„Man sollte an das glauben, was man verkauft“

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Seit November ist Talya Lador-Fresher die neue Botschafterin Israels in Österreich. Über ihre Aufgaben, Hoffnungen und Probleme sprach sie, erst deutsch, dann doch lieber auf Englisch, mit Anita Pollak.

WINA: Sie haben diesen Posten angeblich als Dank für Ihre großartige Arbeit als Protokollchefin im israelischen Außenamt erhalten. Ist das so?

Talya Lador-Fresher: Es ist wahr, dass mein damaliger Job ein sehr schwieriger war, Besetzungen sind aber immer ein Geheimnis. Jedenfalls wollte ich diesen Posten, niemand musste mich dazu überreden, und ich fühle mich glücklich und geehrt, israelische Botschafterin in Wien sein zu dürfen.

„Es ist schwer, Diplomat zu sein, schwerer noch, ein israelischer Diplomat zu sein, und noch schwerer, ein weiblicher israelischer Diplomat zu sein.“

Der Job hier ist auch nicht gerade leicht, denn die Beziehungen beider Länder waren und sind manchmal angespannt, betrachtet man das Verhältnis Österreichs zur arabischen Welt. Wie sehen Sie das?

❙ Es ist kein leichter Job, auch weil es ein doppelter ist, freilich ohne dass man ein doppeltes Gehalt bezieht. Einerseits bilateraler Botschafter, andererseits Botschafter bei der OSCE, und es gibt 16 verschiedene UNO-Organisationen mit Sitz in Wien, sodass ich vier verschiedene Beglaubigungsschreiben überreichen werde, das erste natürlich an Präsident Fischer. Was das Verhältnis zu Österreich betrifft, so haben Sie Recht. Wien war eine unserer ersten diplomatischen Vertretungen überhaupt, sie wurde bis zur Botschaft aufgewertet und manchmal wieder herabgestuft. Österreich ist das einzige Land in Europa, mit dem wir so wechselvolle Beziehungen haben. Im Moment sind sie zwar nicht perfekt, aber gut, und ich sehe es als meine Aufgabe an, sie noch zu verbessern.

Was sind Ihre Hoffnungen und Erwartungen für die kommenden vier Jahre?

❙ Ich betrachte es wie die vier Standbeine eines Tisches. Erstens möchte ich die Kontakte zwischen der israelischen und der österreichischen Jugend erweitern. Wir haben ein so genanntes „Work Holiday Agreement“ mit manchen Ländern, das bedeutet, dass Jugendliche für drei Monate ohne Visum in Israel bleiben, arbeiten und anschließend Urlaub machen können. Außerdem wollen wir die Kontakte auf den sozialen Netzwerken verbessern, weil wir besonders die jungen Leute unter dreißig fast nur dort erreichen können. Sogar ich habe zu twittern begonnen.

Zweitens die Kultur. Österreich ist ein kulturelles Schwergewicht, aber wir haben auch viel zu bieten. Zum Beispiel Literatur, Ballett und zeitgenössischen Tanz, Kunst, Design. Da könnten wir den Austausch noch verbessern.

Drittens möchten wir die wirtschaftlichen Beziehungen erweitern, weil sich Israelis diesbezüglich in Europa vor allem nach Großbritannien, Deutschland oder Frankreich wenden, dennoch möchten wir diese Beziehungen vertiefen und verstärken.

Das vierte ist die größte Herausforderung und auch das, was die jüdische Gemeinde am meisten interessiert. Das ist Israels Image, der Bereich der „Hasbara“ (Öffentlichkeitsarbeit), das Verständnis für Israels Anliegen. Da wollen wir unser Bestes geben, sodass auch Österreichs Entscheidungsträger die schwierige Lage verstehen, in der wir leben.

Wo liegen in diesem Bereich die größten Probleme?

Women Power. Die erste Botschafterin Israels in Österreich im Gespräch mit Anita Pollack.
Women Power. Die erste Botschafterin Israels in Österreich im Gespräch mit Anita Pollack.

❙ Man muss den gesamten Mittleren Osten wie ein einziges Puzzle betrachten. Manche nehmen einen Teil heraus, den israelisch-palästinensischen Konflikt, als wäre das etwas ganz anderes. Früher haben auch gut meinende Menschen gedacht, wenn man diesen Konflikt löst, wäre der gesamte Raum befriedet. Natürlich sehen wir, dass das, was jetzt im Mittleren Osten passiert, nichts mit Israel zu tun hat. So haben die fatalen Folgen des so genannten „Arabischen Frühlings“ nichts mit Israel zu tun. Was den moralischen Aspekt betrifft, ist nicht alles schwarz-weiß. Wie man beispielsweise mit möglichen Terrorattacken umgeht, wird weder von der Regierung noch vom Rechtssystem noch von der Armee in Israel auf die leichte Schulter genommen. Hier etwa auf der Kärntnerstraße zu sitzen und zu sagen, das ist schlecht, was ihr tut, ist zu einfach. Wir sind entschieden für die Menschenrechte, aber manchmal muss man sehr schwere Entscheidungen treffen. Wir haben tagtäglich mit Dilemmata zu tun, zu diesem Verständnis möchte ich beitragen.

Wie schwierig ist es für Sie fallweise, die israelische Politik zu vertreten, oder sind Sie da immer d’accord?

❙ Das werde ich im Ausland öfter gefragt. Schon vor zehn Jahren habe ich dieselbe Antwort gegeben, d. h. es hat nichts mit der Regierung zu tun. Menschen merken, wenn man an das glaubt, was man verkauft, also sollte man daran glauben. Innerlich mag ich manchmal meine Regierung kritisieren, aber nur was taktische Dinge, nicht was die großen Themen selbst betrifft.

Der Premierminister ist zurzeit auch der Außenminister. Ist das für Sie leichter, weil Sie so nur einen Boss haben?

❙ Es ist eine interessante Zeit für das Außenministerium, dabei möchte ich es belassen.

Sie kommt mit einer Menge Erfahrung, aber ohne Familie nach Österreich, denn es ist 2015 immer noch nicht selbstverständlich, dass der Ehmann seiner Frau folgt.

Traditionellerweise ist der israelische Botschafter auch das Bindeglied zwischen dem Staat und der jüdischen Gemeinde. Wir haben verschiedene Organisationen, die Israel unterstützen, wie sehen Sie diese Beziehung?

❙ Ich möchte Sie auf jeden Fall fördern. Wir sind eine kleine Botschaft mit wenig Budget, wir brauchen Freunde in der jüdischen Gemeinde, freilich auch außerhalb.

Sie haben einmal gesagt: Es ist schwer, Diplomat zu sein, schwerer noch, ein israelischer Diplomat zu sein, und noch schwerer, ein weiblicher israelischer Diplomat zu sein. Sie sind die erste Frau in dieser Position in Österreich. Wie gehen Sie mit diesen Schwierigkeiten um?

Erstens komme ich mit einer Menge Erfahrung hierher. Was ich mit meiner Äußerung gemeint habe, ist, dass man als Dip­lomat seine Familie mitnehmen muss. Als Frau ist es schwerer, weil es noch immer nicht selbstverständlich ist, dass der Mann der Frau folgt, ich nenne es das „Ehemann-Thema“. Jetzt ist meine ganze Familie ist in Israel geblieben, ich bin hier alleine. Was für einen israelischen Diplomaten erschwerend hinzu kommt, ist das Sicherheitsproblem. Ich habe drei Sicherheitsleute, die ganze Zeit, das ist nicht leicht, auch wenn ich dankbar dafür bin.

Eine Botschafterin aus Südafrika in Österreich hat mir vor Jahren gesagt, sie würde eine Ehefrau brauchen. An einer Botschaft gibt es ja Aufgaben, die für eine solche vorgesehen sind. Wie lösen Sie dieses Problem?

❙ Das macht mein Leben noch schwieriger oder, wie man diplomatisch sagt, noch herausfordernder. Ich habe aber ein gutes Team, auf das ich mich verlassen kann.

Noch eine persönliche Frage: Sind Sie eine religiöse Jüdin?

❙ Ich bin eine traditionelle Jüdin, ich trage Hosen, aber ich halte koscher.

Ein persönliches Anliegen möchte ich aber noch erwähnen.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wien ist besonders wichtig für das jüdische Volk, ich habe viel darüber gelesen, unter anderem die neueste Herzl-Biografie von Shlomo Avineri, auch über die Bedeutung der Juden in diesem Land. Bevor ich kam, ging ich noch einmal nach Yad Vashem und habe festgestellt, dass im Verhältnis sehr, sehr wenige Österreicher als Gerechte unter den Völkern geehrt wurden. Mein Anliegen wäre, dass Menschen hier, die von solchen Lebensrettern wissen, auch wenn diese schon tot sein sollten, uns das bekannt geben, damit wir sie oder ihre Nachkommen ehren können. Auch weil die Geschichten dieser Menschen uns alle inspirieren können.

Botschafterin Talya Lador-Fresher wurde 1962 in Petach Tikwa geboren. Bereits ihr Vater diente als Diplomat in Bonn, wo sie die Amerikanische Schule für Diplomatenkinder besuchte. Nach einem Studium an der Hebräischen Universität in Jerusalem trat sie 1987 in den diplomatischen Dienst ein. Auslandsposten führten sie nach Deutschland, Jamaica, Amerika und England. In London entging sie 2010 nur knapp einer Attacke palästinensischer Terroristen. Sie ist Mutter zweier Kinder. Ihr Ehemann, Eldad Fresher, ist Ökonom im Finanzministerium.

Bilder: © Konrad Holzer

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