Mit Freude lernen – Die Jewish Bilingual Montessori School

Mussia Segal ist Religions- und Hebräischlehrerin und Mutter einer Tochter. „Ich war auf der Suche nach einer Schulform, in der Kinder Freude am Lernen haben“, erzählt sie im Gespräch mit WINA. Dabei stieß sie auf die Montessori-Pädagogik. In Döbling eröffnete sie vor Kurzem Gan Sara, einen Montessori-Kindergarten. In dem Gebäude, das Martin Schlaff im Gedenken an seine Mutter Sarah Schlaff spendete, möchte sie nun auch eine Montessori-Volksschule starten: Die Jewish Bilingual Montessori School (JBMS). Finden sich genügend interessierte Familien, könnte die Schule kommenden September starten. Fotos: Daniel Shaked

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„In der Volksschule haben Kinder meist noch viel Freude am Lernen“, sagt Segal. „Aber auch da ist es schon schwierig, als Lehrerin wirklich jedes Kind anzusprechen, auf seine individuellen Bedürfnisse und Interessen einzugehen, seine Stärken zu verstärken.“ Gleichzeitig sehe man, da seien Kinder, die beim Schreiben oder Rechnen schwach seien, „aber so talentiert beim Singen und Tanzen oder in der Kunst. Nur leider gibt es dafür nicht genug Raum.“ Segal ist allerdings sicher: Könnten diese Kinder ihre Talente ausleben, würde ihnen das schließlich auch sprachlich oder in Mathematik weiterhelfen. „Das hat mich bei der Pädagogik von Maria Montessori so angesprochen.“ Montessori sei auch Ärztin gewesen. „Sie wusste, was Kinder für ihre Entwicklung brauchen, wie ihr Gehirn funktioniert.“

Segal sah sich in der Wiener Montessori-Szene um und landete bei Natalie Grünwald, einer der Vorständinnen des Montessori Campus Wien West. „Sie hat mich sehr unterstützt, ich weiß gar nicht, ob sie weiß, wie sehr.“ Grünwald war es auch, die sie mit Natalia Moshniaha bekannt machte. „Sie ist zur richtigen Zeit wie ein Engel vom Himmel gefallen“, freut sich Segal.

Segal, die derzeit online in Österreich und Israel ihre Montessori-Ausbildung absolviert, ist die Leiterin der geplanten Schule in Döbling, die Montessori-Pädagogik mit einem bilingualen Ansatz (Englisch und Deutsch) und jüdischer Atmosphäre verbinden möchte. Moshniaha ist die Montessori-Supervisorin der neuen Schule. Die Ukrainerin kam für ihr Psychologiestudium nach Wien, hier absolvierte sie auch ihre Montessori-Ausbildung. Nach ihrer Rückkehr nach Kiew, baute sie dort ein Kinderhaus und eine Schule für bis Zwölfjährige auf, gleichzeitig bildete sie Lehrer und Lehrerinnen aus. „Mein Job ist es, Menschen und vor allem Kinder zu inspirieren.“

Als vor einem Jahr der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine angriff, war ein Unterrichten in der Kiewer Schule nicht mehr möglich. „Schon zu Beginn haben viele Familien, deren Kinder bei uns waren, die Ukraine verlassen.“ Auch Moshniaha verließ mit ihrer Tochter Kiew und kam nach Wien, wo sie bereits gut vernetzt war. Vergangenen August reiste sie zwar nochmals in die Ukraine, um zu prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, die Schule wieder zu eröffnen. „Aber das Gebäude entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben zu Kriegszeiten. Wir haben zum Beispiel keinen Keller, den man bei einem Luftalarm aufsuchen könnte.“

Moshniaha kehrte also wieder nach Wien zurück und hat nun hier die Aufgabe übernommen, die so genannte Montessori-Umgebung für die neue Schule aufzubauen. Was bedeutet das? In einem Kinderhaus gibt es nicht, wie in anderen Kindergärten, klassisches Spielzeug wie Puppen, Brettspiele oder Bauklötze. Stattdessen stehen den Kindern Montessori-Materialien zur Verfügung, die ihnen helfen, sich Dinge selbst beizubringen. So schult etwa das Umgießen von Flüssigkeiten die Feinmotorik von Vorschulkindern. Sie lernen aber auch schon zu lesen, so sich dafür interessieren, oder operieren mit kleineren und auch größeren Zahlen.

„Montessori-Kinder übernehmen Verantwortung, und wenn sie ein Thema interessiert, haben sie ein Glitzern in den Augen.“

Mussia Segal

Fotos: Daniel Shaked

Das setzt sich dann in der Volksschule fort. Kinder lernen Dinge immer dann, wenn sie sich dafür interessieren, wenn es hier sozusagen ein offenes Zeitfenster gibt. Andererseits werden sie ermuntert, zu Themen, die sie ansprechen, selbst zu recherchieren. Mit kleinen Präsentationen erzählen sie dann ihren Mitschülern, was sie herausgefunden haben. Erstellt werden dabei auch gerne Plakate. 

Im September sollen, wenn alles nach Plan geht, an der neuen Schule rund 15 Erstklässler ihre Schulzeit beginnen. Im Idealfall waren sie davor schon für einige Monate im Gan Sara, damit ihnen der Umgang mit Montessori-Materialien bereits vertraut ist. Segal appelliert daher an Eltern, die sich für die neue Schule interessieren, sich bald zu melden, damit ein guter Einstieg gelingt. Derzeit wolle man noch keine älteren Schüler und Schülerinnen, die bereits in eine Regelschule gehen oder gegangen sind, aufnehmen. „Später wird das durchaus auch möglich sein“, so Moshniaha. Sie bereitet die Lernumgebung derzeit dennoch nicht nur für die Bedürfnisse von Schulneulingen vor. „Wenn ein Kind Interesse hat, in einem Bereich weiter zu gehen, sich zu vertiefen, muss ja auch schon alles dafür vorbereitet sein.“

Schule ohne Uniform. Die Kinder werden von einem vierköpfigen Team betreut werden: Neben Moshniaha und Segal, die für die Vermittlung von religiösen Inhalten und Hebräisch verantwortlich zeichnen wird, gibt es auch eine Lehrerin, die ausschließlich auf Englisch unterrichtet, sowie eine Deutsch sprechende Montessori-Lehrerin. Der Unterricht beginnt um 8:30 Uhr und endet um 13:30 Uhr, wer möchte, kann bereits um 8:15 Uhr am Morgengebet teilnehmen, zudem soll es eine Nachmittagsbetreuung geben.

Anders als an anderen Wiener jüdischen Schulen ist an dieser Schule keine Schuluniform vorgesehen. Ganz im Gegenteil, hier verbringen die Kinder auch viel Zeit im Garten, und es wird gemeinsam gekocht. Kleidung muss also auch schmutzig werden dürfen, etwas, das die Eltern, deren Söhne und Töchter bereits den Gan Sara besuchen, erst lernen mussten, wie Segal schmunzelnd erzählt. Der Kindergarten bietet derzeit eine Krippengruppe (Null- bis Dreijährige) sowie eine Familiengruppe (Drei- bis Sechsjährige) mit derzeit jeweils elf Kindern. Die Schule soll im Vollausbau sowohl Sechs- bis Neunjährige wie auch Zehn- bis Zwölfjährige unterrichten. Ob man danach – wie am Campus Wien West – das Angebot auch bis zur Matura ausbaue, werde man erst sehen, so Segal. Dann müsste man sich aber auch nach zusätzlichen Räumlichkeiten umsehen.

 

Selbst wenn die Schule einmal nur bis zur sechsten Schulstufe führe, seien die Kinder für den Umstieg in jede andere Schule gut gerüstet, beruhigt Moshniaha. „Ich war in ganz vielen Regelschulen und habe die Lehrerinnen gefragt, gibt es einen Unterschied zwischen Montessori-Kindern und Nicht-Montessori-Kindern, und alle haben gesagt: ja. Sie tun sich schwer beim Abschreiben und bei manchen Dingen, die man schnell machen soll, weil sie oft sagen, da muss ich zuerst darüber nachdenken. Aber in allen anderen Belangen sind die Montessori-Kinder viel weiter fortgeschritten. Sie übernehmen Verantwortung, und wenn sie ein Thema interessiert, haben sie ein Glitzern in den Augen und fragen, ob sie ein Plakat dazu machen dürfen. Sie integrieren sich leicht in ein anderes System, behalten aber die Freude am Lernen.“

Während Lehrer und Lehrerinnen an konfessionellen Privatschulen von der öffentlichen Hand gezahlt werden, ist dies bei alternativpädagogischen Schulen, die dann als Statutschulen geführt werden, nicht so. Sie haben zwar ebenso ein Öffentlichkeitsrecht, was bedeutet, dass Schüler und Schülerinnen keine Externistenprüfungen ablegen müssen. Die Kosten für den Unterricht müssen aber zur Gänze privat – also durch die Eltern beziehungsweise Spenden – aufgebracht werden. Das Schulgeld in der neuen bilingualen Schule mit viel jüdischer Tradition wird 700 Euro betragen, die Nachmittagsbetreuung kommt auf 150 Euro.

jbms.me

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