„Israel hat Freunde und wird seinen Weg finden.“

Der deutsch-persisch-israelische Politologe und Schriftsteller war der Key Note Speaker beim Keren Hajessod - Magbit Abend zum 75. Geburtstag Israels.

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Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Über die schillernde Persönlichkeit des Politologen und Autors, Arye Sharuz Shalicar, der nicht nur über zahlreiche Talente verfügt, sondern auch auf eine schwere Jugend voller dramatischer Wendungen zurückblickt, hat das Wina Magazin im Juni 2022 berichtet.  Jetzt war Shalicar zur Eröffnung des jährlichen Magbit-Abends in Wien und nahm auch zur aktuellen Lage Israels zu seinem 75-jährigen Bestehen Stellung.

Wina: Ihre Erfahrung mit zwischenmenschlichen Konflikten ist groß. Sie sind  im Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu angestellt und mit wichtigen sicherheitspolitischen Agenden betraut. Wie beurteilen Sie die derzeitige aufgeheizte Stimmung?

ASS: Diese prägt natürlich die momentane Lage, hat sowohl nach innen wie nach aussen großen Einfluss. Doch ich habe weder Angst, noch mache ich mir Sorgen: Denn erstens habe ich eine optimistische Grundeinstellung und zweitens glaube ich daran, dass man sich in den nächsten Wochen, Monaten wieder in der Mitte treffen wird, um für das Wohl des Staates und unsere Kinder das Richtige zu tun.

Nach der Wahl sind viele auf die Bäume gestiegen, nun sehen sie einander nicht mehr – sie werden aber wieder langsam heruntersteigen: Denn alle verstehen, egal ob links oder rechts, dass es nach 75 Jahren Staat doch gewisse Updates geben muss. 

Wina: Was heißt Updates (Aktualisierungen) in diesem Zusammenhang? Diese demokratie-bedrohliche Justizreform zu beschliessen?

ASS: Eine Reform ist notwendig, denn es kann nicht sein, dass in einem demokratischen Staat die Richter stärker sind als die Politik. Das gibt es so in keinem anderen Land, dass eine Gruppe von Richtern mächtiger ist als die Politiker, die vom Volk gewählt wurden. So kann die Zusammenarbeit nicht funktionieren, aber ich glaube, es geht jetzt in die Richtung, dass sich Justiz und das gewählte Parlament im Interesse aller zusammenraufen.

Wina: Was untermauert diesen Optimismus?

ASS: Ich gehöre keiner Partei an, mich interessiert nur die Stärkung unseres Staates und die unserer Kinder. Das gilt für meinen gesamten Einsatz: Wir müssen in der Lage sein, uns zu verteidigen, also nie mehr Opfer sein. Derzeit beobachten wir, dass viele Feinde, aber auch Möchte-gern-Freunde, die nur so tun als ob, die Situation ausnutzen, um Israel das Messer in den Rücken zu rammen. Solche Tiefpunkte in den Beziehungen werden von Israel genau beobachtet, wer ist Freund wer ist Feind.

Wina: Israel hat jüngst seine Beziehungen zu diversen Ländern in Europa merklich verbessert, darunter auch zu Österreich. Sollen diese Stimmen jetzt ignoriert werden?

ASS: In Israel findet ein interner Diskurs statt, daher sollten die Reaktionen von aussen zurückhaltend sein: Man sollte sich nicht in die internen Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen, diese Konflikte werden zurecht von den Bewohnern selbst ausgetragen. Die Demokratie in Israel ist sehr lebendig, die Menschen gehen seit Wochen auf die Strasse, laufend finden Gespräche zwischen Politikern und Ex-Politikern statt. Israel wird seinen Weg finden, dafür brauchen wir weder irgendwelche Amerikaner, noch Österreicher und ganz bestimmt keine Deutschen. Es wird immer der Anschein erweckt, dass nur Israel die USA braucht, aber das ist falsch, die Amerikaner brauchen uns im Nahen Osten genau so: Das ist eine eindeutige win-win Beziehung.

Wina: Dennoch sterben fast täglich sowohl Israelis als auch Palästinenser?

ASS: Täglich schlagen Terroristen zu, ständig beklagen wir jüdische Opfer: Es gibt keinen Grund, unschuldige Juden am Freitagabend in Jerusalem vor der Synagoge nieder zu metzeln. Man kann und soll jeden Minister kritisieren, das ist demokratisch und legitim, aber Terror auszuüben ist völlig tabu. Viele Menschen haben dafür bezahlt, nicht nur auf jüdischer, sondern ebenso auf palästinensischer Seite, weil das Militär auf terroristische Akte reagieren muss. Bei dieser schrecklichen Spirale ist immer die Frage, was hat wohin geführt. Das alles ist sehr bedauerlich, aber solange dieser ständige Terror anhält, wird es mit den Palästinensers keine Lösung geben, daher stecken wir alle in einer Sackgasse.

Wina: Die Entwicklungen im Iran sind sehr besorgniserregend, weil die Atombombenfähigkeit des Mullah-Regimes zunimmt. Israel wird dieser Gefahr nur mit Hilfe der USA und zahlreicher Verbündeter bannen können. Ähnlich wie derzeit bei der Ukraine wird es weltweiter Solidarität bedürfen, oder?

ASS: Israel hat Freunde, das habe ich auch in meinem letzten Buch Schalom Habibi – „Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden“ erläutert, wo ich auf das „Abraham-Friedensabkommen“ Bezug nehme. Es klingt vielleicht absurd, aber „zum Glück“ sind nicht nur die Juden das Ziel der iranischen Mullahs. Wir haben enge Kooperationen mit einer Handvoll muslimischer und nicht-muslimischer Länder, wie z.B. der Türkei, Aserbaidschan, auch Israels Beziehung zu den Kurden ist stark. Die Emirate am Golf hätten mit Israel keinen Frieden geschlossen, wenn die Saudis nicht ihr OK gegeben hätten. Der Oman, Bahrein und Marokko sehen auch die iranische Gefahr und deshalb ist es auch in ihrem ureigensten Interesse zusammen zu rücken. Die gemeinsamen wirtschaftlichen Themen wie High Tech, Wasser- und Energieversorgung befördern die guten Beziehungen zwischen den Staaten, das funktioniert genau wie im zwischenmenschlichen Bereich. 

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