Israels IT-Flaggschiff

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Intel hat Ende des Vorjahres die größte private Investition des Landes beschlossen. Doch es gibt auch Kritik daran: Die Regierung habe dem Konzern zu hohe Steuergeschenke zugesichert. Von Reinhard Engel   

Sechs Milliarden Dollar. So viel will der US-Technologiekonzern Intel in seine neue Chip-Fabrik in Israel investieren. Das ist mit Abstand die größte Einzelinvestition eines Privatunternehmens in der Wirtschaftsgeschichte des Landes. Und abgesehen von einer Fertigung auf höchstem technischen Niveau wird die neue Fabrik in Kiryat Gat zwischen Ashdod und Beersheba etwa 1.000 neue qualifizierte Jobs bedeuten – zusätzlich zu den derzeit 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Intel an diesem Standort. Im ganzen Land beschäftigt der Konzern beinahe 10.000 Frauen und Männer – und gibt zusätzlich Aufträge an etwas mehr als 20.000 Menschen in Zulieferbetrieben oder Partnerfirmen.

„Die Bedeutung des Unternehmens reicht in der israelischen Wirtschaft und im Hightechsektor weit über die Fabriken und
Labors von Intel selbst hinaus.“

Dennoch sorgte diese Ankündigung im Herbst 2014 nicht nur für positive Reaktionen. Denn der multinationale Konzern hat mit Fabriken in zahlreichen Ländern eine starke Verhandlungsposition, daher musste die israelische Regierung ordentlich Federn lassen: 300 Millionen Dollar fließen über die nächsten fünf Jahre an direkten Subventionen oder verlorenen Zuschüssen. Das ist aber gar nicht so viel – verglichen mit der gesamten Investitionssumme macht es gerade einmal fünf Prozent aus. Wichtiger scheint schon das Steuerpaket, das Finanzminister Yair Lapid mit der Konzernspitze ausgehandelt hat: Über die nächsten zehn Jahre wird Intel in Israel bloß fünf Prozent Steuern auf seine Gewinne zahlen. Zum Vergleich: Die Corporate Tax in Israel betrug im Vorjahr im Normalfall 26,5 Prozent.

Das ist auch der Grund dafür, dass die Intel-Manager derzeit nicht gerne mit der Presse sprechen – man duckt sich weg und wartet, bis sich die Wogen glätten. Dasselbe gilt für die Regierungsseite, aber diese dürfte hier keine allzu großen Spielräume gehabt haben, zu gefährlich wäre die Bedrohung gewesen, wenn Intel seine neue Fabrik für die nächste Generation der Zehn-Nanometer-Chips nicht hier gebaut hätte.

Seit den 70ern in Israel aktiv

Denn die israelische Tochterfirma des Multis ist der größte Einzelexporteur des Landes. Im Rekordjahr 2012 erreichten seine Ausfuhren von Halbleitern mehr 4,6 Mrd. Dollar. Das bedeutete, dass allein in diesem Jahr aus seiner Fabrikation rund 20 Prozent aller Hightechexporte des Landes stammten, oder zehn Prozent sämtlicher industrieller Exporte Israels (ausgenommen Diamanten). 2012 war ein Jahr, in dem sich diese Exporte mehr als verdoppelten. Diese starken Zuwächse gingen damals vor allem auf den Produktionsanlauf von Chips in jener Fabrik in Kiryat Gat zurück, die die so genannte 22-Nanometer-Technologie nutzen. Doch die Entwicklung geht rasant voran – zu noch kleinerer Bauweise, 14 und zehn Nanometer. Und das betrifft eben die aktuellen Investitionen.

Intel ist seit Anfang der 70er-Jahre in Israel aktiv, dabei sollte sein Beitrag zur Entwicklung der gesamten IT-Branche im Land nicht unterschätzt werden, argumentieren Dan Senor und Saul Singer in ihrem Buch Start-up Nation. Was wir vom innovativsten Land der Welt lernen können. „Das israelische Team begann mit einer Investition von gerade einmal 300.000 Dollar und mit fünf Angestellten. Aber das Unternehmen sollte über die Jahre Israels größter Arbeitgeber werden […] Auch wenn die Investition von Intel am Anfang wie ein riskantes Spiel wirkte, sollte sie dann ganz entscheidend für den Erfolg der gesamten Firma werden.“ Senior und Singer zählen einige der Erfolge der israelischen Intel-Ingenieure auf: Dazu gehörten das Design für Chips in den ersten IBM-PCs, die ersten Pentium-Chips, die für die Entwicklung von Laptops eine entscheidende Rolle spielten, darüber hinaus eine gesamte neue Hardwarearchitektur, die Intel nach einigen Misserfolgen in den 1990er-Jahren wieder nach oben brachte.

Und auch wenn das Engagement in Israel mit Entwicklungsarbeiten begann – es hatte in den 70er-Jahren in den USA ernste Engpässe bei Ingenieuren gegeben –, so wurden parallel zu den Labors die Fabrikshallen immer wichtiger. Dov Frohman, ein Israeli, der bei Intel in Santa Clara arbeitete, hatte nicht nur seine Bosse 1974 überzeugt, in Haifa das erste kleine Forschungszentrum zu errichten. Er war auch damit erfolgreich, ihnen elf Jahre später die erste Produktionsstätte außerhalb der USA schmackhaft zu machen: in Israel.

Zuerst wurde nur in Jerusalem produziert, in der so genannten Fab 8, ab 1996 auch in der neuen Fabrik in Kiryat Gat, 70 Kilometer südlich von Tel Aviv. Die Umschichtung der neuen Investitionen dorthin hatte übrigens nicht zuletzt mit der Notwendigkeit zu tun, dass in derartigen Fabriken die Maschinen 24 Stunden und sieben Tage die Woche laufen müssen und auf den Schabbat keine Rücksicht nehmen können. Ebenso wenig dürfen Krisen oder Kriege die durchlaufende Versorgung der internationalen Kunden unterbrechen. Ob das die Golfkriege waren oder jene in Gaza, die Chips wurden in den Reinräumen von Intel kontinuierlich erzeugt und anschließend in die USA, nach Asien und Europa geflogen. Denn die Investitionen in derartige Fabriken sind so hoch, dass es weltweit nur mehr einige wenige gibt und sich ein Ausfall sofort auf die Produzenten von Computern oder anderen elektronischen Geräten auswirken würde.

Intel hat vor der aktuellen Großinvestition schon viel Geld in Israel angelegt. Allein in den letzten zehn Jahren sollen es mehr als zehn Milliarden Dollar gewesen sein, liest man in einer aktuellen Studie von Ökonomen der Wharton Business School an der Universität of Pennsylvania: „Die Bedeutung des Unternehmens reicht in der israelischen Wirtschaft und im Hightechsektor weit über die Fabriken und Labors von Intel selbst hinaus.“ So werden etwa in Israel jedes Jahr um eine Milliarde Dollar Produkte und Dienstleistungen eingekauft. Mit der Hilfe von Intel generieren kleinere israelische Tech-Firmen Exporte von 500 Millionen Dollar, die sie sonst nicht erzielt hätten.

Über einen eigenen Venture Kapital Fonds investiert Intel in israelische Start-ups, hält auch längerfristig Beteiligungen an ihnen, wenn sie sich als erfolgreich erweisen. Seit den Anfängen dieses Fonds im Jahr 1996 hat sich Intel an 70 israelischen Unternehmen beteiligt, aktuell hält dieser Aktien an 15 Tech-Firmen in Israel – von weltweit 300 im gesamten Beteiligungsportfolio von Intel, inklusive USA. Und auch die indirekten, immateriellen Förderungen der israelischen Hightechindustrie sind nicht zu vernachlässigen: Laut Wharton-Studie aus dem Vorjahr haben seit 2006 ehemalige Intel-Ingenieure pro Jahr etwa 30 Unternehmen gegründet und dabei jedes Mal 250 anspruchsvolle neu Jobs geschaffen. ◗

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