Jüdisches Bologna

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Bizarrerweise in der Via dell’Inferno befand sich einst die älteste jüdische Synagoge der Stadt. Eine Tafel erinnert an sie und an die Juden Bolognas, die 1943 in die Vernichtungslager deportiert wurden. Von Anita Pollak  

Es war das letzte Kapitel in einer wechselvollen Geschichte von Ansiedlung, Verfolgung, Diskriminierung, Ghettoisierung, Vertreibung und Wiederansiedlung, wie sie für jüdische Gemeinden in Europa seit dem Mittelalter typisch ist.

Im Zentrum der wunderschönen Altstadt liegen die engen Gässchen des ehemaligen Ghettos, auf das man bei einem Stadtrundgang stoßen muss. Mit einer Menorah gekennzeichnete Tafeln weisen unübersehbar darauf hin, auch ein Straßenname wie Via de’Giudei, sonst würde man an den unauffälligen Fassaden einfach vorbeigehen. Mitte des 16. Jahrhunderts erlebte die schnell wachsende Gemeinde eine kurze Hochblüte, bevor die Juden 1593 aus der damals zum Kirchenstaat gehörenden Stadt vertrieben wurden und alle Anzeichen jüdischer Präsenz entfernt werden mussten. Davor hatte es schon einen Lehrstuhl für hebräische Literatur an der Universität von Bologna gegeben und eine jüdische Bildungselite neben den vor allem als Pfandleiher tätigen Juden. Erst im frühen 19. Jahrhundert wurde wieder eine jüdische Gemeinde in Bologna gegründet.

Ein kleines, verstecktes Juwel

Diese Geschichte beleuchtet multimedial das Jüdische Museum der Stadt, das sich allerdings nicht in einem jüdischen Gebäude befindet. Dort erhält man auch einen Plan, der den Weg zur noch intakten,1829 erbauten, im Zweien Weltkrieg schwer zerbombten und 1954 wiedererrichten Synagoge weist. Sie liegt weit außerhalb des Ghettos und ist, da äußerlich nicht erkennbar, schwer zu finden und natürlich meist geschlossen. G-ttesdienste der nunmehr sehr kleinen Gemeinde finden dort noch zu den Feiertagen statt, vielleicht auch Samstagvormittag, aber da sollte man sich sicherheitshalber vorher erkundigen.

Im Ghetto könnte man noch auf das kleine Hotel Cappello Rosso stoßen, das einzige Haus, in dem jüdische Reisende des 17. und 18. Jahrhundert nächtigen durften. Ein besonderes Juwel ist ein elegantes Gebäude aus dem 15. Jahrhundert in der Piazza Santa Stefano, in dem sich sowohl die Pfandleihanstalt als auch der Betraum der sefardischen Familie Sforno befanden, aus der im 16. Jahrhundert berühmte Philosophen, Rabbiner, Ärzte und Buchdrucker hervorgingen. Am jüdischen Teil des Certosa-Friedhofs könnte man die Spurensuche beenden. Dort liegen auch Gräber der Familie Finzi, womit sich ein Kreis schließt. Denn der erste urkundlich erwähnte Jude Bolognas war 1353 ein gewisser Gaio Finzi, „Judeus de Roma“. ◗

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Bild: © bolognawelcome

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