„Hier sind wir zuhause, das ist unsere Kultur“
Franz Josef Kuglitsch, Österreichs Botschafter in Tel Aviv, spricht Ivrith und wünscht sich noch mehr Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern im Gespräch mit Marta S. Halpert
wina: Beim Empfang zum Nationalfeiertag in der Residenz in Herzliya haben Sie Ihre Gäste komplett überrascht: Sie hielten eine freie Rede in bestem Ivrith. Sie sind erst seit Januar 2012 in Israel akkreditiert, wie haben Sie das geschafft?

Franz Josef Kuglitsch: Mit einer Stunde pro Woche und einer Lehrerin, die ins Büro kommt, habe ich vor eineinhalb Jahren mit dem Lernen begonnen. Ein Vorteil ist, dass meine Frau auch Ivrith lernt und in einen Ulpan geht. Und wenn wir einmal zuhause sind, dann lesen wir am Abend Hebräisch und das ist wie ein kleiner Wettbewerb, der spornt an. Ich kann es natürlich nicht sehr gut, und in die erwähnte Rede habe ich einiges an Arbeit gesteckt. Ich glaube aber, das wird von den israelischen Gästen geschätzt: Man sieht, dass man sich für das Land interessiert, in die Sprache und letztlich auch in die Kultur investiert.
wina: Sie sind jetzt knapp zwei Jahre hier, haben sich Ihre Erwartungen in Bezug auf die Beziehungen zwischen Österreich und Israel bestätigt?
FJK: Die Beziehungen sind gut, wir hatten auch hochrangige Besucher aus Österreich hier, z. B. Justizministerin Karl, den Herrn Vizekanzler, den Verteidigungsminister wegen UNDOF. Zweimal war Stadtrat Mailath-Pokorny hier und auch der frühere Grünen-Chef Alexander van der Bellen besuchte Israel mit einer Studiengruppe. Also es gibt durchaus Berührungspunkte und gegenseitiges Interesse. Ich wünsche mir, dass in Zukunft der Besucheraustausch noch intensiver wird. Wir hatten mehr österreichische Besucher hier als umgekehrt. Im Juni war der israelische Wissenschaftsminister Yaakov Perry bei seinem Kollegen Töchterle in Wien und Justizministerin Tzipi Livni bei der Mauthausen-Eröffnung im Mai, aber das war schon alles. Wir hoffen auch, dass die Kontakte auf parlamentarischer Ebene bald weitergeführt werden können. Der Generalsekretär des Außenministerium, Johannes Kyrle, war in meiner Zeit schon zwei Mal hier, der politische Direktor Jan Kickert kam erst kürzlich zu Gesprächen nach Israel.
wina: Welche Agenden stehen da auf dem Programm?
FJK: Die ganze Palette der Nahostpolitik, das Kennzeichnen der Produkte aus der Westbank, die EU-„Guidelines“ u. v. a. Es ist wichtig, dass man diesen laufenden Austausch aus erster Hand hat, damit die Israelis dann von österreichischen Positionen oder einem Abstimmungsverhalten nicht allzu sehr überrascht sind. Ein ständiger, intensiver Dialog ist daher wichtig.
wina: Hat sich Ihr Blick auf Israel und seine Probleme seit Ihrem Aufenthalt hier verändert?
FJK: Ja, natürlich: Ich habe ja in meiner Zeit in Brüssel und in Washington auch die andere Seite der Medaille gesehen, es ging sehr oft um das Nahostthema. Aber das Bild ist komplexer, als man es von außen wahrnehmen kann. Hier schaut es differenzierter aus, man findet besser heraus, wo die Interessen sind und wie die Menschen denken. Ich bin sieben Jahre in Brüssel gewesen, und ich weiß nicht mehr, wie viele Nahostbeschlüsse wir verabschiedet haben. Man kann von dort nur an die Sachen herangehen mit dem Wissensstand, den man hat.
wina: Ist Brüssel ein Feindbild in Israel?