Eine Sache, die Deutschsprachigen immer wieder in Israel passiert, ist die fälschliche Annahme, dass wir jiddisch reden.Von Iris Lanchiano
Auf dem Weg nach Hause, gezeichnet von einer langen Nacht, kam ich mit meiner Freundin Susi heftig ins Diskutieren. Es ging um die Frage, wie der aufdringliche Kellner aus dem letzten Lokal geheißen hat. „No, denk nach! Wie hat dieser Potz geheißen. Du weißt schon, dieser Schmock, der uns so in den Tschajnik gehackt hat.“ Irgendwo Ecke Rothschild und Allenby hatte uns unser Gedächtnis im Stich gelassen. Es wollte uns einfach nicht einfallen.
Auf einmal sprang wie aus dem Nichts ein halbnackter Mann hinter dem Stand der frischgepressten Säfte hervor. Seine Augen strahlten, als er vor uns stand und fragte: „Was red’s ihr? Jiddisch?“ Susi und ich schauten einander an. In unsere Umgangssprache haben sich über die Jahre viele jiddische Ausdrücke eingeschlichen. Aber noch nie wurde ich darauf angesprochen. Kurz erschrocken von dem Fremden in eng anliegender roter Baumwollunterhose, entschieden wir uns, ihm unsere Aufmerksamkeit zu schenken.