Gut konzipierte Gedenkstätten verhindern, dass Erinnerung zu einem hohlen Ritual wird, erklärt der deutsche Antisemitismusforscher Wolfgang Benz. Gegen den Vorwurf, er habe Antisemitismus mit Islamfeindlichkeit gleichgestellt, verteidigt er sich im Gespräch mit Anna Goldenberg.
wina: In Wien wurde letztes Jahr der Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt. Eine Expertenkommission hat nun in 159 weiteren Straßennamen „dunkle“ Flecken gefunden. Wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen?
Wolfgang Benz: In jedem einzelnen Fall ist sehr viel Fingerspitzengefühl notwendig. Ich würde jede Richard-Wagner-Straße umbenennen, da er bekanntlich einer der bösartigsten und dümmsten Antisemiten war, den die Geschichte kannte. Aber wenn man Richard Wagner aus dem öffentlichen Leben bannen würde, wäre das Aufheulen der Musikfreunde weltweit, inklusive der israelischen, ganz ungeheuer. Und es gibt ja nichts Lästigeres für die Einwohner, als wenn die Straße, in der sie wohnen, umbenannt wird.
wina: Richtig und konstruktiv erinnern – gibt es das überhaupt?