Meinl, PEZ und Start-ups

2036

Günther Schabhüttl ist seit mehr als einem Jahr Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Tel Aviv. Seine Aktivitäten spiegeln die ganze Vielfalt der israelischen und österreichischen Unternehmen wider. Text & Fotos: Reinhard Engel   

Es fällt nicht schwer, in Tel Aviv österreichische Produkte in den Auslagen zu finden. Das kann am eleganten Rondeau des Kikar Hamedina der kleine Swarovski-Store sein. Die schicke neue Wolford-Boutique hat sich in einem der revitalisierten Templer-Häuschen im Sarona-Viertel eingemietet. Auf der Einkaufsstraße Ibn Gavirol finden sich fast Tür an Tür die Konditorei mit den roten Meinl-Mohren auf den Mokkatassen, die bunten Ständer mit PEZ-Zuckerl im Supermarkt und die grün-weiß etikettierten Gösser-Flaschen in der Auslage gleich neben jenen von Carlsberg und Goldstar.

gösserNoch steht die Endabrechnung aus, aber österreichische Unternehmen dürften im Jahr 2014 Waren um mehr als 300 Mio. Euro nach Israel geliefert haben. „Das ist eine Steigerung um rund neun Prozent“, freut sich der Wirtschaftsdelegierte Günter Schabhüttl. „Und darin ist gar kein Großauftrag enthalten, wie wir ihn in der Vergangenheit mit den Siemens-Eisenbahnwaggons hatten. Aber der Folgeauftrag könnte vielleicht noch kommen.“

„Ich war vorher nicht hier gewesen, aber ich habe mich um kein anderes Land beworben.“ Günther Schabhüttl

Schabhüttl ist seit mehr als einem Jahr in Israel stationiert. „Ich war vorher nicht hier gewesen, aber ich habe mich um kein anderes Land beworben“, erzählt er. Inzwischen hat er im Sommer einen mehrwöchigen Sprachkurs im Ulpan besucht und ist längst mit der ganzen Vielfalt der Handelsbeziehungen der beiden Länder vertraut. Schabhüttl, der aus einer Unternehmerfamilie mit Autohaus im Südburgenland stammt, hat seine Karriere auch in derselben Branche begonnen: bei der Porsche Holding in Salzburg, einem der größten Autohändler Europas. Für die Wirtschaftskammer sammelte er Erfahrung in Asien und Osteuropa.

swar„Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen Bratislava und Tel Aviv, was die Präsenz österreichischer Unternehmen angeht“, so Schabhüttl. „In der Slowakei findet man mehrere hundert Tochterfirmen, hier wird das meiste Geschäft über Handelsvertreter und Importeure abgewickelt.“ Viele von ihnen sind mit österreichischen Produkten schon seit Jahrzehnten vertraut, ob das Maschinenteile sind, Chemikalien oder Lebensmittel, aber es finden sich immer wieder neue, äußerst zielstrebige. Der Wirtschaftsdelegierte erwähnt etwa einen Getränke-Importeur, der zuerst auf französischen Champagner spezialisiert war und dann österreichische Weißweine entdeckte und schätzen lernte. „Ich könnte mir keinen besseren Botschafter dafür vorstellen.“ In 15 der 20 Toprestaurants in Tel Aviv finde man mittlerweile bereits Grüne Veltliner und Rieslinge, ob die schicken Lokale etwa Toto heißen oder Taizu, mit italienischem oder asiatischem Touch.

Zukunftsweisende Aktivitäten

Das Außenwirtschaftscenter Tel Aviv ist seit Monaten dabei, die mehr als 400 Importeure österreichischer Produkte zu kontaktieren, nachzufragen, was sie eventuell noch brauchen könnten, welche Erzeugnisse zusätzlich in ihr jeweiliges Portfolio passen mögen. Dabei kommt immer wieder Unerwartetes zu Tage, kürzlich etwa suchten israelische Architekten leichte, hohe Aluminiumschiebetüren für einen Kindergartenbau und fanden sie in Vorarlberg.

pezDie Palette der Aktivitäten der WKO-Vertretung reicht aber viel weiter – und soll vor allem in die Zukunft weisen. Ein Schwerpunkt betrifft daher die in Israel blühende Start-up-Szene und deren Verknüpfung mit österreichischen Jungunternehmern. Dazu gibt es mehrere Veranstaltungen, die Österreicher nach Israel bringen und mit dem dortigen System vertraut machen sollen. „Einige österreichische Start-up-Gründer kommen für sechs bis acht Wochen hierher“, so der Wirtschaftsdelegierte. „Es geht dabei etwa darum: Was wollen die Investoren hören? Oder: Wo kann der nächste Schritt bei der Vermarktung erfolgen?“ Andere Themen des Außenwirtschaftscenters betreffen die Modernisierung der israe­lischen Bahn, die Baubranche im Allgemeinen, Life Science, Umwelttechnologie sowie ein erstes Kennenlernen der israelischen Aeronautics-Branche.

Ausgabefreudige israelische Touristen stehen ebenfalls im Fokus der Österreicher. Bei einem Workshop gemeinsam mit Vertretern des oberösterreichischen Salzkammerguts referierte etwa der CEO der Fluglinie Israir über die Bedürfnisse und Wünsche israelischer Urlauber in Europa. Israir hat in der laufenden Wintersaison übrigens einen ersten Charterflug nach Innsbruck aufgenommen. Schabhüttl: „Er hat besonders darauf hingewiesen, wie aktiv die Urlauber sind, was sie alles an ihrem Ferienort machen wollen.“ Und auch auf ganz spezielle Reisende zielt die Werbung ab: So fanden sich etwa beim letzten Ironman am Wörthersee unter 2.200 Teilnehmern fast 200 Israelis, diese Extremsportler und ihre Familien werden weiter umworben. Für den Song Contest in Wien wurden im Voraus fünf israelische Touristiker als VIPs nach Wien eingeladen, um ein urbaneres, buntes Publikum anzusprechen.

Schabhüttl fühlt sich in Tel Aviv sehr wohl, er hat Israel von Nord nach Süd mehrmals bereist, schwärmt etwa von einem Wochenende mit Jeep in der Wüste. Und er lebt mit Frau und vierjährigem Sohn in Herzlia nördlich von Tel Aviv, nicht in einer Ausländerkolonie, sondern Tür an Tür mit israelischen Nachbarn. Zu Chanukkka waren die Schabhüttls bei ihnen eingeladen, es gab eine große Party mit 40 Verwandten und Freunden. „Wenn wir hereinkommen und sie unseren Sohn sehen, heißt es meist: ‚Wo sind die anderen?‘, einfach weil die meisten Israelis mehr Kinder haben.“

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