ALEXANDER POLLAK,
Sprecher von SOS Mitmensch

Es ist erschütternd, dass es ÖVP, SPÖ und NEOS nicht gelungen ist, eine gemeinsame Basis für ein verantwortungsvolles Regieren zu finden. Es ist unverantwortlich und unverzeihlich, dass die ÖVP sich jetzt zur Steigbügelhalterin für einen Politiker machen will, den sie selbst als ‚Sicherheitsrisiko‘ bezeichnet hat und der eng mit rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Szenen verflochten ist. Österreich droht eine autoritäre und antidemokratische Wende, wie sie das Land seit 80 Jahren, seit der Gründung der Zweiten Republik nicht mehr erlebt hat. Dabei ist es keineswegs ein Naturgesetz, dass eine Partei, die weniger als 29 Prozent der Stimmen hat, den Bundeskanzler stellt. Es ist auch kein Naturgesetz, dass die anderen Parteien taktische Interessen und Klientelpolitik über die Verantwortung für den Schutz unserer Republik stellen. Man ist versucht zu rufen: Reißt euch zusammen, setzt euch wieder an einen Tisch und handelt verantwortungsvoll! Jetzt kommt der Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle zu: ein starkes Korrektiv in diesen bedrohlichen Zeiten zu sein, Missstände aufzuzeigen, Unrecht anzuprangern, Hoffnung zu geben und für all das zu kämpfen, für das es sich wahrlich zu kämpfen lohnt. Unterstützen wir uns dabei gegenseitig!“
RUTH WODAK,
Sprachwissenschafterin

Wer die rezenten Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ in den Bundesländern und die jeweiligen Parteiprogramme von FPÖ und ÖVP kennt, darf nicht überrascht sein, dass diese zwei Parteien nun versuchen, eine Regierungskoalition zu bilden. Ohne Unterstützung der ÖVP würde die FPÖ keine Chance einer Regierungsbeteiligung erhalten – insofern stimmt die These, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien ohne eine Unterstützung konservativer Parteien keinen Erfolg haben können. Weder ist die Strategie des rechts Überholens noch jene der Zähmung rechtsradikaler Parteien erfolgreich: Wähler:innen präferieren den ‚Schmied‘ und nicht den ‚Schmiedl‘; der Mythos des ‚Drachentöters‘ funktioniert ebenfalls nicht, denn rechtsradikale Parteien erholen sich durch ihre Strategien der Skandalisierung und Provokationen erfahrungsgemäß sehr schnell! All dies ist seit Langem bekannt – aber leider überwiegt die Geschichtsvergessenheit, sowohl was die jüngste wie auch die länger zurückliegende Geschichte betrifft!“
DORON RABINOVICI,
Schriftsteller und Historiker

Der Volkskanzler will keiner für alle in der Bevölkerung sein. Schon gar nicht für jene, die immer schon anders waren oder zu fremd. Zu seiner wahren Gefolgschaft gehören die Völkischen, die kein Problem mit den Liedern von Massenmördern haben. Der jüdische Name Ariel entlockt ihm nur ein Höhnen, denn sein Humor ist der Judenwitz, die Häme über den Juden. Sein Wahlprogramm ist klar: Er plant eine Meldestelle für antifaschistische Lehrer, ein Stärken bodenständig zünftiger Kultur und ein Verbot des Schächtens. Wie bei Rosenkranz gilt auch hier, was die jüdischen Studenten und Studentinnen schon wussten: ‚Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nicht wert.‘ Nichts ist von den Zusicherungen der österreichischen Konservativen geblieben, in keiner Regierung unter Kickl zu sitzen. Auf manche Ehrungen, Titel und Zuwendungen gilt es nun zu verzichten. Der Kampf gegen Antisemitismus und für die jüdische Erinnerung kann nicht geführt werden, ohne für Demokratie, Rechtsstaat und Pressefreiheit aufzustehen.“
SHOSHANA DUIZEND-JENSEN,
Historikerin

Als Historikerin beschäftigt mich der Aufstieg der Nationalsozialisten während der 1920er- und 1930er-Jahre in Österreich schon sehr lange. Die letzten Tage waren für mich im wahrsten Sinne des Wortes historisch. Wir sind gerade Zeug:innen der geplanten Demontage des demokratischen Rechtsstaates. Jüdinnen und Juden sind hier besonders hellhörig. Nicht weil ich mich selbst quälen, aber weil ich wissen möchte, was auf uns zukommt, hörte ich mir die Wahlreden Herbert Kickls an. Sie sind von einem radikalen Sendungsbewusstsein geprägt, peitschen die Zuhörerschaft auf und bedienen sich einer brutalen Sprache. Die Anhängerschaft der FPÖ wird aufgehetzt, die Stimmung ist aufgeheizt: ‚Wartet nur, bis unsere Zeit kommt, dann werden sie sich noch wundern, was möglich ist.‘ Die politische Gegnerschaft sind die sogenannten ‚Systemparteien‘, die ‚Systemmedien‘. Es sind die EU-freundlichen ‚internationalen Eliten‘ und ,Globalisten‘, es ist die gesamte weltoffene Zivilgesellschaft. Für mich ist es klar und folgerichtig, dass wir Jüdinnen und Juden ein Teil dessen sind, was von der FPÖ bekämpft wird, gehören wir doch in keinem Fall einem christlich geprägten, völkisch-nationalen Weltbild an. Aber genau diese Weltordnung streben rechtsextreme Parteien an. Wir sind in den Augen der Kickls, Schnedlitzs, Hofers, Nepps und Co. ein Teil der ‚Eliten‘, die sie verbal attackieren und schließlich vehement aus der österreichischen Gesellschaft eliminieren wollen. Daher ist eine Machtübernahme der FPÖ für mich ein Anlass, darüber nachzudenken, wo jüdisches Leben in Österreichs Zukunft noch beheimatet sein kann.“

SUSANNE SCHOLL,
Sprachwissenschafterin, Journalistin und Autorin
Wir brauchen keinen ‚Volkskanzler‘. Österreich hat in Bezug auf Antisemitismus, Rassismus und antidemokratische Gesinnungen eine unrühmliche Vergangenheit. Und die FPÖ war schon zweimal Teil der österreichischen Regierung und hat so viel kaputtgemacht, wie sie nur konnte. Stichwort Gesundheitskasse, um nur ein Beispiel zu nennen. Darüber hinaus aber ist diese Partei antisemitisch, xenophob und gewaltbereit. So eine Partei hat nichts in der österreichischen Regierung verloren.“