Kalt erwischt

Während kleinere Galerien bereits wiedereröffnen konnten und Ende Mai die Museen ebenfalls Schritt für Schritt wieder ihre Ausstellungsräume für die Öffentlichkeit zugänglich machen können, bleiben im Theater- und Filmbereich die Säle geschlossen – und zahlreiche Fragen weiterhin offen. Die Arbeits- und Ausgangsbeschränkungen ab Mitte März trafen alle im Film tätigen Personen, und das zum Teil hart und völlig unerwartet. Wie gehen sie mit der Situation der letzten langen Wochen des „nationalen Stillstands“ um, und welche Perspektiven sehen sie für die kommenden Wochen und Monate? WINA hat eine Reihe von ihnen dazu befragt.*

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Anja Salomonowitz, Ruth Beckermann und Christine Hartenthaler. Alle drei hat "das Wirus" auf unterschiedliche Weise "kalt, unerwartet und seltsam erwischt". ©privat

„Mich hat es kalt, unerwartet und seltsam ‒ und mitten in einem Projekt erwischt“, erzählt Anja Salomonowitz. Die Wiener Dokumentarfilmemacherin war gerade dabei, „einen Dreh für eine Einreichung“ vorzubereiten, als der „Lockdown“ angekündigt wurde. „Dann haben wir das ganze Projekt auf einen ‚ungenauen Zeitpunkt in der Zukunft‘ verschoben.“ Doch gedreht müsste im Grunde noch im Mai werden, denn sonst kann Salomonowitz nicht um Förderungen ansuchen. Und „wenn wir nicht einreichen, gibt es nicht nur ‚vielleicht eine Chance auf Arbeiten im Herbst‘ nicht, sondern gleich sicher keine Chance.“

Ruth Beckermann ©Alexi Pelekanos

Ähnlich geht es auch der renommierten Filmemacherin Ruth Beckermann. Auch sie stand kurz vor Drehbeginn zu ihrem neuesten internationalen Großprojekt: „Ich arbeite seit Längerem an meinem neuen Langfilm, einer Adaption des Buches König der Könige des polnischen Autors Ryszard Kapuściński“, erzählt Beckermann, „eine großartige Parabel über die Macht, in deren Zentrum der einstige äthiopische Kaiser Haile Selassie steht“. Die Dreharbeiten hätten im Mai in Äthiopien beginnen sollen. Nun ist alles abgesagt. Und das auf unbestimmte Zeit, denn die Situation in Afrika ist, auch für die Kontaktpersonen vor Ort, gänzlich ungewiss und intransparent. „Ich hoffe, noch in diesem Jahr zu drehen, vielleicht im Winter“, meint Beckermann, die meist in kleinen, flexiblen und gut eingespielten Teams arbeitet. „Ein Teil ist auch vor Ort, und der Stoff veraltet auch nicht, er bleibt spannend“, bleibt die Filmemacherin trotz der angespannten Situation optimistisch. Und „auch die Fördergeber*innen wissen, dass wir nicht drehen können und sich die Produktion daher um einige Monate verschiebt“.
Etwas anders erlebte es die Filmemacherin Marieli Fröhlich. „Ich hatte schon vor März viel über Covid-19 gehört, da ein Großteil meiner Freundinnen und Freunde, aber auch mein Bruder auf der ganzen Welt verstreut leben und arbeiten, in Thailand, London, Paris oder New York. Ich muss gestehen, ich habe die Nachrichten über das Virus vorerst nicht so ernst genommen. Ich musste an Sars zurückdenken, als viele Länder zigtausend Impfungen gekauft haben, die dann nicht gebraucht wurden, da kommt der Gedanke an Big Pharma auf, und da ich selbst nie krank werde, hab’ ich dem Thema keine große Bedeutung geschenkt.“ Fröhlich hatte zudem das „Glück im Unglück“, ihren aktuellen Kurzfilm Lo Querkopf über den Designer Lo Breier gerade noch fertigdrehen und in Deutschland präsentieren zu können – doch die Folgeaufträge sowie die Herstellung ihres Spielfilmes M WIE MÄDCHEN liegen nun auf Eis. „Bei der Rückkehr war in Österreich schon der Shutdown“, berichtet Fröhlich, die nun, ähnlich wie ihre Kolleginnen, eben zu Hause an ihrem nächsten Projekt, einer Science-Fiction-Miniserie, alleine weiterarbeitet. „Man kann die Zeit nützen, sich andere Projekte ausdenken“, erzählt Beckermann. Und auch Salomonowitz spricht davon, dass sie das „Glück im Unglück“ hat, „dass ich auch an einem Drehbuch über die Malerin Maria Lassnig arbeite. Das kann ich auch im Lockdown machen.“

Anja Salomonowitz ©Jörg Burger

Für Salomonowitz bedeutet der Rückzug in die Privatheit auf der einen Seite die Möglichkeit, beim Drehbuchschreiben weniger oft durch berufliche Termine unterbrochen zu werden – „ich brauche Struktur und Regelmäßigkeit. Es ist ein Prozess.“ Auf der anderen Seite leidet in ihrem Falle die Arbeit aber auch, da die Künstlerin zudem Mutter von drei Kindern ist. Der Vater der Kinder betreut diese zwar oft „am Vormittag oder tageweise, oder die Kinder betreuen einander gegenseitig“, und das klappe, wie auch das „Homeschooling“, sehr gut. „Trotzdem ist es hart, zu meiner eigenen Arbeit zu finden.“ Und noch etwas beschäftigt die immer auch über den persönlichen Tellerrand blickende Filmemacherin: „Ich finde, es offenbart sich, dass die Krise und der Umgang damit männlich sind. Zuerst die Geschäfte – dann die Schulen und Kindergärten. Dass der Kassier aber vielleicht ein Kleinkind zu Hause hat, wird nicht – oder zumindest nicht vordergründig – mitgedacht“, kritisiert Salomonowitz und weist darauf hin, dass in Ländern wie Dänemark „zuallererst die Kindergärten geöffnet“ wurden. „In einem geplanten Film über Familien von heute hätten wir Dänemark als positives Beispiel für eine moderne Gesellschaft, was die Kindererziehung betrifft, gebracht. Ich stelle nur ganz sachlich fest, dass ich hier in Österreich als Kulturschaffende und Mutter einfach selbst schauen muss. wo ich bleibe. Leider eine gewohnte Situation.“
Ähnlich ergeht es auch der als vielgefragte Schauspielcoachin tätigen Schauspielerin und Regisseurin Christine Hartenthaler. Als Mutter zweier Kinder, die bereits ins Gymnasium gehen, funktioniere das „Distance Learning zu Hause“ zwar ebenfalls sehr gut. Doch für die vierköpfige Familie stellten sich in den letzten Wochen eine Reihe von Herausforderungen, an die niemand bis dahin gedacht hatte: „Wir teilen uns zu viert zwei Laptops. Das ist normalerweise kein Problem, war aber in den letzten Wochen eine echter Herausforderung! Der Workflow ist zudem immens, vor allem, weil die Kinder die Geräte noch nicht beherrschen. Anfangs waren wohl alle Beteiligten überfordert. Kinder, Eltern Lehrer. Dazu Homeoffice, Kochen, Haushalt und Freiwilligenarbeit im Schulbereich. Der Tag ist verdammt kurz ‒ und ich verdammt müde am Abend.“
Auch für Hartenthaler, die meist zeitgleich für mehrere unterschiedliche Filmprojekte arbeitet, brach „Corona“ plötzlich und unerwartet in den Alltag. „Aufrichtig gesprochen, hatte ich, wie viele von uns, das Virus unterschätzt. Deutlich wahrnehmbar war die Beschleunigung Richtung Shutdown durch die Schule meiner Kinder. Parallel dazu änderte sich mein Terminkalender rasant: Besprechungstermine für zukünftige Filmprojekte, Coachings und Vorbereitungsstunden für laufende Dreharbeiten wichen Online-Coaching-Terminen für Kolleg*innen, die Beratung und Hilfe in dieser herausfordernden Zeit suchten und suchen.“ In Hinblick auf ihre Coachingarbeit hat sich die Nachfrage freilich völlig verändert. Denn für Beratung für konkrete Rollen „gibt es derzeit wenig aktuellen Bedarf. In meinen momentanen Coachings geht es mehr um Themen wie Angst, Sorgen, Einsamkeit etc., Themen, die die Kolleg*innen aufgrund ihrer so plötzlichen Veränderung im Job beschäftigen, denn viele von ihnen leben in prekären und nicht abgesicherten persönlichen Lebenssituationen. In der aktuellen Lage ist es sehr leicht, in einen negativen Gedankenstrudel zu kommen. In diesen Gesprächen geht es daher auch viel darum, Grenzen zu verschieben, neue Kraft und Ideen zu entwickeln.“

»Ich wünsche mir ein kleines Wunder.«
Christine Hartenthaler

Wie ein Schock. Eben war auch die beliebte Schauspielerin Inge Maux noch mitten im Dreh für eine der kommenden österreichischen Tatort-Folgen – schon saß die lebensfrohe Künstlerin für Monate in ihrem Haus in der Nähe von Melk fest. Zwar konnte sie glücklicherweise ihre Szenen „gerade noch fertigdrehen – der gesamte Filmdreh steht jedoch nun still, und auch hier weiß keiner, wann es wieder weitergeht. Ich fasse es noch immer nicht“, verrät Maux, für die vor allem die Bilder „vom leeren Wien“ – nach den „Bildern von Wuhan“ ‒ „wie ein Schock“ waren. Seit Wochen darf die 75-Jährige nicht selbst einkaufen gehen – „wir bekommen geliefert. Und wenn ich auf die Post gehe, darf ich nicht hineingehen – wir müssen die Dinge vor die Türe stellen. Man wird in dieser Situation auf sich zurückgeworfen: Ich bin ‚die gefährdete Gruppe‘ – ‚der Tod ist nahe‘ … diese Gedanken gehen einem durch den Kopf. Das tut schon was mit einem.“

„…[…] dass wir alle davon betroffen sind“: Schauspielerin Inge Maux (hier mit ihrer Freundin Aimee Bikel) ©Inge Maux

Doch auch Maux ist in den letzten Wochen trotz offiziellem Arbeitsstopp vielbeschäftigt. Zwar ist sie als Schauspielerin darauf angewiesen, sobald es erneut möglich ist, wieder für neue Filme und Drehs angefragt zu werden – aber: „Ich male! Ich male wie eine Verrückte! Und ich lasse Taschen machen, auf denen ich meine Werke aufdrucken lassen, und wenn man will, kann man eine Tasche haben.“ Tassen gibt es auch mit ihren Bildern – „die Filmakademie ist mit meinen Häferln schon voll ausgestattet“, freut sich Maux, und auch die beliebte Dahoam is Dahoam-Darstellerin Katrin Lux hat schon „zehn Häferl und fünf Taschen gekauft, die sie an Kolleginnen weitergeben will.“ Doch, verrät Maux ohne jede Larmoyanz, „das ist der einzige Handel, der mir noch bleibt.“ Auch eine für diesen Frühling geplante Ausstellung mit 60 ihrer Arbeiten in Kleinpöchlarn musste binnen Stunden abgesagt werden. Die Bilder stehen nun in der Halle – doch wann sie tatsächlich gezeigt werden können, steht derzeit in den Sternen. Auch ihre Teilnahme an den diesjährigen Sommerfestspielen von Gutenstein – Maux wäre die „Zufriedenheit“ in Raimunds Bauer als Millionär gewesen – ist mehr als unwahrscheinlich, Lesungen gibt es zudem auch keine, und auch keine ihrer wunderbaren jüdischen Liederabende. Und selbst der kleine Lichtblick, mit den Publikumshit Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse, in dem Maux als „Mame Wolkenbruch“ ihre „Lebensrolle“ gefunden hatte, beim diesjährigen Jüdischen Filmfestival Wien im Frühling vertreten zu sein, ist nun zerplatzt. „Der Film wurde von der Produktionsfirma an Netflix verkauft und konnte so leider nicht mehr in den Kinos und bei Festivals gezeigt werden. Umso mehr hatte ich mich gefreut, dass man für das Jüdische Filmfestival eine Ausnahme gemacht hätte. Das wird nun auch nichts. Das einzige, was man tun kann, ist, dass man spirituell wirksam sein kann, die guten Gedanken hinausschicken. Das Elend ist ungeheuer groß.“

Dokumentarfilmer Paul Rosdy ©Wolfram Wuinovic

Für den Wiener Dokumentarfilmemacher Paul Rosdy kam die Möglichkeit, seine Filme über Amazon zugänglich zu machen, hingegen wie ein „Geschenk in schwierigen Zeiten“. Seine aktuelle Kinohommage Kino Wien Film, für die Rosdy in Zusammenarbeit mit den Bezirksmuseen der Stadt einen zweiten Kinostart vorbereitet hat, musste abrupt abgesagt werden. Eine geplante Recherchereise nach China kann jetzt auch nicht stattfinden. Rosdy, der vor allem für seine Dokumentationen Der letzte Jude von Drohobytsch und Zuflucht in Shanghai viel Anerkennung gefunden hatte, arbeitet seit Monaten an einem zweiten Filmprojekt über Shanghai. „Natürlich gibt es Alternativen, um am Projekt weiterzuarbeiten, aber dass ich meine Recherchen vor Ort nicht machen kann, ist schon ein heftiger Einschnitt. Es ist ein böser Zufall, dass ich gerade an diesem Projekt arbeite“, zeigt sich Rosdy enttäuscht über die aktuelle Situation, zumal es für ihn aufgrund seiner intensiven Recherchen, die allen seinen Projekten zugrunde liegen, schwer bis unmöglich ist, parallel an mehreren Projekten zu arbeiten. „Ich habe nicht so viele Projekte in der ‚Lade‘. Was immer du machst, mit dem bist du über lange, sehr lange Zeit befasst. Das ist ja kein Supermarkt. Wenn du einen Film machst, dann sind das Entscheidungen, die du dir lange überlegst.“ Umso mehr freut ihn, dass er die Zeit nutzen konnte, um seine Internetseite zu aktualisieren ‒ „meine Website ist jetzt so aktuell wie lange nicht.“ Und: „Ich habe alle meine Film jetzt online, sie sind auf Vimeo und auf Amazon ,on demand‘. Meine Filme sind nun auf allen Kontinenten abrufbar.“ Was Rosdy besonders freut: „Wenn ich ins Büro gehe und sehe, dass ein Mensch in den USA oder in England meine Arbeit gesehen hat! Das ist schon etwas sehr Schönes und tut gut – gerade in Zeiten, in denen man zu Hause gefangen ist.“

»Im Grunde betrifft es alle.«
Marieli Fröhlich

Fehlende Festivalpräsenz. Auch für Marieli Fröhlich bedeutet die aktuelle Situation, dass ihr jüngster Kurzfilm derzeit auf keinem Festival gezeigt werden kann. Das ist besonders schade, denn Stop wurde eben vom internationalen Worldfest – Houston Texas in der Kategorie „Experimental“ mit Gold prämiert. Für Fröhlich passt der Film sowohl perfekt zu unserer Zeit wie auch speziell zur jetzigen weltweiten Situation: „Es geht darin um das Innehalten, ein kollektives Raum-Zeit-Erlebnis der gemeinsamen Kontemplation, mit Protagonist*innen aus der ganzen Welt.“ Doch nun sind ein geplantes Screening und die Anwesenheit der Regisseurin in Texas bis auf Weiteres nicht möglich. In Wien wird der Film im Filmhauskino Spittelberg in einer kuratierten Reihe der Austrian Director’s Association online gezeigt werden. „Das ist erfreulich, es bringt aber kaum Geld.“ Problematisch sei es zudem, erläutert Fröhlich, wenn Festivals abgesagt werden müssen, bei denen man als Produzentin die Teilnahmegebühren zahlen muss.

Regisseurin Marieli Fröhlich ©privat

Auch für Anja Salomonowitz bedeutet die derzeitige Lage, dass ihr jüngster Film, Dieser Film ist ein Geschenk über den Künstler Daniel Spoerri, nicht, wie geplant, zahlreiche internationale Aufführungen erlebt. „Die wurden alle abgesagt. So entgehen uns sowohl die Screening Fees wie auch das Honorar, das wir für die Begleitung der Filme bekommen hätten. Und auch die nationalen Kinovorstellungen wurden abgesagt, und hier vor allem die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, wo er ebenfalls gelaufen wäre.“ Der Film wird aber „jetzt online gezeigt. Und er wurde im ORF gespielt, und ich bekam viele begeisterte Mails von Menschen, die ihn vielleicht sonst nicht gesehen hätten. Wir haben auch meinen ersten Kurzfilm, Carmen, online zum Streamen freigegeben. Es ist ein Film über Kinoliebe ‒ und meine Art, meine Solidarität mit den Kinos zu zeigen.“
Ruth Beckermann hatte mit ihren beiden letzten Filmen ebenfalls Glück. Die Geträumten (2018) war erst vor Kurzem auf 3Sat zu sehen – „und das war absurderweise ein guter Zeitpunkt, denn viele haben sich den Film nun angeschaut, bei denen es sich zuvor nicht ausgegangen war, und sich bei mir persönlich dafür bedankt und sehr schöne, genaue Rückmeldungen gegeben.“  Und Waldheims Walzer (2019) wird am 17. Mai im ORF gezeigt. Darüber hinaus sind nahezu alle ihre Filme online abzurufen, doch bei allem persönlichen „Glück im Unglück“ reflektiert Beckermann immer auch die allgemeine kritische Situation, die viele ihrer langjährigen Mitarbeiter*innen betrifft, von denen sich ein Großteil auch ohne „Corona“ in prekären Lebenssituationen befinden.

Unterste Einkommensschicht. Darüber berichtet auch Fabian Eder vom Dachverband der österreichischen Filmschaffenden: „Ein Drittel der Filmschaffenden sind in der untersteten Einkommensschicht“, macht Eder, selbst Kameramann und Regisseur, deutlich; doch „nur 40 Prozent sind beim AMS antragsberechtigt, ein Sechstel ist beim KSVF antragsberechtigt, und 12 Prozent der von uns befragten Mitglieder des Verbandes geben an, dass sie zur Risikogruppe gehören – sei es aufgrund ihres Alters oder krankheitsbedingt. Nur: Das verraten sie meist auch nicht den jeweiligen Produktionsfirmen, für die sie arbeiten, schon alleine aus der Angst heraus, dann gar nicht erst beschäftigt zu werden.“ Über 80 Prozent der im Film Beschäftigten geben zudem an, dass die gesetzlichen Maßnahmen bei Dreharbeiten nie einhalten werden. „Das heißt, es muss von nun an, mehr denn je, unabhängige Stellen geben, die die Arbeitssituation nachhaltig kontrollieren: Wird der Sicherheitsabstand eingehalten, gibt es Schutzbekleidung, und werden die vorgeschriebenen Arbeitsstunden pro Tag nicht überschritten, die in der Filmbranche bereits weit über dem allgemeinen Limit liegen. Darüber hinaus fordern wir aktuell 7,5 Mio. Euro, die unabhängig von der Art des Einkommens für die Entschärfung der allgemeinen Notsituation von der Regierung genehmigt werden. Aber auch, dass – unter Einhaltung des oben genannten Schutzes – schnellstmöglich wieder zu arbeiten begonnen werden kann.“
Ähnlich sehen es auch alle anderen Interviewpartner*innen: „Es ist für uns alle von essenzieller Bedeutung, dass Dreharbeiten unter bestmöglichen Konditionen bald erneut aufgenommen werden können. Für die Wiederaufnahme von Dreharbeiten wartet die Branche zudem auf klar definierte Arbeitsbedingungen, die die persönliche Sicherheit wie auch die Rechtssicherheit gewährleisten. Die Politik ist dringend gefordert und muss endlich in die Gänge kommen“, fordert Christine Hartenthaler. Und Salomonowitz konstatiert: „Die Interessenverbände leisten hier tolle Arbeit. Ich bekomme regelmäßig Informationen per Mail, vom Regieverband oder vom Dachverband der Filmschaffenden. Die Filmbranche kämpft unerhört um ihre Existenz.“ Traurig stimmt sie vor allem, dass Kunst und Kultur von der Regierung als „ungeliebtes Stiefkind behandelt werden“. Zwar sei man das als Künstlerin „gewohnt“. Doch was dabei stets vergessen werde: „dass der österreichische Film auch ein Exportartikel ist. Vielleicht müsste man den Film als Kulturexport oder Exportkultur deutlicher bezeichnen – zum Beispiel durch ein ‚Bundesministerium für Kulturexport, öffentlichen Dienst und Sport‘. Dann würde der österreichische Film vielleicht als Markenartikel ernster genommen werden.“

»Was man tun kann, ist, dass man spirituell wirksam sein kann, die guten Gedanken hinausschicken.«
Inge Maux

Größer als die eigene Blase.  „Ich denke, was wir spüren, ist, dass es eine nie dagewesene, globale Sache ist und wir alle davon betroffen sind. Das geht nicht nur mir unter die Haut“, fasst Marieli Fröhlich ihren persönlichen Blick auf die Lage zusammen. „Was ich auch bemerke, ist ein Verbundenheitsgefühl, dass sich eingestellt hat zwischen mir und der gesamten Welt. Die Wahrnehmung für meine Mitmenschen ist stärker als sonst, und ich bin dankbar dafür, wie gut es mir trotz allem geht. Es ist etwas, das größer ist als deine eigene Blase.“
Inge Maux sieht die derzeitige Situation weniger positiv: „Dass man misstrauisch wird, ist für mich eines der tragischsten Momente. Die Menschen werden zu Feinden“, bemerkt sie und erzählt weiter: „Für emotionale Menschen wie mich ist das alles sehr schwer. Plötzlich wird universell jeder mögliche Mensch dein Feind, das sind in meinen Augen entsetzliche Auswirkungen. Ich denke ständig daran, was macht das jetzt mit uns? Der Mensch wird dem Menschen zur Bedrohung, zum unsichtbaren Gegner. Ich versuche mich daran zu gewöhnen und denke viel darüber nach, wie ich mich wohl auch ‚danach‘ anders zu verhalten lernen werden muss.“
„Wir alle warten gespannt darauf, wie und wann es weitergeht“, schließt auch Regisseurin und Schauspielcoachin Christine Hartenthaler ihre Überlegungen. Dass sich ihre persönliche Situation mit der Wiedereröffnung der Schulen zumindest etwas entlastet hat, freut sie. „Es wurde dringend Zeit, dass die Kids wieder in die Schule kommen. Eltern als alleinige Role-Models zu haben, scheint mir doch etwas ungesund zu sein“, ist sich die leidenschaftliche Künstlerin und Mutter in unsicheren Zeiten auf jeden Fall sicher.

* Die Interviews wurden zwischen 26. und 29. April 2020 geführt.

Links:
ruthbeckermann.com (Ruth Beckermann)
cremefraichefilms.com (Marieli Fröhlich)
christinehartenthaler.com (Christine Hartenthaler)
inge-maux.at (Inge Maux)
rosdyfilm.com (Paul Rosdy)
anjasalomonowitz.com (Anja Salomonowitz)
stop-film.world (Stop)
sixpackfilm.com (Carmen)
filmschaffende.at (Dachverband der österreichischen Filmschaffenden

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