Für diese Studie wurden dieses Frühjahr österreichweit knapp 2.200 Menschen zwischen 16 und 75 Jahren befragt. Bei den Fragestellungen orientierte man sich – auch zwecks Vergleichbarkeit der Ergebnisse – an den deutschen Mitten-Studien sowie der Leipziger AutoritarismusStudie. Das DÖW widmete sich in einem Frageblock auch dem Thema Antisemitismus – die Ergebnisse sind, vor allem auch im Vergleich mit den Einstellungen in Deutschland, bedrückend. Demnach werden althergebrachte antisemitische Ansichten in Österreich noch immer von einem größeren Anteil der Befragten vertreten (15 bis 23 Prozent) als etwa in der jüngsten Leipziger Studie (sieben Prozent).
Was auffällt: Die Zustimmung zu diesem so genanntem tradierten Antisemitismus ist im Vergleich mit anderen Kategorien in Österreich noch die niedrigste. Demnach stimmten zwischen 15 und 23 Prozent der Befragten eher oder voll und ganz zu, „dass der Einfluss von Juden und Jüdinnen auch heute noch zu groß ist“ oder „dass Juden und Jüdinnen mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiten, um das zu erreichen, was sie wollen“. Befragte mit ausgeprägten rechtsextremen Einstellungen befürworteten diese Aussagen sogar mit zwischen 43 und 52 Prozent.
Weit mehr Zustimmung der Bevölkerung finden heute im Schnitt aber Aussagen, die auf Israel-bezogenen Antisemitismus hinweisen. Zwischen 22 und 42 Prozent waren demnach eher oder voll und ganz der Meinung, „dass ihn elische Politik immer unsympathischer werden“, „dass Israels Politik in Palästina genauso schlimm ist wie die Politik der Nazis im Zweiten Weltkrieg“ und „dass – auch wenn andere Nationen ihre Schattenseiten haben mögen, so doch – die Verbrechen Israels am schwersten wiegen“.
Weit verbreitet ist zudem auch der sogenannte „Schuldabwehrantisemitismus“. Zwischen 35 und 49 Prozent der Befragten stimmten diesen Aussagen zu: „Es macht mich wütend, dass die Übergriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg immer als kleineres Verbrechen angesehen werden; Entschädigungen, die Österreich zahlt, nutzen oft gar nicht den Opfern, sondern einer Holocaust-Industrie von findigen Anwälten; die Diskussion über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust sollte beendet werden.“
Wie erklärt DÖW-Leiter Andreas Kranebitter die Tatsache, dass antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung in Österreich stärker ausgeprägt sind als in Deutschland? „Wir sehen einen Teil der Erklärung in der unterschiedlichen Verarbeitung der NS-Erfahrung: Internalisierung in der BRD, Universalisierung in der DDR und Externalisierung in Österreich. Die langwierige These von Österreich als erstem Opfer hatte hier immer schon einen ganz anderen Umgang mit dem Antisemitismus zur Folge, insbesondere in der politischen Kultur. Dabei wäre zu diskutieren, inwieweit das tatsächlich zu geringeren antisemitischen Einstellungen in Deutschland geführt hat oder lediglich zu größerer Tabuisierung und dementsprechenden Deklarationseffekten in Umfragen.“