„Mit der Violine beten“

Itzhak Perlmans Geigenspiel verzaubert bis heute sein weltweites Publikum. Alison Chernik hat dem Virtuosen, der trotz seines Handicaps Musikkarriere machte, nun einen Dokumentarfilm gewidmet. Itzhak Perlman – Ein Leben für die Musik ist seit Anfang November in den österreichischen Kinos zu sehen.

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© Polyfilm

Als Kind sei er nicht danach beurteilt worden, was er könne, sondern danach, was er nicht könne. Es ist einer der wenigen wehmütigen Sätze, die Perlman in der Rückschau auf sein bisheriges Leben über die Lippen kommen. Denn Verbitterung ist nicht zu hören, wenn der Musiker, der heute zudem dort lehrt, wo er einst studierte, an der Juilliard School in New York, gedanklich in die Vergangenheit schweift. Eine Polioerkrankung in der Kindheit hinterließ Spuren. Auf Krücken plagte er sich viele Jahre auf die Bühne. Heute bringt ihn ein elektrischer Rollstuhl durch den Alltag.

Itzhak Perlman mit seiner Frau Toby. © Polyfilm

Chernik porträtiert hier aber nicht nur den berühmten Geiger, der Brahms ebenso spielt wie Bach und auch vor einem gemeinsamen Auftritt mit Billy Joel nicht zurückscheut. Sie zeigt den Sohn von Holocaust-Überlebenden, der zu schätzen weiß, welche Opfer seine Eltern für ihn gebracht haben, damit aus ihm werden konnte, was aus ihm wurde. Sie zeigt den Familienmenschen, der in seiner Frau Toby die Seelenverwandte gefunden hat, mit der er seit mehr als 50 Jahren verheiratet ist. Und sie zeigt den Juden Itzhak Perlman, der Freitagabend niemals reist und immer am Schabbestisch anzutreffen ist, der beim Geigenbauer Amnon Weinstein nach jüdischen Geigen sucht und schließlich ein Instrument in Händen hält, das von seinem ursprünglichen Besitzer einst nach Auschwitz mitgenommen worden war.
„Mit der Violine beten“: So beschreibt Weinstein übrigens Perlmans Geigenspiel. Seine Frau Toby wiederum ist überzeugt, dass sein Geigenspiel durch das Unterrichten erst auf die Ebene gehoben worden sei, auf dem er nun spiele. Dem pflichtet Perlman bei. Und erteilt gleichzeitig der Rankingkultur von heute eine Absage. Immer wieder werde er gebeten, seinen besten Studenten, seine beste Studentin spielen zu lassen. Doch so etwas wie den besten Studierenden gebe es nicht. Jeder habe sein eigenes Tempo, jeder durchlaufe eine andere Entwicklung.

Itzhak Perlman – Ein Leben für die Musik. Dokumentation von
Alison Chernick, IL/USA 2017,
83 Minuten; Kinostart: 1. November 2018

Ed Sullivan Show. Dass es Perlman schließlich trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung dennoch schaffte, hat er einer Einladung in die Ed Sullivan Show im Jahr 1958 zu verdanken. So war die Übersiedlung von Israel in die USA möglich, so konnte er an der Juilliard studieren. So konnte er 1964 den Leventritt Wettbewerb gewinnen.
Chernik mischt aktuelle Aufnahmen mit Archivmaterial in schwarz-weiß. Da sitzt der 13-Jährige bei Ed Sullivan und begeistert mit seiner Virtuosität, auch wenn sich Perlman und seine Frau heute einig sind, dass die Einladung nur deshalb erfolgte, weil Perlman „crippled“ war, grob übersetzt also behindert, politisch korrekt ausgedrückt körperlich beeinträchtigt. Was ihm als Kind als Mangel erschien, drehte sich damit zu seiner großen Chance.
Ein feinfühliger, positiver Film, der nicht nur Musikliebhabern vieles bietet, sondern ein zutiefst jüdisches Porträt eines Menschen zeichnet, der seinen Erfolg zu schätzen weiß, der aber dennoch umgänglich geblieben ist.

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