Mit Blick auf den Tag danach

1977

Über die Feiertage war der Iran-Deal schon kein Thema mehr. An den langen Familientischen gab es genug anderes zu besprechen. Der Pakt mit Teheran ist ein Fait accompli. Weiterhin dagegen zu sein, bringt also nichts. „Wir sind ein sehr pragmatisches Volk. Wir haben das Abkommen nicht verhindern können, aber deshalb stürzen wir uns nicht aus dem 50. Stock“, sagt Yossi Kuperwasser, bis vor Kurzem Direktor des Ministeriums für strategische Angelegenheiten und eng vertraut mit den Details der Verhandlungen. Das Ergebnis hinterlässt ihn dennoch „tief frustriert“, weil es den Iran stärke und gleichzeitig Israel die Hände binde. Dass Präsident Obama bei seinem Werben um die Stimmen der Kongressabgeordneten explizit Verständnis für die israelischen Gegner des Deals aufbrachte, beunruhigt ihn nur noch mehr.

„Wenn Teheran sich jetzt schon so verhält, was wird dann erst sein, wenn die Sanktionen einmal geliftet sind?“
Amichai Magen, Interdisciplinary Center Herzliya

Kuperwasser, einst Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Nachrichtendienstes, richtet aber trotzdem den Blick nach vorne. Erhöhte nationale Geheimdienstaktivitäten hält er jetzt besonders vonnöten. Westliche Nachrichtendienste, glaubt er, hätten ja jetzt kaum mehr Anreize, Missstände im Iran aufzudecken, weil „das Entdecken von verdächtigen Informationen die eigenen Führungen in eine komplizierte Lage“ brächte. Ihm geht es vor allem um die Rolle Irans in einer Region, in der immer mehr Länder zerfallen und nicht-staatliche Akteure zutage treten.

In 25 Jahren werde das „zionistische Regime“ nicht mehr existieren, hat der oberste Führer der islamischen Republik Iran gerade erklärt.

Was den Israelis große Sorge bereitet – und im Atomdeal von vorneherein ausgeklammert war –, sind die hegemonialen Bestrebungen Teherans, dessen langen Arme bis in die Brandherde Syrien, Libanon, Irak und Jemen reichen. Unter Berufung auf israelische Sicherheitsquellen berichtet Haaretz erstmals von der Stationierung „hunderter“ iranischer Revolutionsgarden in Syrien, die Bashar Assads Regime und die mit ihm verbündete Hisbollah-Miliz unterstützen sollen. Man gehe davon aus, hieß es weiter, dass dies in voller Koordination mit Russland geschehen sei – vermutlich bei einem Treffen zwischen dem Befehlshaber der revolutionären Kuds-Garde, Qassem Soleimani, und Präsident Putin im letzten Monat in Moskau, ein Treffen, das Russland abstreitet. Am 21. September traf Netanjahu seinerseits Putin in Moskau, um gemeinsam einen Mechanismus zu schaffen, der unabsichtliche Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und russischen Truppen in Syrien in Zukunft vermeiden soll.

Kuperwasser ist nicht der einzige, der sich vorbereitet. Auch Oppositionschef Jitzchak Herzog rief dazu auf, die angespannten Beziehungen zu Washington wieder konstruktiver gestalten. Bis vor Kurzem war Herzog noch gleicher Meinung wie der schärfste Iran-Kritiker, Benjamin Netanjahu. Amos Yadlin, im Wahlkampf Herzogs Kandidat als Verteidigungsminister, schlägt einen bilateralen Sicherheitspakt mit den Vereinigten Staaten vor; dieser würde Israels militärischen und strategischen Vorteil gegenüber den zunehmenden regionalen Bedrohungen in der Region bewahren. Dabei, so fordert er, sollte man sich auch auf die Reaktion im Fall eines iranischen Vertragsbruchs einigen.

Die Skepsis gegenüber den wahren Absichten Teherans ist groß. Die jüngsten Prophezeiungen von Ayatollah Ali Khamenei lassen auf keinen Wandel in Hinblick auf das Verhältnis zu Israel hoffen. In 25 Jahren werde das „zionistische Regime“ nicht mehr existieren, hat der oberste Führer der islamischen Republik Iran gerade erklärt. Bis dahin werde „der heroische und dschihadistische Kampf den Zionisten keinen Moment der Fröhlichkeit lassen“. Khamenei fügte hinzu, dass er die Verhandlungen mit dem „großen Teufel“ USA einzig und allein in Bezug auf den Nuklearbereich genehmigt habe.

Im Westen mögen das viele als dummes Geschwätz eines alten Mannes abtun oder als eine Art, den Deal innenpolitisch an die Hardliner zu verkaufen, sagt Amichai Magen vom Interdisciplinary Center Herzliya (IDC), aber den Israelis streute man damit Salz in die Wunde. „Angesichts der internationalen Legitimität, die dem Iran nun verliehen wurde, und der vielen Gelder, die ab jetzt dorthin fließen, macht uns das nur noch unruhiger. Wir fragen uns: Wenn Teheran sich jetzt schon so verhält, was wird dann erst sein, wenn die Sanktionen einmal geliftet sind?“

Als Sicherheitsexperte hält es Magen deshalb für wichtig, schon jetzt klare rote Linien für künftige unerwünschte Initiativen Teherans jenseits des Atomdeals festzulegen. Dazu gehören eine ständig wachsende iranische Präsenz in Syrien, einschließlich Raketenabschussanlagen, die den Tel Aviver Flughafen lahmlegen könnten, ebenso wie Versuche, Jordanien oder den ägyptischen Sinai zu destabilisieren.

Erhöhte Wachsamkeit – so lässt sich die Reaktion der Israelis am besten zusammenfassen. Statt „Deal-Prävention“ geht es jetzt um „Deal-Management“. Wobei die Stimme des bisher lautesten Gegners, Netanjahu, in seinem Land auffallend verstummt ist. Es gab weder traditionelle Neujahrsinterviews noch offizielle Stellungnahmen. Was dem Premier bleibt, sind Warnungen an den Westen, sich nicht zu übereifrig Teheran anzunähern. Auch wird Netanjahu am 9. November erstmals wieder Obama im Weißen Haus besuchen dürfen.

© apa picturedesk/ Abedin Taherkenareh

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