Pariser Falafel

Chez Hanna ist eines der typischen koscheren Lokale im Herz des jüdischen Viertels, in der Rue des Rosiers.

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© Reinhard Engel

WINA TIPP
CHEZ HANNA
54 rue des Rosiers
75004 Paris
Täglich von 11:30 bis 00:00 Uhr
Reservierungen: +33 (0)1 42 74 74 99
chezhanna-restaurant.fr

Er hat seinen Kinder-Burger und die Pommes Frites schon fast geschafft und plaudert ohne Atemholen auf Mutter und Großmutter ein. Die beiden sephardischen Frauen und der schwarzgelockte Bub sitzen im eng bestuhlten Schanigarten von Chez Hanna und genießen ihren Sonntagmittag. Hier wird kein Sessel kalt: Kaum hat eine Partie fertiggegessen, nimmt schon die nächste Platz, noch bevor abgeräumt wurde. Auch drinnen ist trotz des schönen Wetters kein Tisch leer, und vor der Take-out-Ecke hat sich eine lange Schlange von Parisern und Touristen gebildet. Am Grill arbeiten drei Köche schnell, routiniert und ohne Hektik. Sie sind den Ansturm gewöhnt.

Wir sind in der Rue des Rosiers, einer der traditionellen Straßen des Marais, des jüdischen Viertels von Paris. Sie ist nach den Rosenbüschen benannt, die hier einst neben der Stadtmauer blühten. Dieser Bezirk konnte der visionären, aber auch brutalen Modernisierung von Baron Haussmann entgehen, hier dürfen sich die kleinen Gässchen des alten Paris noch winden. Und hier hat es auch viele Generationen von Juden gegeben, die wegen der oft äußerst schlechten Bedingungen in ihren Heimatländern hergezogen sind. Es kamen nicht nur Sepharden, sondern am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auch viele Aschkenasi aus Russland, Ungarn und Galizien und prägten die Gemeinde.

Typisch koscher, typisch Paris: Im Chez Hanna mischen sich mitten im historischen Marais-Viertel Tradition und Gegenwart auf das Feinste. © Reinhard Engel

Das lange Zeit bekannteste Lokal hier, „Goldenberg“ – Paprikasch hat es noch besucht – wurde 1982 für den modernen antijüdischen Schrecken bekannt, als hier in jenem Jahr palästinensische Terroristen ein Bombenattentat verübten – und sechs Menschen töteten sowie 22 verletzten. Längst ist in dem ehemaligen Restaurant mit koscherer osteuropäischer Küche eine Boutique eingezogen.

Diesen Wandel kommentiert auch einer der alteingesessenen jüdischen Unternehmer, der Besitzer der koscheren Bäckerei gegenüber von Chez Hanna, Alain Korcarz: „Ja, das Viertel hat sich offensichtlich verändert, ich bin in der Rue des Rosiers geboren, und sie ist nicht mehr das, was sie war. Es gab die Rue des Rosiers im Krieg mit ihren Bäckereien, Konditoreien, koscheren Metzgereien, es gab die Rue des Rosiers mit ihren Pizzerien und Modegeschäften, und jetzt ist sie zur Rue des Rosiers des Falafel geworden. Das einzig Beständige ist der Wandel.“

Chez Hanna ist eines von mehreren modernen koscheren Restaurants, es bezeichnet sich selbst als marokkanisch-israelisch, und entsprechend liest sich auch die Speisekarte: das köstliche knusprigfrische Falafel-Special mit Tahina auf israelischem Salat, (18 €), Schwarma vom Truthahn (22 €), Rindfleisch-Bällchen (22 €) oder marokkanisches Huhn (20 €). Der mittelscharfe türkische Salat (8,50 €) verweist auf eine andere regionale Tradition der Sepharden. Die cremige Hühnerleber (12 €), die nicht, wie so oft, vom Zwiebelgeschmack völlig überdeckt ist, kann hingegen ihre osteuropäische Abstammung nicht verleugnen.

Die Nachspeisen wiederum könnten jeder arabischen Bäckerei alle Ehre machen, dick mit Honig getränktes Halva oder Baklawa. Das ist zwar eine Verlockung für Naschkatzen, wer aber etwas für die ungarische, polnische oder russische Neschume sucht, überquert nach dem Hauptgang lieber mit wenigen Schritten die enge Gasse und holt sich bei Korcarz einen Fluden mit Mohn- oder Nussfülle.

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