Musikalische Tragikomödie fürs Unterbewusstsein: Jewish Monkeys

Ruhige Momente sind nicht die Sache der Tel Aviver Band Jewish Monkeys, deren Musik laut, punkig und wild ist. Dementsprechend fällt die Atmosphäre auf den Konzerten der Band aus. Im Regelfall herrscht dort eine ekstatische Stimmung, die durch die unwiderstehlichen Grooves der Mannschaft rund um die beiden Sänger Jossi Reich und Gael Zaidner hervorgerufen wird. Mit dem Nebenprodukt, dass die Lyrics der Band oft etwas untergehen. Was schade ist, stehen die Jewish Monkeys für beißende Selbstironie, bei der einem schon einmal das Lachen im Hals stecken bleibt.

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© Daniel Shaked

Die Geschichte der Jewish Monkeys beginnt in den 70er-Jahren in Frankfurt am Main, wo Jossi Reich zum ersten Mal die Idee der Gründung einer Band hatte. Mit Jugendfreund Roni Boiko, der später als Vokalist der Jewish Monkeys in Erscheinung treten sollte, unternahm er erste musikalische Gehversuche. Visionen jener künftigen Band, die heute die Bühnen dieser Welt bespielt, entstanden, nur für die Umsetzung war noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen.
Der kam drei Jahrzehnte später. Mittlerweile sind aus den Jungspunden erwachsene Männer geworden, die nicht mehr in Hessen, sondern nun in Israel leben. Durch Langeweile an den Wochenenden kamen Erinnerungen an das Musizieren aus den Jugendjahren wieder hoch, der Entschluss, es noch einmal mit einer Band zu versuchen, war dann nicht weit entfernt. Wie der Zufall so wollte, lernte Jossi Reich Gael Zaidner kennen. Dass Zaidner bei der Band involviert sein sollte, war Reich schnell klar. Die Gründe waren allerdings weniger musikalischer als vielmehr optischer Natur, wie er im Interview mit WINA vor dem Gig der Band im Wiener B72 mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht konstatiert. Zunächst sei alles noch ziemlich amateurhaft abgelaufen, der weitere Weg der Band erschien nebulös. „Es gab Krisen, einige Male hätten wir uns fast getrennt“, meint Gael Zaidner. Den Einwand Jossi Reichs, dass er übertreibe, wischt Zaidner mit einem „Das ist doch das Schöne an unserer Geschichte“ weg.

»Es ist ein bisschen so wie das N-Wort bei den Afroamerikanern.
Wir können uns als Jewish Monkeys bezeichnen,
wir haben die Erlaubnis dazu.«
Jossi Reich

„Wir haben die Erlaubnis.“ Die schwierigen Zeiten hat die Band gut überstanden. Wenngleich sich die Besetzung seit dem Debüt im Jahr 2014 (Mania Regressia) änderte: Der beißende Humor ist ein gleichbleibendes Charakteristikum der Combo. Der findet sich auf dem 2017er-Zweitling High Words ebenso wie auf den neuen Songs des kommenden Albums Catastrophic Life.

Jossi Reich.
„Unsere Musik ist fröhlich, durchaus ein Paradoxon zu unseren Lyrics. Wir sind eine Tragikomödie.“ © Daniel Shaked

In dieses Schema fällt schließlich bereits der Bandname. Jewish Monkeys, das klingt konfrontativ. Manche dürften dabei an die Memoiren The Bedwetter (2010) der amerikanischen Komikerin Sarah Silverman denken, in denen sie sich selbst als „Jew Monkey“ beschreibt. Andere an die bekannte Publikation The Jew’s Body (1991) des amerikanischen Historikers und Germanisten Sander L. Gilman, in dem unter anderem nachgezeichnet wird, dass die Assoziation zu einem Affen von Rassisten nicht nur gegen Afrikaner, sondern auch bei Antisemiten gegen Juden eine lange Tradition hat.
Jenes hatten Jossi Reich allerdings bei der Namensfindung der Band nicht wirklich im Sinn, die Gedanken richteten sich stattdessen auf die 60er-Jahre-Pop-Rock-Band The Monkees. Erst später hätte Jossi Reich erfahren, dass „Jewish Monkey“ als Schimpfwort dient. Zweifel, ob der Name dadurch nicht der falsche wäre, nährte dies nicht. Im Gegenteil, drückt sich dadurch die satirische Stoßrichtung der Band und eine Form des „Empowerment“ aus: „Es ist ein bisschen so wie das N-Wort bei den Afroamerikanern. Wir können uns als Jewish Monkeys bezeichnen, wir haben die Erlaubnis dazu“, meint Jossi Reich.

Omer Hershman, Gitarrist.
Zu spüren, wie man Barrieren durch die Kraft der Musik beseitigen kann. © Daniel Shaked

Vereinigung als Ziel. Diese Erlaubnis nehmen die Jewish Monkeys gerne in Anspruch, das Ziel ihrer humoristischen Attacken sind sie aber stets selbst. „Unsere Lyrics sind kritisch, sie sind ironisch. Wir bringen eine Message, attackieren dabei aber keinen. Außer uns selbst“, erklärt Gael Zaidner den inhaltlichen Fokus der Jewish Monkeys. Die Gefahr, dass jemand die Zeilen falsch versteht, ist durchaus vorhanden, kam bisher jedoch nicht vor. Im Notfall, so stimmen Reich und Zaidner unisono ein, muss man sich entschuldigen. Dann, wenn die wahre Intention der Satire nicht deutlich genug hervorkam.
Mit dieser Art der Lyrics wird zugleich ein Widerspruch zur Musik kreiert. So bekommt die teilweise schmerzhafte Selbstironie durch eine ausgesprochen energetische Instrumentalisierung einen positiven Konterpart. „Unsere Musik ist fröhlich, womit sich durchaus ein Paradoxon zu unseren Lyrics ergibt, die doch eine gewisse Härte beinhalten. Das ist der Stil, der uns definiert. Wir sind eine Tragikomödie“, stellt Jossi Reich fest. Musikalisch zeigt sich die Band ähnlich bunt wie die Gestaltung ihrer Albumcover: Klezmer ist das Gerüst, an dem Balkan-Folk-Töne, arabische Einflüsse, Punk-Rock und Gypsy-Musik herum gruppiert werden. Die Musik hat keine Stilgrenzen, die Jewish Monkeys üben sich in einer stetigen Weiterentwicklung. Es muss einfach nur passen.

Gael Zaidner.
„Wir bringen eine Message, attackieren dabei aber keinen. Außer uns selbst.“ © Daniel Shaked

Direkt ins Unterbewusstsein. Diese Offenheit charakterisiert die Band nicht nur in musikalischer Hinsicht. Die Jewish Monkeys transportieren eine universelle Botschaft, mit der sich alle identifizieren sollen. „Die Menschen sollen sich auf unseren Konzerten vereinen, das ist unsere Botschaft“, sagt Gael Zaidner. Dass das keine leeren Worte sind, zeigte ihr Konzert für Flüchtlinge in Dresden im Jahr 2015; ein Auftritt, der bei den Bandmitgliedern heute noch für Gänsehaut sorgt. Die Band spürte damals, wie sie Barrieren, alleine durch die Kraft ihrer Musik, beseitigen kann. Ein starkes Gefühl der Bestätigung des eigenen Wirkens.
Das verspürt die Band auch, wenn sie erkennt, wie ihre bunten Töne und Texte ihren Weg in das Unterbewusstsein der Zuhörer suchen. Das liegt nicht zuletzt an der Verwendung des Jiddischen, das eine prominente Rolle in der Musik der Jewish Monkeys spielt. Auf Konzerten in Deutschland und Österreich bekäme Jossi Reich oft den Eindruck, dass sich die Leute durch ihre Musik an etwas erinnern, von dem sie nicht wussten, dass sie es vergessen haben. Etwas zurückbringen, wonach vor allem Intellektuelle in diesen Ländern trachten, das ist ebenfalls ein Spezifikum der Jewish Monkeys. Von einer Band, die inhaltlich manchmal in das Derbe geht, von ihren Intentionen und ihrer Zielsetzung aber über Vorbildcharakter verfügt.

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