Neuer Wein in neuen Schläuchen

Der Weinbau geht in Israel auf biblische Zeiten zurück. Heute hat sich eine kleine, feine Branche mit ihren Exporten international ein beachtliches Renommee erarbeitet.

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Eine stille Revolution hat stattgefunden in den Kellern und Weingärten von Israel“, schreibt die renommierte Weinexpertin Jancis Robinson auf ihrer Website. Robinson ist vor allem für ihre Kolumne in der Wochenendausgabe der Londoner Financial Times bekannt. Und sie verfügt nicht nur über ein umfassendes Wissen zu europäischen Weingütern, sondern berichtet auch regelmäßig aus der neuen Welt, aus Kalifornien, Argentinien, Chile, Südafrika, Australien und Neuseeland.

In einem kurzen Überblick würdigt sie die israelischen Produzenten: Eine Zeitlang sei Yarden ohne Herausforderer an der Spitze der modernen israelischen Weinmacher gestanden, doch jetzt gebe es eine Reihe von weiteren Qualitätsproduzenten – in mehreren Regionen: „Castel erzeugt in den judäischen Hügeln einige feine Kopien von roten Bordeaux und weißen Burgundern“, schreibt Robinson. „Dalton bringt einen sehr glaubhaften Sauvignon Blanc im nördlichen Galiläa zustande, wo auch Margalit einen fantastischen Merlot produziert. Im ganzen Land wird sehr gut ausbalancierter Cabernet Sauvignon gepflanzt.“

Robinson ist nicht die einzige aus der globalen Weinpublizistik, die Israel seit Kurzem auf der Landkarte hat. So berichtete etwa vor zwei Jahren der Wine Spectator von einer Verkostungsreise durch das Land. Dabei erhielten von den 120 getesteten Weinen mehr als 30 ein exzellentes Ranking von über 90 Punkten. Und auch die beiden Weingurus Robert Parker und Hugh Johnson haben mittlerweile ihre persönlichen Lieblinge in Israel gefunden – und jeweils hoch bewertet.

Seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts
hat sich im israelischen Weinbau vieles radikal
zum Besseren verändert. Die Formulierung „Revolution“ ist wohl nicht zu hoch angesetzt.

Der israelische Wein hatte ein massives Glaubwürdigkeitsproblem – und hat es teilweise noch immer. Denn über viele Jahrzehnte dominierten die picksüßen Kiddusch-Weine, in den USA vor allem von Manischewitz vertrieben. Dann versuchten sich einige Exportweingüter in einer primitiven Californication – und erzeugten Cabernets, die mehr nach Holz schmeckten denn nach Trauben. Das zerstörte den nichtreligiösen Markt nachdrücklich. Doch seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich im israelischen Weinbau vieles radikal zum Besseren verändert – und Robinsons Formulierung von der „Revolution“ ist wohl nicht zu hoch angesetzt.

Nicht billiger, sondern besser. Das Geschäftsmodell koscherer süßer Wein niedriger Qualitäten ließ sich aus mehreren Gründen nicht mehr aufrecht halten. Zunächst einmal begannen auch Winzer in Italien, Frankreich, Österreich und anderen Ländern, für ihre jüdischen Gemeinden koschere Weine zu erzeugen – Konkurrenz und Preisdruck waren die Folge. Dann schulten jüdische Konsumenten ihre Gaumen und gaben sich nicht mehr mit zweitklassigen Produkten zufrieden. Und schließlich ist Israel von den Kosten her kein Billigland – allein die fast überall ständig notwendige Bewässerung fordert ihren Tribut.

Daher war eine Hinwendung zu höheren Qualitäten, die auch im Export gute Preise erzielen, eine logische Entwicklung. Unterstützt wurde sie durch neue Winzergenerationen, die auf eine ähnlich gute Ausbildung verweisen konnten wie ihre Altersgenossen in der IT-Industrie. Ein typisches Beispiel: Eran Pick ist Weinmacher im Qualitätsweingut Tzora in den judäischen Hügeln. Er war in der Armee Hubschrauberpilot und absolvierte dann ein Weinbau- und Önologie-Studium an der University of California. Seine praktischen Erfahrungen sammelte er unter anderem im Chateau Lafite Rotschild in Bordeaux, bei Torbreck in Australien und bei J im kalifornischen Sonoma County. Zusätzlich engagierte Pick noch Jean-Claude Berrouet als Berater, dieser hatte lange Jahre für einige der besten Güter der Welt gearbeitet, etwa in Burgund für Chateau Pétrus.

 

Israel ist eine der ältesten Weinregionen der Welt und erlebte in den letzten Jahren eine Revolution.

Pick erzeugt Spitzenweine, und diese sind koscher. Das kostet zwar einigen Aufwand (siehe den Kasten: Wie wird Wein koscher?), sichert ihm aber einen größeren Markt, inkludiert religiöse Juden in Israel und im Ausland. Damit ist der Weinmacher kein Einzelfall: Eine ganze Reihe von israelischen Gütern hat in den letzten Jahren auf koschere Produktion umgestellt.

Die höhere Qualität der israelischen Weine hat auch auf Konsum und Genuss im Land durchgeschlagen.

Die israelische Weinbranche ist eigentlich recht überschaubar. Von der Fläche, von der Zahl der Produzenten und von der erzeugten Menge her liegt sie etwa bei einem Zehntel ihres österreichischen Äquivalents: So vergleichen sich etwa 5.500 Hektar Weingärten in Israel mit 46.000 Hektar in Österreich. Nur die Exporte Israels machen vergleichsweise einen höheren Anteil aus: Im Jahr 2015 erreichten diese einen vorläufigen Höchststand von 39 Mio. Dollar – mit kräftigen Zuwächsen in Asien.

Die Basis für diesen Unterschied: Die Österreicher trinken einen Großteil ihrer Weine selbst, nur relativ wenig wird ins Ausland geliefert. Israel wiederum ist (noch) kein Land der Weintrinker. Das hat mehrere Gründe: Israelis konsumieren im täglichen Leben insgesamt weniger Alkohol, Bier ist noch immer populärer als Wein, und die letzte große Einwandererwelle, die der Russen, hat andere Prioritäten gesetzt. Auf deren Restauranttischen finden sich eher Wodka- als Weinflaschen. Nur der Weinmarkt für rituellen Gebrauch ist stabil, wenn nicht wachsend.

Die offiziellen Statistiken gehen in Israel von etwas mehr als 300 Produzenten aus. Davon gelten 60 als kommerzielle, größere, der Rest wird als „Boutique- oder Garagenproduzenten“ qualifiziert. Die Konzentration ist enorm: Die fünf größten Weingüter allein erzeugen etwa drei Viertel der Gesamtproduktion: Carmel, Barkan, Golan Heights, Teperberg 1870 und Arza.

Koscheren Wein zu erzeugen, bedarf der Einhaltung vieler Vorschriften und macht die Produktion damit sehr aufwändig.

Was die Weinbaugebiete angeht, so sind diese auch in einem kleinen Land sehr unterschiedlich. Mit Abstand führt Galiläa mit mehr als 40 Prozent der Rebfläche, dabei handelt es sich eigentlich um zwei Regionen, eine im Norden Israels an der Grenze zum Libanon sowie um die Weingärten auf den besetzten Golanhöhen. Hier ist in Israel das Klima am kühlsten, im internationalen Vergleich wachsen auch manche Reben in sehr hohen Lagen, über 1.100 Meter. Mit 27 Prozent Flächenanteil folgt ein gänzlich anderes Gebiet. Samson in der zentralen Küstenebene südöstlich von Tel Aviv ist flach und feuchtheiß. Shomron – 17 Prozent der Rebfläche – liegt an den Hängen des Carmel nahe Haifa. Hier kühlen die Brisen vom Meer die mediterranen Hitzen. Zehn Prozent der Weinbauflächen werden den judäischen Hügeln zugerechnet, die meisten Güter liegen westlich von Jerusalem, mit wenigen Ausreißern in den Siedlergebieten im Osten der heiligen Stadt. Fünf Prozent der Weinflächen finden sich mittlerweile im Negev, auch dort eher in höheren Lagen. Ausgepflanzt konnte hier nur dank Tröpfchenbewässerung werden, aber die kalten Wüstennächte sind neben den hohen Tagestemperaturen der Weinqualität nicht gerade abträglich.

Die höhere Qualität der israelischen Weine hat auch auf Konsum und Genuss im Land durchgeschlagen. Nicht nur in der so genannten Blase von Tel Aviv ist es schick geworden, Wein zu trinken. Auch die Zeitungen veröffentlichen regelmäßig ihre Bestenlisten, Vinotheken und Spezialgeschäfte sind entstanden, die Weingüter haben ausgebaut und bieten Kellertouren, Besichtigungen und Verkostungen an. Und es gibt bereits erste Wine Spas in der Spitzenhotellerie.


Wie wird Wein koscher?
Zunächst einmal dürfen mit dem Wein selbst und seiner Produktion nur Männer zu tun haben, die den Schabbat einhalten, also gläubige Juden. Das bedeutet etwa im Fall mancher israelischer Weinmacher, die weniger religiös sind, dass sie zwar Anweisungen geben können, aber selbst nicht ihr Traubenmaterial berühren. Überdies darf im Wein nichts anderes enthalten sein außer dem vergorenen Traubensaft, also kein Zucker und keine künstlichen Hefen. Der Maschgiach kontrolliert penibel die Sauberkeit im Keller – die Flaschen müssen außerdem jedes Mal neu sein und dürfen kein zweites Mal befüllt werden.
Auch bei den Produktionsschritten davor gelten mehrere lange überlieferte Regeln. Die Weinstöcke dürfen erst zur Weinerzeugung herangezogen werden, wenn sie zumindest vier Jahre alt sind. Mischkultur im Weingarten ist verboten, also das Nebeneinander von Weinstöcken und Gemüse. Ebenso nicht erlaubt ist das Klären des Weins mit – tierisch gewonnener – Gelatine. Jedes siebente Jahr muss der Weingarten ruhen, und ein Prozent der Produktion soll den Armen zugute kommen.

Artikel weiterlesen: https://www.wina-magazin.at/moses-rabbiner-und-rothschild/

Bilder © Flash 90

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