Nikolaus Kunrath organisiert seit Jahren Gedenkkundgebungen im Namen der Wiener Grünen, aber auch für die Plattform Jetzt Zeichen setzen!. Mit uns sprach er über sein Engagement, wie auch über den Abend des heurigen Burschenschafterballs. Von Alexia Weiss
wina: „Jetzt Zeichen setzen!“ bemüht sich seit einigen Jahren um ein würdiges Gedenken der NS-Zeit und ein öffentlichkeitswirksames Auftreten gegen Ausgrenzung und Rechtsextremismus. Was konnte die Plattform – der je nach Veranstaltung Institutionen von SOS Mitmensch über die Israelitische Kultusgemeinde bis zu politischen Fraktionen wie Grüne oder SPÖ sowie kirchliche Einrichtungen angehören – bisher bewirken?
Nikolaus Kunrath: Ich glaube zwei Dinge: einerseits eben eine Plattform zu schaffen, in der man sich untereinander austauscht, die gemeinsame Veranstaltungen organisiert, anstatt dass 17 verschiedene Organisationen etwas machen und dann kommen jeweils 100 Leute. Gemeinsam etwas planen, und es kommen zehn Mal mehr Menschen. Und zweitens haben wir gezeigt, wie man am Heldenplatz friedliche Kundgebungen machen kann. Zuletzt gab es am 8. Mai 2013 – zwar nicht mehr unter dem Label „Jetzt Zeichen setzen!“, sondern mit dem Mauthausen-Komitee als Hauptveranstalter – eine phänomenal große Veranstaltung, das Fest der Freude, das mehr als 10.000 Menschen auf den Heldenplatz gebracht hat.
Berührend war heuer die Gedenkkundgebung von „Jetzt Zeichen setzen!“ am 27. Jänner am Heldenplatz, bei der eine Überlebende erstmals öffentlich über ihre Erinnerungen an Auschwitz sprach. Leider kamen nur ein paar hundert Leute. Warum ist es schwer, hier zu mobilisieren?
Ich habe es toll gefunden, wie viele gekommen sind – 400 bis 500 Menschen. Das ist jedes Jahr ungefähr die Zahl, die kommt, und für einen Montagnachmittag um fünf Uhr ist das nicht so schlecht. Uns und mir ist es wichtig, jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt zu setzen. Was Miriam Auerbach heuer erzählt hat, war wirklich sehr berührend. Aber es gab nicht nur jüdische Opfer, und deshalb hat für die Roma auch Rudolf Sarközi gesprochen. Nächstes Jahr wird es wieder einen anderen Schwerpunkt geben. Vergessen wird zum Beispiel oft, wie viele kommunistische Widerstandskämpfer in KZs umgebracht wurden.
Jetzt Zeichen setzen! ist eine Plattform von Institutionen und Organisationen, die gemeinsam zu Kundgebungen und Veranstaltungen aufruft beziehungsweise einlädt. Von Event zu Event differiert die Liste der Aufrufenden. Für die Kundgebung am Holocaustgedenktag am 27. Jänner haben beispielsweise Organisationen wie Asyl in Not, die Bundesjugendvertretung, diverse Grüne und SPÖ-Organisationen, der Verein Gedenkdienst, Zara, das Mauthausen-Komitee, aber auch die österreichische HochschülerInnenschaft, SOS Mitmensch, das Literaturhaus Wien, die IKG, die Gewerkschaftsjugend oder Einzelpersonen wie Doron Rabinovici aufgerufen. jetztzeichensetzen.at
Auf facebook war zu lesen, es sei schade, dass bei solchen Anlässen mehrheitlich jüdische Menschen kommen. Jetzt gibt es das „Fest der Freude“ am 8. Mai – reicht das aus oder sollte man eben auch den Internationalen Holocaustgedenktag am 27. Jänner in Österreich größer begehen?
Erstens weiß ich, dass nicht nur Jüdinnen und Juden kommen. Und was das Gedenken betrifft: Ich möchte keine Konkurrenz schaffen zwischen dem 27. Jänner, dem 5. Mai, da wurde Mauthausen befreit, dem 8. Mai und dem 9./10. November. Das sind alles würdige Tage, die begangen werden müssen. Interessant war: Als wir, die Grünen, angefangen haben, am 8. Mai am Heldenplatz unter einem Plakat, auf dem stand „Wer heute nicht feiert, hat verloren“, Sekt zu trinken, haben die ÖsterreicherInnen, die vorbeigekommen sind, das nicht verstanden. Und dann sind TouristInnen vorbeispaziert, und die haben sofort gewusst, was los ist. In vielen Ländern gibt es ein Bewusstsein dafür, dass an diesem Tag die deutsche Wehrmacht ihre Kapitulation erklärt hat, ob das nun in Großbritannien, der Ukraine oder Italien ist. Und das ist der Unterschied.
Warum ist Ihnen persönlich Gedenkarbeit – ob nun bei den Grünen oder auch über „Jetzt Zeichen setzen!“ – so ein Anliegen?
Das hängt mit meiner persönlichen Geschichte zusammen. Ich bin in einer protestantischen Familie aufgewachsen. Martin Luther King war da ein Thema, spätestens als ich zu meiner Konfirmation vom Pfarrer ein Buch über ihn geschenkt bekommen habe. Ich bin außerdem in einer Schule gewesen, in der das erste Mal Menschen mit körperlichen Einschränkungen und nicht behinderte Menschen gemeinsam unterrichtet wurden.