Alphabet, der Mutterkonzern von Google, musste im März 2024 tief in die Tasche greifen, um Anat Ashkenazi als CFO (Chief Financial Officer) von Eli Lilly abzuwerben. Eli Lilly ist vor allem für das Antidepressivum Prozac und das Antipsychotikum Zyprexa bekannt. Zu Eli Lillys Erfolgen zählen, dass das Unternehmen als erstes den Polioimpfstoff und Insulin in Massenproduktion hergestellt hat.
Die in Israel geborene Anat Ashkenazi kam 2001 zu Eli Lilly und wurde 2021 zur CFO ernannt, nachdem sie zuvor für die Finanzen mehrerer globaler Geschäftsbereiche des Pharmaunternehmens tätig war. Die 51-Jährige erhält von Alphabet eine Unterzeichnungsprämie von fast zehn Millionen US-Dollar, ein angemessenes Gehalt in Millionenhöhe und Aktienoptionen.
Vor Eli Lilly arbeitete Anat Ashkenazi bei Ma’alot Standard & Poor’s in Ramat Gan und bei der Bank Hapoalim in Israel. Sie schloss ihr Studium mit einem Master in Business Administration an der Universität Tel Aviv und einem Bachelor in Betriebswirtschaftslehre an der Hebräischen Universität in Jerusalem ab.
Als Ashkenazi vor mehr als zwanzig Jahren von Israel in die USA zog, war sie die einzige weibliche CFO in der amerikanischen Biopharmabranche. Sie ließ sich davon nicht entmutigen, denn durch den verpflichtenden israelischen Militärdienst ist die Geschlechterungleichheit in Israel ein weniger großes Thema. Ihre hervorragenden Fähigkeiten als Finanzchefin von Eli Lilly führten insbesondere in den letzten Jahren zu einem historischen Wachstum des Unternehmens. Anat Ashkenazi ist für die systemische Finanzierung des Diabetesmedikaments Mounjaro verantwortlich, das dem Unternehmen allein im Jahr 2023 mehr als fünf Milliarden Dollar einbrachte. Sie musste sich aber auch mit großem öffentlichen Druck auseinandersetzen, weil der Preis für dieses lebenswichtige Adipositas-Medikament für viele Amerikaner zu hoch war. Mithilfe spezieller Finanzierungsmodelle kündigte Eli Lilly daraufhin Preissenkungen von 70 Prozent für seine am häufigsten verschriebenen Insuline an sowie eine Ausweitung eines Programms, das die Selbstbeteiligung der amerikanischen Patienten für Insulin auf 35 Dollar pro Monat begrenzte.
Die Ernennung von Anat Ashkenazi zur CFO
kommt für Alphabet zu einem kritischen Zeitpunkt.
Seit 2022 sorgt Mounjaro von Eli Lilly neben der Abnehmspritze Wegovy des dänischen Pharmaunternehmens Novo Nordisk nicht nur bei Diabetikern für einen Hype, sondern vor allem bei gesunden Menschen, die vom Abnehmen besessen sind. Die schnelle Einführung von Mounjaro und der neu zugelassenen Abnehmspritze Zepbound trug dazu bei, dass der Umsatz von Eli Lilly um weitere 34 Milliarden Dollar stieg.
Während der Covid-Pandemie ermöglichte Anat Ashkenazi die Finanzierung für die Digitalisierung eines Teils der CoronaForschungsarbeit und erweiterte die Produktions- und Vertriebskapazitäten der notwendigen Medikamente. Obwohl diese Geschäftsfelder außerhalb der Kerninteressen von Eli Lilly lagen, wurden Therapeutika und Antikörperbehandlungen für Covid entwickelt.
Der finanzielle Erfolg, den Anat Ashkenazi für Eli Lilly erwirtschaftete, machte den Konzern zu einem der größten Pharmaunternehmen der Welt. Die Aktien des Unternehmens sind in den letzten drei Jahren um etwa 300 Prozent gestiegen und haben derzeit einen Marktwert von 791 Milliarden US-Dollar. Allein im letzten Jahr legten sie um 90 Prozent zu. Eli Lilly erzielte im Jahr 2023 ein Betriebsergebnis von 35 Milliarden US-Dollar mit einem Nettogewinn von fünf Milliarden US-Dollar.
Eine starke Vorgängerin. Ende Juli 2024 wechselt Ashkenazi nun als Finanzchefin von Eli Lilly zu Alphabet. Ihre dortige Vorgängerin ist die 67-jährige Ruth Porat, die als Chief Investment Officer in die Investitionsabteilung des Unternehmens wechselt. Die Ernennung von Ashkenazi zur CFO kommt für Alphabet zu einem kritischen Zeitpunkt. Das Unternehmen investiert verstärkt in Künstliche Intelligenz, um Konkurrenten wie Microsoft einen Schritt voraus zu sein und zukünftiges Wachstum zu gewährleisten. Dieser strategische Fokus auf KI gilt als entscheidend, damit Alphabet weiterhin Innovationen bei seinen Kernprodukten und Dienstleistungen vorantreiben kann.
Bevor Ruth Porat 2015 als Senior Vice President und CFO zu Google und Alphabet kam, war sie fast drei Jahrzehnte als Investmentbankerin und CFO beim Brokerhaus Morgan Stanley tätig. Unter ihrer Finanzverwaltung wurde Google zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Sie hat in den vergangenen eineinhalb Jahren den Einstieg von Alphabet in neue Geschäftsfelder im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz begleitet.
Ruth Porat hat einen BA in Wirtschaftswissenschaften und internationalen Beziehungen der Stanford University und einen M.Sc.-Abschluss in Arbeitsbeziehungen der London School of Economics sowie einen MBA mit Auszeichnung der Wharton School der University of Pennsylvania. Das Wall Street Journal bezeichnete sie 2014 als „die mächtigste Frau an der Wall Street“.
Porat wuchs mit ihrem Bruder Marc und ihren Eltern Dan und Frieda Porat in der Nähe von Manchester, Großbritannien, auf. Nach den Novemberpogromen von 1938 war Dan Porat aus Wien nach (damals) Palästina geflohen, wo er seine zukünftige Frau Frieda kennenlernte. Anfang der 1960er-Jahre zog die Familie nach Cambridge, Massachusetts, wo Ruths Vater wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physik der Harvard University wurde. Als Dan Porat einige Jahre später eine Stelle am SLAC National Accelerator Laboratory annahm, zog die Familie nach Palo Alto in Kalifornien.
In ihrer neuen Rolle als Chief Investment Officer wird Ruth Porat ihre hervorragenden Fähigkeiten in systemischem Investment auf Investitionen in Infrastruktur, Immobilien, Rechenzentren und in die Expansionsbemühungen von Alphabet in Indien konzentrieren. Sie arbeitet auch mit politischen Entscheidungsträgern zusammen, um die Bedeutung der Technologie zu stärken. Sie hat laut Bloomberg ein geschätztes Nettovermögen von 502 Millionen US-Dollar. Seit 1983 ist sie mit dem Rechtsanwalt Anthony Paduano verheiratet. Das Ehepaar hat drei Kinder.