Nachdenken über den Heldenplatz

Wer wird eigentlich an diesem Ort im Zentrum Wiens geehrt? Wofür wird er sonst genutzt? Und ist es nicht Zeit, den Platz umzugestalten? Ein Blick in die Geschichte des Heldenplatzes und Fragen zu seiner Zukunft.

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Die Hofburg. Der Heldenplatz und die Neue Hofburg mit dem Erzherzog-Karl-Denkmal, um 1910. © Austrian Archives / Imagno / picturedesk.com

Wochenende für Wochenende sorgen die Demonstrationen der Corona-Maßnahmen- und Impfgegner für eine Bilderflut in Nachrichtensendungen, auf News-Portalen und in Social Media. Darauf zu sehen: Österreich-Fahnen in Massen und damit auch eine nationale Vereinnahmung der inzwischen massiv nach rechts abgedrifteten Proteste. Immer wieder im Bild: FPÖChef Herbert Kickl, der hier ein ums andere Mal Brandreden gegen die Regierung hält und sich in einer „Diktatur“ sieht, aber auch der mehrmals wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel.
Was außerdem auffällt: schräge Outfits von weißen Ganzkörperanzügen bis zu mit Alufolie umwickelten Hüten. Seit Monaten sind bereits immer wieder gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ bei diesen Protesten zu sehen – es handelt sich in der Anmutung um die von den Nazis einst Jüdinnen und Juden aufgezwungenen „Judensterne“. Sie irritieren ebenso wie so manches hochgehaltene Schild: Mitte Februar fand sich auf einem ein Foto Adolf Hitlers, darüber die Worte „Impfen macht frei“, darunter die Worte „I’ll be back“.

Hitler-Schild wie Sterne transportieren verquere Botschaften: Rechte bis Rechtsextreme bemühen einen Opferstatus und stellen dabei immer wieder eine Verbindung zum Nationalsozialismus her. Das ist wiederum eine Verharmlosung des NSTerrors und der Schoah, erstens, und zweitens möchte man den Demonstrierenden zurufen: Wärt ihr in einer Diktatur, könntet ihr auch nicht Woche für Woche die Wiener Innenstadt als Aufmarschplatz missbrauchen.
Einer der zentralen Orte dieser Demonstrationen ist der Heldenplatz. Hier versammelt man sich, hier werden immer wieder Reden geschwungen, von hier gibt es Fotos um Fotos. Damit ergibt sich sofort eine gedankliche Brücke: an den Heldenplatz, auf dem die Massen einst Adolf Hitler zujubelten. Aber auch an den Heldenplatz, den Thomas Bernhard 1988 in seinem gleichnamigen Theaterstück – 50 Jahre nach Hitlers Auftritt dort – zeichnete und welcher der österreichischen Gesellschaft in den „Waldheim“-Jahren kein gutes Zeugnis ausstellte: Er legte Kontinuitäten in einem Ausmaß bloß, das weh tat und entsprechend auch für Debatten sorgte. Und schließlich an den Heldenplatz, an demHitler-Schild wie Sterne transportieren verquere Botschaften: Rechte bis Rechtsextreme bemühen einen Opferstatus und stellen dabei immer wieder eine Verbindung zum Nationalsozialismus her. Das ist wiederum eine Verharmlosung des NS

Die Hofburg. Der Heldenplatz und die Neue Hofburg mit dem Erzherzog-Karl-Denkmal, um 1910. © Glückler, Herbert / OeNB-Bildarchiv / photonews.at / picturedesk.com; Starpix / picturedesk.com

Terrors und der Schoah, erstens, und zweitens möchte man den Demonstrierenden zurufen: Wärt ihr in einer Diktatur, könntet ihr auch nicht Woche für Woche die Wiener Innenstadt als Aufmarschplatz missbrauchen. Einer der zentralen Orte dieser Demonstrationen ist der Heldenplatz. Hier versammelt man sich, hier werden immer wieder Reden geschwungen, von hier gibt es Fotos um Fotos. Damit ergibt sich sofort eine gedankliche Brücke: an den Heldenplatz, auf dem die Massen einst Adolf Hitler zujubelten. Aber auch an den Heldenplatz, den Thomas Bernhard 1988 in seinem gleichnamigen Theaterstück – 50 Jahre nach Hitlers Auftritt dort – zeichnete und welcher der österreichischen Gesellschaft in den „Waldheim“-Jahren kein gutes Zeugnis ausstellte: Er legte Kontinuitäten in einem Ausmaß bloß, das weh tat und entsprechend auch für Debatten sorgte. Und schließlich an den Heldenplatz, an dem zwischen 1996 und 2012 deutschnationale schlagende Burschenschaften immer am 8. Mai in der Krypta des Äußeren Burgtores, dem Österreichischen Heldendenkmal, einen Kranz niederlegten und damit für Provokation sorgten: Das Gedenken an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten wirkte Jahr um Jahr wie eine öffentlich dargebotene Verherrlichung des Nationalsozialismus.

Der Heldenplatz erzählt aber auch andere Geschichten. Hier fand 1993 das Lichtermeer statt, ein zivilgesellschaftliches Aufzeigen gegen Fremdenfeindlichkeit, ein Zeichen gegen rechts, gegen den Populismus und Rassismus des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider, gegen dessen „Österreich zuerst“- Volksbegehren. 300.000 Menschen wurden Teil des Lichtermeers – es wurde damit die größte Demonstration der Zweiten Republik. Hier kam es seit 2002 am 8. Mai zu Gegendemonstrationen gegen das Heldengedenken der rechten Burschenschafter, hier findet seit 2013 am 8. Mai das „Fest der Freude“ statt und damit wurde der Tag positiv konnotiert: Gefeiert wird das Ende des NS-Terrorregimes, dabei erinnert man sich an die Opfer des Nationalsozialismus.
Sie stehen auch im Mittelpunkt des zivilgesellschaftlichen Gedenkens am 27. Jänner, dem internationalen Holocaust Gedenktag.

Totengedenken des Korporationsring (WKR) am Jahrestag der Kapitulation Hitler Deutschlands – unter großen Protesten. © Starpix / picturedesk.com

Was sich heute außerdem am Heldenplatz befindet: das Haus der Geschichte, das sich unter der Leitung von Monika Sommer seit 2018 erfolgreich um eine differenzierte und kritische Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte und damit auch mit den Jahren des Nationalsozialismus sowie dessen Nachwirken in den darauffolgenden Jahrzehnten bemüht. Das Museum, das in einem Teil der Neuen Burg neben der Nationalbibliothek untergebracht ist, kämpft allerdings seit Beginn mit Platzproblemen. Die Ausstellungsfläche von 800 Quadratmetern ist doch sehr knapp bemessen, um Zeitgeschichte adäquat zu verhandeln.
Immer wieder streckt das Haus daher seine Arme auch ins Freie, auf den Platz vor der Burg aus – zuletzt wurde hier eine Freiluftausstellung gezeigt, die „das Wiener Modell der Radikalisierung“ offenlegte. Aufgezeigt wurde darin, dass Österreich nicht nur nicht das erste Opfer NS-Deutschlands war, sondern sogar vieles, was an systematischer Verfolgung von Juden und Jüdinnen von den Nationalsozialisten implementiert wurde, zuvor in Wien erprobt worden war: vom Vermögensentzug bis hin zu den Massendeportationen in Konzentrationslager, Ghettos und Vernichtungsstätten im Osten. Doppelt absurd erscheint es dann, dass sich just an diesem Platz zeitgleich Demonstrierende gegen Coronamaßnahmen in eine Linie mit den Opfern von damals stellen. In provisorischen, auf Rasenflächen des Platzes errichteten Ausweichquartieren sind derzeit zudem Einrichtungen des Parlaments untergebracht. Das Haus am Ring brauchte eine Generalsanierung, wenige Gehminuten entfernt finden Plenarsitzungen von National- und Bundesrat in der Hofburg statt. Andere Räumlichkeiten wie etwa Büros fanden am Heldenplatz eine vorübergehende Heimat. Dass der Heldenplatz grundsätzlich Adresse für ein neues Gebäude – oder auch Denkmal – werden könnte, schien bis vor Kurzem nahezu ausgeschlossen. Verwaltet wird der Platz von der Burghauptmannschaft. Und diese ließ bisher eine zusätzliche Bebauung nicht zu. Für das Parlament wurde nun eine Ausnahme gemacht. Wodurch sich die Frage stellt: Wie lange werden die provisorischen Bauten noch stehen? Und was wird danach sein? Sollte man nicht über eine anderweitige mögliche Nutzung des Ortes diskutieren? Sollte man nicht überhaupt über eine Umgestaltung des Platzes sprechen? Warum etwa parken vor der ebenfalls in der Hofburg untergebrachten Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach wie vor Autos? Die Innenstadt wird nach und nach zur Fußgängerzone umgestaltet – aber dieser Platz fungiert nach wie vor als Parkplatz?

 

„Unser Staatssystem, unsere
Regierungsform hat sich noch
nicht eingeschrieben in diesen Platz.“
Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte

 

Ich habe zunächst bei der Parlamentsdirektion nachgefragt, wie lange die provisorischen Bauten noch am Heldenplatz stehen werden.
Parlamentsdirektor Harald Dossi schrieb mir dazu: „Die temporäre Nutzungsbewilligung ist derzeit mit August 2023 befristet.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Wiederinbetriebnahme des Parlamentsgebäudes mit Herbst 2022 geplant. „Die Nutzung der Pavillons wird aber darüber hinaus noch geraume Zeit andauern, da auch im sanierten Parlamentsgebäude nicht alle Organisationseinheiten Platz finden und wir deswegen weitere Flächen in unmittelbarer Parlamentsnähe für den parlamentarischen Betrieb langfristig organisieren müssen. Jedenfalls wird nach vollständiger Absiedlung der Abbau der Pavillons erfolgen.“
Mit Herbst 2023 könnten die temporären Gebäude am Heldenplatz also wieder verschwunden sein – wenn das Parlament bis dahin anderswo Räumlichkeiten gefunden hat. Dossis Worte sind diesbezüglich zögerlich: Wird man bis dahin Büros in Parlamentsnähe bezogen haben? Wann auch immer sich das Parlament aber vom Heldenplatz zurückzieht: Könnte nicht über eine Weiternutzung der Pavillons nachgedacht werden? Oder über einen Neubau an der Stelle, an dem jetzt die Pavillons stehen?

Demonstration der Gegner der Corona-Maßnahmen bei der Rede von Herbert Kickl © Starpix / picturedesk.com

Meine nächste Ansprechpartnerin dazu ist Monika Sommer, die Direktorin des Hauses der Geschichte. Sie sieht am Heldenplatz einerseits eine starke Repräsentation der Republik, etwa durch die Kranzniederlegungen am Nationalfeiertag – die allerdings auch über die Jahrzehnte vom holprigen Umgang Österreichs mit seiner NS-Vergangenheit und mit den NS-Opfern erzählen (mehr dazu später). „Es ist aber auch ein Platz der Zivilgesellschaft, vor allem durch das Lichtermeer 1993.“

Und obwohl der Platz gefühlt von der Monarchie besetzt zu sein scheint, stimmt dies nicht, wie Sommer zu bedenken gibt. Die Neue Burg wurde zwar Mitte des 19. Jahrhunderts geplant, der letzte Trakt sei aber erst 1920 fertiggestellt worden. Und jener Bauteil, der später zum Gedenkort wurde, das Äußere Burgtor, wurde zwar nach der Zerstörung der napoleonischen Truppen 1809 von 1821 bis 1824 wiederaufgebaut. Die erste militärische Gedenkfunktion kam ihm aber erst zu einer Zeit zu, als Österreich bereits mit einem Fuß in der Republik stand. 1916 wurden für Helden des Ersten Weltkriegs 107 metallene Lorbeerkränze im Gebälk des Gebäudes angebracht.
Heidemarie Uhl, Richard Hufschmied und Dieter A. Binder haben in dem 2021 im Böhlau Verlag erschienenen Band Gedächtnisort der Politik die Entwicklung des Gedenkens am Heldenplatz nachgezeichnet. Erst 1934 wurde demnach im Äußeren Burgtor das Österreichische Heldendenkmal eingeweiht. Im linken Flügel befand sich ein Andachtsraum für nicht katholische Konfessionen und darin eine Gedenktafel für den 1934 bei einem nationalsozialistischen Putschversuch ermordeten Kanzler Engelbert Dollfuß, die nach dem „Anschluss“ 1938 entfernt wurde.

Im rechten Teil des Burgtors wurde die Krypta errichtet. In ihr wurde das vom Bildhauer Wilhelm Frass errichtete Denkmal des „Toten Kriegers“ aufgestellt. Dass er bereits zu diesem Zeitpunkt Nationalsozialist war, machte er 1938 im Völkischen Beobachter publik: Er habe im Sockel des Denkmals eine NS-Huldigungsschrift verborgen. Überprüft wurde das erst 2012 unter dem damaligen SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos. Und tatsächlich fand sich in einer Metallhülse ein Schriftstück von Frass, aber überraschenderweise auch ein zweites: eine Gegenschrift seines Mitarbeiters Alfons Riedel.
Doch zurück in die 1930er-Jahre. Von 1934 bis 1938 war die Krypta „der Schauplatz der staatlichen und militärischen Gedenkkultur der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“, formuliert es die Historikerin Uhl, die ich ebenfalls zum Thema Heldenplatz kontaktierte. Am 15. März 1938 legte Adolf Hitler einen Kranz in der Krypta nieder, es war der Tag seiner „Anschluss“-Rede auf dem Balkon der Neuen Burg, der heute just in jenen Teil des Gebäudes fällt, in dem das Haus der Geschichte untergebracht ist. Jeden März kam es daraufhin bis 1945 hier zu Kranzniederlegungen am offiziellen nationalsozialistischen „Heldengedenktag“.

 

„Ich glaube, man muss sich trauen,
den Heldenplatz und die Neue Burg größer und neu zu denken.“
Monika Sommer

 

1945 brachte auch hier eine Zäsur. Ab Ende der 1940er-Jahre gab es zunächst sonntägliche Messen in der Krypta, ab 1951 legten der Verband der Unabhängigen (VdU), die Vorläuferpartei der FPÖ, und Kameradschaftsverbände Kränze vor dem Soldatendenkmal nieder. 1955 fand nach Abschluss des Staatsvertrags das erste Totengdenken für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs unter Beteiligung von Vertretern der Regierung und des Bundesheeres statt. Organisiert wurde die Feier vom Österreichischen Kameradschaftsbund, erzählt Uhl.

Bis 2011 sollte das Bundesheer nun jedes Jahr zu Allerseelen das militärische Totengedenken in der Krypta abhalten. 1959 wurden dazu auch die Jahreszahlen 1939 und 1945 angebracht – „damit wurden die gefallenen Wehrmachtssoldaten offiziell in das staatlich-militärische Gedenken der Republik Österreich integriert“, merkt Uhl an. „Das stand im Widerspruch zur Opferthese.“

1965 wurde ein Weiheraum mit einem Denkmal für den österreichischen Widerstand eingerichtet und dort am ersten Nationalfeiertag, dem 26. Oktober 1965, ein Kranz von der Regierung niedergelegt. Von 1966 bis 2011 legten Bundespräsident und Bundesregierung am Nationalfeiertag jeweils Kränze sowohl in der Krypta als auch im Weiheraum nieder. 1996 begannen dann deutschnationale Burschenschaften am 8. Mai einen Kranz in der Krypta niederzulegen und betrauerten dabei die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Nach und nach entwickelte sich eine Gegenbewegung zu dieser Gedenkkultur – es formierte sich die Plattform Jetzt Zeichen setzen, der auch die Israelitische Kultusgemeinde angehört.

2012 sollte vieles verändern: Am 27. April fand anlässlich des Jahrestags der Gründung der Zweiten Republik zum letzten Mal eine Kranzniederlegung der Regierung vor dem Kriegerdenkmal von Frass statt. Nachdem der grüne Abgeordnete Harald Walser darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sich nicht nur einfache Soldaten, sondern mit Josef Vallaster auch ein Massenmörder in den Totenbüchern fand, wurden diese aus der Krypta entfernt und dem Staatsarchiv übergeben. Nun entschied man sich auch dazu nachzusehen, ob sich im Sockel des Kriegerdenkmals tatsächlich eine NS-Huldigungsschrift befand, was sich schließlich ja bewahrheiten sollte. Das Verteidigungsministerium untersagte daraufhin alle Kranzniederlegungen vor der Skulptur. „Das war schon ein starkes Zeichen“, sagt Uhl.

Parlamentsaußenstelle: temporäre Büros im provisorischen Gebäude auf dem Rasen. © Stefan F¸rtbauer / picturedesk.com; Starpix / picturedesk.com

Von 2012 bis 2015 wurden die Kranzniederlegungen am Nationalfeiertag und das militärische Totengedenken nicht mehr vor dem Denkmal des toten Kriegers, sondern vor der 2002 errichteten Gedenktafel für die Angehörigen des Bundesheeres der Zweiten Republik durchgeführt. Seit 2013 gibt es am 8. Mai Feierlichkeiten in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und das Ende des NS-Terrorregimes, das Bundesheer hält dabei eine Mahnwache vor der Krypta ab, das Mauthausen Komitee Österreich veranstaltet das Fest der Freude. 2013 gab das Verteidigungsministerium auch den Startschuss für eine Neugestaltung des Heldendenkmals. In der Folge wurde die Krypta säkularisiert und zu einem Ausstellungsraum. 2015 widmete sich die erste Schau dem Kriegsende 1945, 2016/17 die Ausstellung Letzte Orte vor der Deportation den Sammellagern in Wien und den Deportationen vom Wiener Aspangbahnhof aus. 2019 wurde in der Ehrenhalle ein neues Ehrenmal des Bundesheeres errichtet, seitdem findet das militärische Totengedenken dort statt. Nur der Weiheraum steht nun für Kranzniederlegungen am Nationalfeiertag zur Verfügung. Doch dieser Weiheraum wurde ja 1965 zur Ehrung des Widerstands eingerichtet – „er ist nur den politischen Widerstandskämpfern gewidmet, alle anderen Opfergruppen kommen nicht vor“, betont Uhl.

Was in diesem Hin und Her auffällt: Die Republik hatte ihre Mühe, sich bezüglich der Mitverantwortung für die Gräuel des Nationalsozialismus zu positionieren. Und: Keines der Denkmale am Heldenplatz würdigt eben die Opfer des Nationalsozialismus. In Wien gibt es für die jüdischen Opfer das Holocaust-Mahnmal von Rachel Whiteread, wo inzwischen vom offiziellen Österreich am Holocaust-Gedenktag Kränze niedergelegt werden. Und dieses Jahr wurde die Schoah-Namensmauer eröffnet. Auch diese könnte Ort künftiger offizieller Zeremonien werden, meint Sommer. Dennoch mache sich am Heldenplatz eine Leerstelle bemerkbar. „Es braucht ein neues Gesamtkonzept, bei dem es eben auch ein Zeichen der Mitverantwortung für die NS-Zeit gibt“, meint die Direktorin des Hauses der Geschichte. Dies könnte ein neues Denkmal oder auch die Umgestaltung des Äußeren Burgtors sein.
Es brauche nicht nur ein Denkmal für alle Opfer des Nationalsozialismus, sondern einen noch grundsätzlicheren Gedenkort, einen, der die Republik präsentiert. „Es braucht einen ehrenden Ort des Gedenkens“, sagt Sommer. „Für mich hat sich das auch nach dem Anschlag im November 2020 gezeigt: Letztendlich hat man doch wieder den Stephansdom für eine Gedenkveranstaltung gewählt. Was spannend ist: dass man einen Ort, der eindeutig einer Konfession zugeordnet ist, für ein Gedenken wählt, dessen Rahmen überkonfessionell hätte sein müssen. Es gibt keinen säkularen Ort für Gedenken von bundesweiter Relevanz.“ In diese Kerbe schlägt auch Uhl. „Die momentane Situation ist unbefriedigend. Von einem Nationaldenkmal kann man beim Heldendenkmal nicht sprechen. Und es gibt nichts, was als nationales Symbol der Republik am Heldenplatz steht.“ Wie aber ließe sich das auflösen? „Ich glaube, man muss sich trauen, den Heldenplatz und die Neue Burg größer und neu zu denken“, sagt Sommer. Ob sie hier auch an mehr Fläche für das Haus der Geschichte denkt? Nun, meint die Direktorin, einerseits sei der Heldenplatz der beste Platz zum Ausverhandeln von Zeitgeschichte, aber ja, mehr Ausstellungsräumlichkeiten wären natürlich fein. Eine Möglichkeit wäre ein Aufbau am Äußeren Burgtor, „so wie die Kuppel des Reichstags in Berlin, das ist ein starkes Zeichen“. Und was wäre eben mit jenen Flächen, auf denen nun die Ausweichquartiere des Parlaments errichtet wurden? „Diese Standorte sind prinzipiell toll und wären auch ein starkes symbolisches Zeichen einer selbstbewussten Zweiten Republik.“ Vor allem aber gibt sie zu bedenken: „Unser Staatssystem, unsere Regierungsform hat sich noch nicht in diesen Platz eingeschrieben.“

Corona-Denkmal der Hoffnung von Emmerich Weissenberger und Nora Ruzsics © Starpix / picturedesk.com

Ähnlich formuliert es auch Uhl: „Es gibt nichts, was als nationales Symbol der Republik am Heldenplatz steht.“ Ein Wettbewerb für ein neues Denkmal könne nur schiefgehen, befürchtet sie allerdings. „Wie auch das Einheitsdenkmal in Berlin zeigt, kann moderne Kunst eine solche Denkmalaufgabe nicht gut lösen.“ Die Historikerin hat aber einen anderen Vorschlag: Es gibt bereits ein Republikdenkmal, das derzeit im Schweizergarten steht und das kaum jemand kenne. Nur einmal, 2015, fanden die staatlich-militärischen Republiksgründungsfeierlichkeiten im April bei diesem Denkmal statt. Dieses wurde zum Gedenken an die Errichtung der Ersten und Zweiten Republik errichtet. Damit hätte man nicht nur einen offiziellen Ort für Kranzniederlegungen. „Solche Denkmale sind auch Treffpunkte für Demonstrationen, für zivilgesellschaftliche Forderungen.“

Die Pavillons für das Parlament haben hier jedenfalls einen neuen Debattenraum eröffnet. Auch wenn sie nur temporär geplant wurden, zeigen sie, dass sich der Heldenplatz durchaus umgestalten ließe, sofern die Burghauptmannschaft ihr Okay dazu gibt. Dort hüllt man sich allerdings in Schweigen, eine diesbezügliche Anfrage wurde nicht beantwortet. Am Ende wird es aber ohnehin eine Frage sein, die die politisch Verantwortlichen zu klären haben. Wird der Heldenplatz in seiner jetzigen Form seinem Namen gerecht? Und ja, dass der Bundespräsident dort Social-Media-wirksam immer wieder seinen Hund äußerln führt, ist charmant. Doch welcher andere ähnliche Platz in einer europäischen Metropole ist im Alltag abseits von Demonstrationen und Kranzniederlegungen vor allem eines: Hundezone?

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