Israels musikalische Botschafterin

Über ihre atemberaubende internationale Karriere und wie sie als Israelin fern der Heimat lebt, spricht die Sopranistin Hila Fahima mit Marta S. Halpert.

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© Reinhard Engel

Wina: Sie gehören seit der Spielzeit 2013/14 zum Ensemble der Wiener Staatsoper und haben sich mit Rollen wie der Gilda in Verdis Rigoletto oder Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte sowie jüngst auch als Nannetta in Falstaff in die Herzen der Wiener Opernliebhaber gesungen. Soeben feierten Sie einen großen Erfolg als Dalinda in Händels Ariodante. War das Ihre erste Barockoper?

Hila Fahima: Ja, es war eine große Freude, bei dieser wunderbaren Produktion dabei zu sein. Die dramatische und komplizierte Rolle der Dalinda hat mich fasziniert, und es war großartig, mit so einem tollen Dirigenten wie William Christie und Regisseur David McVicar über sechs Wochen zu arbeiten. Das betrifft natürlich nur die Bühnenprobezeit, denn mit der Musik, der Geschichte und dem Charakter der Rolle habe ich mich schon Monate vorher intensiv beschäftigt.

Sie wurden in der nordisraelischen Stadt Karmi’el geboren, die Ihre Großeltern 1964 mit begründet haben. Ihre Vorfahren stammen aus Frankreich, Portugal, Marokko und dem Jemen. Sind Ihre Eltern Opernfans?
Nein, eher nicht. Meiner fünf Jahre älteren Schwester verdanke ich die frühe Liebe zur Musik. Sie ist ein Mezzosopran und war meine erste Lehrerin, weil sie mich schon mit vier Jahren zum Singen animiert hat. Ich war eher schüchtern, aber sie hat mich mitgerissen: Mit acht Jahren sang ich schon in einem Chor, und mit zehn habe ich die ersten Gesangsstunden bekommen. Musik war generell ein Teil unseres Alltags: Nach jedem Abendessen wurde gesungen. In den Schals unserer Großmutter haben wir Theater gespielt. Auch meine jüngere Schwester ist Musikerin geworden, sie widmet sich dem Jazz und der Popmusik. Meine ältere Schwester und ich entdeckten die Oper für uns.

Wie kam es dazu?
Die Eltern haben das sehr gefördert. Sie fuhren mit uns aus Karmi’el nach Tel Aviv, damit wir Oper live hören können. Bereits als Teenager nahmen sie mich auf meine erste „Operntournee“ durch Mitteleuropa, wir waren in Prag, Budapest und Bratislava. Mit 14 Jahren saß ich zum ersten Mal in der Wiener Staatsoper bei Barbier von Sevilla und war begeistert.

»Israel ist mein Zuhause,
dort sind meine Wurzeln, das ist der wichtigste Ort der Welt für mich.«

Hila Fahima

Wie schafft man es als 22-jährige Israelin an die Deutsche Oper Berlin?
Ich hatte keine Absicht, Israel zu verlassen. Nach dem Militärdienst und dem Studium an der Rubin Academy in Jerusalem war ich an der Israel Opera im Young-Artists-Programm engagiert. Ein Korrepetitor der Deutschen Oper kam nach einer Vorstellung in Tel Aviv zu mir und fragte, ob ich nicht in Berlin vorsingen möchte, dort suche man einen jungen Sopran. Ich sagte ok, ich komme dann im Sommer. Nein, war die Antwort, das müsste sofort sein. Die Direktion meinte, ich sollte es versuchen. Ich flog zum Vorsingen und wartete, bis die letzte Sängerin fertig war. Plötzlich kam jemand aus der Operndirektion und legte mir einen Jahresvertrag vor. Von 2010 bis 2013 habe ich dann an der Deutschen Oper Berlin gesungen.

Hila Fahima als Nannetta in Falstaff
an der Wiener Staatsoper.
© Reinhard Engel; Starpix /
picturedesk.com

Mit welchen Arien haben Sie die Jury derart begeistert?
Mit der Königin der Nacht und meiner Lieblingsarie Caro Nome aus Rigoletto. Diese Arie singe ich, seit ich vierzehn war. Heuer, am 17. Mai, singe ich diese Partie wieder an der Deutschen Oper Berlin. Es ist schön, gefragt zu werden und dorthin zurückzukehren, wo man als Stipendiatin begonnen hat.

Wie ist es Ihnen in Berlin ergangen?
Es war nicht ganz leicht, ich erlebte einen Wetter- und Kulturschock. Ich konnte die Sprache nicht, habe mich aber gleich in einen Deutschkurs eingeschrieben. Um den Kontakt zur jüdischen Gemeinde bemühte ich mich ebenso wie andere Israelis kennenzulernen. Es gab dort zahlreiche Aktivitäten, und die Feiertage habe ich mit den neuen Freunden verbracht.

Wurden Sie auf die aktuelle israelische Politik angesprochen?
Es war alles ungewohnt und neu für mich. Daher wollte ich nicht in politische Konfrontationen hineingezogen werden. Ich kam wegen der Musik und konzentrierte mich auf das Singen. Ich glaube, meine Aufgabe als Israelin ist es, die schönen Seiten unseres Landes zu zeigen, die Freundlichkeit, Offenheit, die kulturelle Vielfalt, nicht jene der täglichen Nachrichten. Ich weiß sehr wohl, dass man uns nicht überall gut gesinnt ist, aber ich bin optimistisch und sehe meine Arbeit als Botschafterin: Wenn ich auf der Bühne schön und gut singe und einen positiven Eindruck vermittle, hilft das vielleicht. Insgesamt bin ich sehr herzlich aufgenommen worden. Auch wenn es unangenehme Fragen gab, was im Umfeld der internationalen Künstlerschar sehr selten passiert, muss man versuchen, klug zu antworten.

Von Berlin kehrten Sie nicht nach Israel zurück. Wie kamen Sie an die Wiener Staatsoper?
Da Wien ganz oben auf meiner Wunschliste stand, habe ich mich um ein Vorsingen bei Direktor Dominique Meyer bemüht – und so ist es mir gelungen, an die Staatsoper zu kommen. Wenn man bereits an so einem großen Haus gesungen hat, ist die Option, nach Hause zu gehen, keine so gute Sache. Es wäre schön gewesen, nach Israel zu gehen, nur leider sind die Möglichkeiten dort beschränkt. Wenn man Karriere machen will, muss man auf der internationalen Bühne präsent bleiben. Die Staatsoper versteht auch, dass man sich als junger Sänger weiterentwickeln muss, und sie helfen uns dabei. Letztes Jahr habe ich fast zwei Monate frei bekommen, um in Basel in der Hans-Neuenfels-Produktion von Mozarts Lucia Silla mitwirken zu können.

Da feierte Sie die Neue Zürcher Zeitung als „die höhen- und koloraturensichere Hila Fahima“. Sie singen jetzt an renommierten Häusern in der ganzen Welt. In welche Richtung werden Sie Ihr Repertoire erweitern?
Ich liebe Mozart und Strauss, möchte aber mehr Belcanto-Partien singen. Zum Beispiel in Opern von Donizetti wie Lucia di Lammermoor oder Die Regimentstochter. Es reizt mich auch das französische Fach, die Ophelia in Hamlet.

Wo sehen Sie in Zukunft Ihren Lebensmittelpunkt?
Ich fühle mich in Wien sehr wohl. Auf so eine Chance, wie ich sie bekommen habe, warten viele Sängerinnen und Sänger ein Leben lang. In dieser Stadt hat die Oper einen besonderen Stellenwert – auch bei jenem Teil der Bevölkerung, der nicht hineingeht. Aber Israel ist mein Zuhause, dort sind meine Wurzeln, das ist der wichtigste Ort der Welt für mich. Ich fliege so oft es nur geht nach Israel, weil mir meine große Familie fehlt. Ich singe deshalb oft in Israel, aber auch in zahlreichen Konzertproduktionen. Im Juli 2018 habe ich ein Konzert unter der Stabführung von Ariel Zuckermann mit dem Israel Chamber Orchestra. Und drei Tage danach wird in Jaffa geheiratet.


Hila Fahima, geboren 1987 in Karmi’el, studierte an der Jerusalem Academy for Music and Dance. Bereits während des Studiums trat sie in mehreren Opern- und Operettenproduktionen auf. Beim europäischen Gesangswettbewerb DEBUT 2010 und beim Stella-Maris-Wettbewerb 2013 gewann sie jeweils den ersten Preis. Sie sang sowohl beim Glyndebourne-Festival als auch bei den BBC-Proms und arbeitete mit berühmten Dirigenten wie Donald Runnicles, Ulf Schirmer, Zubin Mehta und Dan Ettinger.

 

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