New Schaliach in town

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Der Schomer hat sich über die Jahrzehnte nicht nur in Wien, sondern weltweit verändert. Die vermittelten Werte heute lauten: Sozialismus, Zionismus und modernes Judentum, erzählt Lior Sela, der neue Schaliach des Wiener Ken, im Gespräch mit wina. Von Alexia Weiss

Er sei erst als Jugendlicher über einen Freund zum Schomer gekommen, sagt Lior Sela. „Ich kann mich noch gut an meinen erstes Mal dort erinnern, an diesen Moment, der alles verändert hat. Der Schomer wurde meine zweite Familie. Meine besten Freunde habe ich dort kennen gelernt.“ Vier Jahre war Sela Madrich, und nachdem er die Schule erfolgreich abgeschlossen hatte leitete er, bevor er seinen Armeedienst antrat, der am Ende zehn Jahre dauern sollte, ein Jahr lang einen Ken in Jerusalem.

Die Unterschiede zwischen dem Schomer, wie er ihn in Israel erlebt, und dem Schomer in Wien, wie er ihn in den vergangenen Wochen kennen gelernt habe, seien doch erheblich, erzählt Sela, betont aber gleichzeitig: das heiße nicht, dass es in Israel besser sei, sondern eben einfach nur anders. „In Israel ist es selbstverständlich, Teil einer Jugendbewegung zu sein. Und man ist dann auch mehrmals pro Woche dort, mindestens zwei bis drei Mal. In Österreich nehmen die Kinder und Jugendliche die Schule ernster. Zu schwänzen und stattdessen etwas für den Schomer vorzubereiten, so wie das in meiner Jugend gang und gäbe war, kommt für die Kids hier nicht in Frage. Sie lernen hier bis in den Abend hinein und sind insgesamt sehr beschäftigt – umso anerkennenswerter ist es, wie sehr sie sich doch im Schomer engagieren. In Israel ist es aber mehr eine way of life.“

„Natürlich würde es mich freuen, wenn auch hier alle Bogrim irgendwann nach Israel gehen. Aber das ist nicht realistisch. Was wir brauchen, sind Menschen, die sich in der Gemeinde engagieren.“

Ob in Tel Aviv, Rischon LeZion, der Heimat Selas, Jerusalem oder Wien: Die Aufgabe des Schomers sieht der neue Schaliach im Vermitteln von dessen Werten. Diese lauten heute: Sozialismus, Zionismus – und modernes Judentum. Auf Letzteres will Sela in den kommenden Jahren sein besonderes Augenmerk legen. Er ist aktuell dabei, ein Angebot für die Sechs- und Siebenjährigen zu konzipieren. In einem Pre-Schomer sollen sie künftig vor dem regulären Start im Alter von acht Jahren Basics des Judentums vermittelt bekommen. „Es ist wichtig, die ursprünglichen Texte zu lesen und zu kennen“, betont Sela. Auch die Sommer-Machanes will er ein wenig anders gestalten. Das Wandern soll – so wie in Israel üblich – im Vordergrund stehen.

Wobei der neue Schaliach gleichzeitig betont: Im Unterschied zu anderen Jugendorganisationen sei es im Schomer nicht üblich, dass Erwachsene den Kindern und Jugendlichen sagen, was sie zu tun hätten. Das Besondere sei ja, dass sich die Kids selbst organisieren, selbst entscheiden. Er wolle dabei aber Stütze sein und einen geeigneten Rahmen vorgeben. In einem Pre-Schomer ein bisschen etwas über die Feiertage zu lernen, halte er für hilfreich für spätere Aktivitäten. Und gibt dabei zu bedenken: Gerade für Kinder, die weder eine jüdische Schule besuchen noch in einem observanten Haushalt aufwachsen, sei der Schomer der Ort, an dem ihre jüdische Identität gebildet und gefestigt werde. Dieser Aufgabe will Sela verantwortungsvoll nachkommen.

Engagierte Jugend, starke Gemeinden

Ursprünglich war das Ziel des Haschomer Hatzair, auf die Alija vorzubereiten. „Natürlich würde es mich freuen, wenn auch hier alle Bogrim irgendwann nach Israel gehen. Aber das ist nicht realistisch. Was wir brauchen, sind Menschen, die sich in der Gemeinde engagieren. Und starke jüdische Gemeinden, die in ihren Ländern gute Kontakte zur Politik pflegen, sind wiederum eine wichtige Stütze für den Staat Israel. Ansonsten wären wir sehr isoliert. Hier hat sich auch von Seiten des israelischen Staates ein Wandel in der Wahrnehmung vollzogen.“

Sich innerhalb der jüdischen Gemeinde zu engagieren ist Lior Sela insgesamt sehr wichtig. Stärker als bisher will er daher den Wiener Schomer auch politisch involvieren – sich sichtbar engagieren, wenn beispielsweise von der Wiener Gemeinde demonstriert wird. Ein Freund Israels zu sein bedeute aber nicht, vor konstruktiver Kritik zurückzuscheuen, betont Sela auch. Vieles laufe aktuell in seiner Heimat nicht optimal – es gebe eine soziale Schieflage, und wenn der öffentliche Haushalt sparen müsse, dann passiere das im Sozialen und bei der Gesundheit. Die Militärbudgets würden dagegen nicht beschnitten. Obwohl er selbst lange in der Armee war, hat er dafür wenig Verständnis. „Es geht um die Menschen.“
hashomerhatzair.at

ZUR PERSON
Lior Sela, geb. 1983 in Rechovot, Israel; wuchs auf diversen Militärbasen in Israel auf, jeweils dort, wo der Vater stationiert war. Familiäre Wurzeln hat Sela sowohl in Marokko als auch in Rumänien. Im Alter von neun Jahren Umzug nach Rischon LeZion, dort Beendigung der Schule. Danach ein Jahr verantwortlich für einen Schomer-Ken in Jerusalem, schließlich zehn Jahre beim Militär, dort hochgedient bis zum Kompaniechef. Entscheidung, sich zum Geschichtelehrer ausbilden zu lassen – zum Abschluss dieses Studiums fehlen nur noch wenige Prüfungen. Seit diesem Frühjahr Schaliach im Schomer Ken Tel Amal und Haschomer Hatzair Wien. Sela ist verheiratet.

Foto: © Ron Malaev

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