Nach der Vertreibung und Jahrzehnten einer unmöglichen, gerade eben geduldeten Ausnahmeexistenz zeichnet sich erstmals ein Aufschwung in der Gemeinde ab, die sich verjüngt und durch neue Impulse von außen das Judentum in Wien erblühen lässt. Die Erfolgsgeschichte der IKG Wien – heute wie vor 200 Jahren. Eine Serie von Tina Walzer
Die Vertreibung aus den Geschäften, Wohnungen, Häusern und Synagogen, die Verfolgung bis hin zur Ermordung, die zaghafte, abgekapselte, mit Müh und Not geduldete Nachkriegsgemeinde – all das hat sich in der Wiener jüdischen Geschichte bereits drei Mal abgespielt. Die Situation für Juden in Wien nach der zweiten Vertreibung war im 18. Jahrhundert jener der 1950er-, 1960er-Jahre nicht unähnlich. Jedes selbstbewusste öffentliche Auftreten war unerwünscht, Hofjuden waren als Handlanger der Regierenden gerade geduldet und mussten sich ihre Existenzberechtigung immer aufs Neue teuer erkaufen. Mit dem beginnenden Josephinismus, der in Wien mit der Hochblüte der Haskala (der jüdischen Aufklärung) zusammenfiel, erlahmte das Interesse der Jungen an Tradition und Kult zunehmend. Zwei starken Persönlichkeiten ist es zu danken, dass die Wiener Juden schließlich doch, nach jahrzehntelangem Kampf, eine Religionsgemeinschaft begründen und eine Synagoge bauen durften: Isak Löw Hofmann und Michael Lazar Biedermann waren die Architekten der IKG Wien. Die Herausforderung lautete bald: eine große Synagoge, ja, ein Gebäude, schick, nach dem letzten Schrei, aber für wen? Wie die jungen Leute, die Nachkommen der Hofjudenfamilien, für den Ritus interessieren, zur Teilnahme bewegen, damit nicht nur ein paar Alte die Weite des neuen G-tteshauses mehr schlecht als recht belebten?