Die Jüdischen HochschülerInnen Österreichs (JÖH), die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien und WINA – Das jüdische Stadtmagazin luden Mittwoch Nachmittag zu einer Diskussion mit Vertretern aller österreichischen Parteien, die bei der EU-Wahl am 26. Mai antreten. Mit einer Ausnahme: die FPÖ wurde zu dieser Runde im Gemeindezentrum nicht geladen, war aber dennoch Thema. Weitere Schwerpunkte der von Corinna Milborn moderierten Debatte: das Verhältnis der EU zu Israel und Antisemitismus. Trotz ungewöhnlicher Uhrzeit an einem Wochentag war das Publikum zahlreich erschienen.

Die anwesenden Diskutanten – ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas, SPÖ-Listenerster Andreas Schieder, Thomas Waitz von den Grünen, Karin Feldinger von den NEOS und Johannes Voggenhuber, der bei dieser Wahl die Liste Initiative 1 Europa anführt – haben bei der Diskussion im Gemeindezentrum viel Humor und rhetorisches Know How bewiesen. Und auch wenn sie bei den wichtigsten Themen ähnlicher Meinung waren, so waren im Detail auch gewichtige Unterschiede auszumachen. Alle Anwesenden stellten sich hinter das Existenzrecht Israels und sprachen sich für den Kampf gegen Antisemitismus in Europa aus. Karas, Voggenhuber, Waitz und Feldinger betonten, dass Europa eine Vermittlungsrolle, was die gesicherte Zukunft Israels anbelange, einnehmen solle. Eine Parteinahme für die israelische oder palästinensische Seite sei da nicht hilfreich. „Ich habe oft den Eindruck, dass das EU-Parlament den Konflikt nachspielt“, meinte etwa Voggenhuber.

Schieder verwies darauf, dass Israel in der Region die einzig stabile Demokratie sei. Er sprach seinerseits den Atom-Deal mit dem Iran an. Israel fühle sich hier zu Recht bedroht, „trotzdem habe ich es richtig gefunden, zu versuchen, einen Deal zu finden“. Dieser sei zwar sehr schwach, aber es sei besser, es gebe den Deal als es gebe keinen. Wenig froh zeigte sich der SPÖ-Politiker mit der Entscheidung der USA, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Die besondere Stellung der Stadt stehe außer Streit. Er befürchte nur, die Botschaftsverlegung habe zu mehr Konfrontation im Zug des Friedensprozesses als zu einer Lösung geführt.

Die Frage des Umgangs mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Österreich und in Europa zog sich durch die gesamte Debatte. So ortete Waitz das Wachstum von Sündenbockpolitik in vielen EU-Staaten. Leidtragende seien die muslimischen Communities, aber leider immer auch noch die jüdischen Gemeinden. Die EU sei nicht fähig, auf Kampagnen wie die gegen Soros in Ungarn adäquat zu reagieren. Artikel 7-Verfahren könnten das Problem nicht lösen.

„Wir brauchen stärkere Methoden“,

meinte auch Schieder. Er sprach sich für ein Verbotsgesetz nach österreichischem Vorbild auf EU-Ebene aus. Darauf entgegnete Waitz, gerade das heimische Verbotsgesetz sei zahnlos. Karas unterstrich ebenfalls, dass das Artikel 7-Verfahren nicht zum Ziel führe, bedingt dadurch, dass jeweils jene Kräfte, welche die europäischen Werte ebenfalls mit Füßen treten, entsprechende Sanktionen blockieren. Für den ÖVP-Politiker ist vor allem politische Bildung wichtig, hier gebe es gerade in Österreich Nachholbedarf.

Wie hältst du es mit der FPÖ? Obwohl kein Vertreter der Partei an der Debatte teilnahm, war sie inhaltlich doch präsent. Schieder und Karas, deren Parteien auf unterschiedlichen Ebenen mit der FPÖ zusammenarbeiten, positionierten sich hier unterschiedlich: Während sich Schieder entschieden gegen jegliche Koalition mit den Freiheitlichen auf Bundes- und Landes- und sogar Gemeindeebene aussprach, da die FPÖ seiner Meinung nach nicht regierungsfähig sei, und damit auch die eigene Partei kritisierte, die im Burgenland mit der FPÖ regiert, bemühte sich Karas darzulegen, dass er für das Europäische Parlament kandidiert, wo mit der vorläufigen Suspendierung Ungarns aus der Europäischen Volkspartei (EVP) ein Ausschlussverfahren eingeleitet wurde. Angesichts diverser Erklärungen in den vergangenen Tagen gehe er zudem davon aus, dass es nur einen Ausschluss aus der EVP geben könne. Die EVP wolle weder mit Rechtspopulisten noch mit Rechtsextremen koalieren.

Angesprochen auf die Koalition der ÖVP mit der FPÖ auf Bundesebene in Österreich, meinte Karas, was für ihn zähle, sei das Regierungsprogramm. In allen Fragen, in denen das Verhalten der FPÖ nicht dem Koalitionsabkommen entspreche, sei er Gegner der freiheitlichen Parteipolitik. Und:

„Ich wünsche mir lieber eine andere Regierung.“

Er strich aber das Engagement von Bundeskanzler Sebastian Kurz hervor, sich auf europäischer Ebene für die Annahme der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) einzusetzen sowie den Dialog mit Israel und jüdischen Organisationen zu suchen.

Voggenhuber beklagte, dass bei der Losung „Wehret den Anfängen“ darauf vergessen wurde, die Anfänge zu diskutieren. Im Ergebnis bedeute das:

„Wir haben den Anfängen nicht gewehrt und nun sind wir über die Anfänge schon wieder hinaus. Die alten Dämonen in Europa stehen wieder auf.“

So wie die Kultusgemeinde ihre Türen der FPÖ nicht öffne, könne er nur hoffen, dass bei der EU-Wahl „die Menschen in Europa ihnen nicht die Türen zum Europäischen Parlament öffnen“.

Feldinger, die im Lauf der Debatte zwei Mal darauf angesprochen wurde, vor zwei Jahren ein Video des Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser, der zum Beispiel 9/11 als ‚“ungeklärt“ bezeichnet hatte, auf Facebook geteilt zu haben, bezeichnete dies als Fehler, entschuldigte sich und meinte, das Wichtigste sei, daraus gelernt zu haben. Sie werde nie wieder etwas zwischen Tür und Angel leichtfertig und ungeprüft teilen.

Waitz wiederum, der selbst Landwirt ist und sich im EU-Parlament auch schon bisher für Tierschutz stark machte, antwortete auf die Frage nach seiner Haltung zum Schächten, er sehe, dass es bei der koscheren Fleischproduktion auch sehr stark um Tierwohl gehe. Eine Schlachtung ohne vorherige Betäubung sei aus seiner Sicht aber

„nicht der Weg, wie man Tiere töten sollte“.

Da ohne Betäubung geschlachtet werde, sei gemäß den Standards für Bio-Fleisch das koschere Fleisch auch nicht als bio einzustufen. Dem hielt Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister in einer kurzen Replik entgegen, dass beim koscheren Schlachten der Schächtschnitt eben zugleich Betäubung und Schlachtung sei.

»Simon Wiesenthal und Leon Zelman waren Gefangene in Mauthausen. Ich bin davon überzeugt, dass sie beide uns dazu ermahnen würden, Klartext zu sprechen. Nicht nur über damals, sondern über das hier und jetzt. Für unsere Kinder und Enkelkinder. Für Österreich, für Europa. Sie würden uns auffordern, am 26. Mai wählen zu gehen!«
Oskar Deutsch, Gedenkzeremonie in Mauthausen,
Mai 2019

 

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