abgewickelt, etwa einen Wassertunnel für ein Kraftwerk der Ontario Power Generation an den Niagara-Fällen.


Tunnelbau in der Antike

In Jerusalem haben jüdische Ingenieure schon einmal einen Tunnel zur Wasserversorgung gegraben, im 8. Jahrhundert vor Christus.

Der Tunnel war über 500 Meter lang, nutzte natürliches Gefälle und verband die Gihon-Quelle mit der Zisterne von Siloam. © 123RF/Suprun Vitaly

Das war der Tunneldurchbruch, und dies waren die Umstände des Tunneldurchbruchs: Als die Steinhauer noch die Hacke schwangen, ein jeder zu seinem Kollegen, und als noch drei Ellen zu durchschlagen waren, da wurde die Stimme eines jeden, der zu seinem Kollegen rief, gehört, denn es war ein Spalt im Fels vom Süden und von Norden. Und am Tag des Tunneldurchbruchs schlugen die Steinhauer ein jeder seinem Kollegen entgegen, Hacke gegen Hacke, und da flossen die Wasser von der Quelle zum Teich auf eine Länge von 1.200 Ellen.“
Dieser Arbeitsbericht von antiken Mineuren ist 2.800 Jahre alt. Er findet sich auf einer althebräischen Inschrift aus dem letzten Viertel des achten Jahrhunderts vor der Zeitrechnung. Das Untertagebauprojekt, das sie beschreibt, nennt sich Siloam-Tunnel oder auch Ezechiels Tunnel. Es handelte sich dabei nicht nur um ein durchaus modern wirkendes Infrastrukturprojekt, sondern hatte auch größte strategische Bedeutung.
Der Tunnel, der damals ohne moderne Messtechnik und mittels Klopfen und Zurufen von außen ausgerichtet wurde, verbindet eine Quelle mit einer Zisterne. Es gab dabei zweierlei militärische Überlegungen: Erstens sollte das Wasser für die befestigte Stadt innerhalb der Mauern fließen, so dass es durch Angreifer oder Belagerer − man erwartete damals die Assyrer − nicht unterbrochen werden könnte. Und zweitens sollte durch diese Wasserleitung auch kein zugängliches Nass zur Versorgung der Angreifer übrig bleiben.
Die Gihon-Quelle war zwar bereits mit einem Wehrturm geschützt, aber in Richtung Stadtmauern floss das Wasser offen. Der Tunnel wurde dann mehr als 500 Meter lang, nutzte natürliches Gefälle und verband die Quelle mit der Zisterne von Siloam, die innerhalb der Befestigungen lag. Er führte nicht gerade, sondern folgte in Bögen und Kurven den geologischen Gegebenheiten, offensichtlich musste während des Grabens darüber hinaus auch mehrmals nachkorrigiert werden. Dennoch bleibt er eine technische Meisterleistung. Der Tunnel wurde in moderner Zeit erstmals vom italienischen Orientalisten Franciscus Quaresmius im Jahr 1625 beschrieben, genauer erforscht wurde er dann im 19. Jahrhundert von amerikanischen und britischen Archäologen.

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