Das war das traditionelle Neujahrskonzert „Le Chaim!“ im Wiener Konzertsaal
Nach dem überwältigenden Erfolg der jüdischen Neujahrskonzerte, die die IKG Wien seit September 2022 mit viel Liebe zum Detail veranstaltet, lud die IKG.Kultur in diesem Jahr die talentierte junge israelische Dirigentin Keren Kagarlitsky ein, ein Programm zu entwerfen, das nicht nur künstlerisch, sondern auch emotional ein wahrer Zufluchtsort für Herz und Seele sein sollte. Angesichts der Herausforderungen und der Trauer des vergangenen Jahres war es Keren ein Anliegen, der Musik – einer Symbiose aus österreichischem und israelischem Erbe – eine Stimme zu verleihen, die Sehnsucht und Hoffnung verkörpert.
Das Konzert begann mit einem dynamischen Auftakt, einer Hommage an W. A. Mozart von Jaques Ibert (1955). Im Anschluss erklang das faszinierende Werk Numa Emek des jungen israelischen Komponisten Dror Binder – eine bewegende Uraufführung, die mit einem gespenstischen Sirenengeheul begann, trug eine erschütternde Aktualität in sich: Während die Noten in den Saal hallten, erlebte Israel einen massiven Raketenbeschuss unter anderem aus dem Iran und aus Libanon – und die israelische Bevölkerung musste einen weiteren Abend in Schutzräumen und Treppenhäusern verbringen, wie bereits so oft in den letzten 12 Monaten dieses Krieges.
Dror Binder, der in einem kleinen Dorf in Galiläa zwischen den Klängen traditioneller Gebete und zeitgenössischer Musik aufwuchs, studierte später in Jerusalem, Budapest und Wien und verwebt in seinen Kompositionen seine vielfältigen musikalischen Einflüsse zu einer einzigartigen und persönlichen Klanglandschaft. In Numa Emek thematisiert er mit einem besonderen Feingefühl seine ambivalente Verbindung zu seiner Heimat, die ihm mal als nah und idyllisch, mal fern und gefährlich erscheint. Das Publikum zollte dieser Uraufführung begeisterten Applaus.
Dror folgte die Sopranistin Hila Fahima auf der Bühne. Mit ihren stimmlichen Nuancen und dynamischen Interpretationen entführte die Israelin, die mit großem Erfolg auf internationalen Opernbühnen auftritt und in Wien lebt, die Zuhörerinnen und Zuhörer zunächst mit zwei Arien Mozarts und zauberte dann mit einer flinken Darbietung der unvergleichlichen Adele aus der beliebten Strauß-Operette Die Fledermaus eine geschmackvolle Leichtigkeit in das Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses.
Das Symphonie-Orchester der Volksoper Wien, unter der einfühlsamen Leitung von Keren Kagarlitsky, entfaltete zum Abschluss des klassischen Teils mit der rauschenden Haffner-Symphonie die ganze Pracht und Dynamik großer symphonischer Musik. Mozart selbst notierte dazu: „Das erste Allegro muss recht feurig gehen, das letzte so geschwind, als es möglich ist“ – und so erlebte das Publikum eine musikalische Reise, der alle mitriss.
Den finalen Höhepunkt, den die Konzertbesucher an diesem ereignisreichen Abend erlebten und der definitiv Trost spendete, bildete der Abschluss aus den israelischen Liedern Hayu Leilot, Shnei Shoshanim und Yerushalaim shel Zahav. Den Raum erfüllte ein emotionales Miteinander, als die Zuhörer die Refrains gemeinsam und voller Sehnsucht nach Frieden mitsangen.
So verabschiedete das Neujahrskonzert der IKG.Kultur ein traumatisches Jahr für Jüdinnen und Juden in Israel und in der Diaspora und begrüßte mit einem tiefen Gefühl der Verbundenheit und Zuversicht ein hoffentlich friedlicheres Jahr – ein wunderbarer Abend, an dem die heilende Kraft der Musik nicht nur die Herzen, sondern auch die Seelen berührt hat.
Fotos: (c) IKG / R. Kanfer