Pop ist kein Schimpfwort

Zak Abel hat mit seinen 23 Jahren schon einiges zu erzählen: In Teenagerjahren ist er im Tischtennis äußerst erfolgreich unterwegs und gehört zu den besten Spielern in Großbritannien. Doch dann verschiebt sich der Fokus immer stärker Richtung Musik, das Versprechen einer Sportlerkarriere erfüllt sich nicht. Für den Londoner verschmerzbar, läuft es doch mit der Musik ausgesprochen gut. Dass er optisch wie aus seinem 50er-Jahre-Hollywood-Film entsprungen aussieht und auf Instagram durchaus Modelfähigkeit beweist, ist dafür sicher kein Nachteil.

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© Daniel Shaked

Die Liebe zur Musik besteht bei Zak Abel, bürgerlich Zak David Zilesnick, seit Kindheitstagen. Der erste Höhepunkt ereignet sich während seiner Zeit an der Primary School. Damals gewinnt Abel einen Wettbewerb, der ihm ermöglicht, bei den Jom-haAtzma’ut-Feierlichkeiten im ehrwürdigen Wembley-Stadion zu singen. Wichtig für die Passion zur Musik ist dabei seine Mutter, durch sie lernt er den 70er-Jahre-Soul kennen. Zak vertieft sich fortan in die Musik von Al Green, Bobby Womack oder Marvin Gaye, er nimmt jeden Ton als Inspirationsquelle heran und zeigt sich überwältig von den Arrangements. „Die Stimmen sind voller Soul. Man glaubt ihnen einfach, was sie singen. Das ist das höchste Level an Musik“, wie er im Interview mit WINA vor seinem Gig beim Waves Vienna Music Festival meint. Zu diesem Konglomerat an Inspirationsquellen kommt dann noch der „King of Pop“, Michael Jackson, hinzu, der ihn tief beeindruckt.

Eine kurze Teenagerphase der Rebellion, in der er sich musikalisch von seiner stilsicheren Mutter emanzipieren will, bleibt folgenlos. Im Alter von 14 Jahren greift Abel das erste Mal zu Papier und Bleistift, um Texte zu schreiben. Mit Paolo Nutini und Daniel Merriweather sind zu dieser Zeit Künstler prominent in den Charts vertreten, deren Musik von einer ausdrucksstarken Stimme lebt. Auf eine Weise, wie sie Abel von seinen 70er-Jahre-Vorbildern schätzt. Nur verpacken Nutini und Kollegen diese in ein modernes, poppiges Arrangement. Eine Richtung, die Abel mit seiner Musik ebenfalls einschlagen will.

Eine Jugend zwischen Tischtennis und Musik. Doch neben der Musik stehen die frühen Jugendjahre ganz im Zeichen des Sports. Im örtlichen Maccabi-Center lernt er einen Tischtennislehrer kennen, der ihn nicht nur sportlich fördert, sondern auch eine wichtige Bezugsperson wird. Im Alter von 12 Jahren verliert Zak Abel seinen Vater, die Mutter zieht ihren Sohn alleine groß. Keine leichte Situation. Im Tischtennis blüht er richtig auf, erringt bei Jugendspielen Sieg um Sieg und klettert in den Ranglisten nach ganz oben. Je älter Abel wird, desto mehr gerät allerdings der Sport trotz der zahlreichen Erfolge in den Hintergrund.

»Die Menschen sollen sich schon
eine Message aus den Songs holen,
das ist mir wichtig.«

Zak Abel

Ohne Wehmut blickt er heute auf seine Zeit im Sport zurück. Eher mit Dankbarkeit über die Tugenden, die er dort erlernen konnte und die sich heute im harten Musikgeschäft bezahlt machen: „Im Tischtennis lernst du, deine Fähigkeiten zu schärfen. Das ist in der Musik ungemein wichtig“, erzählt Abel. Dass er dazu in der Lage ist, beweist er einer breiten Öffentlichkeit im Jahr 2014, als er als Feature auf der Single Unmissable des Deep-House-Duos Gorgon City in Erscheinung tritt. Der Song wird zu einem kommerziellen Ausrufezeichen und sichert Zak Abel den ersten Eintritt in die britischen Singlecharts.

Mit Message, aber eingängig. In Richtung Charts sollte er in den Folgejahren immer wieder abzielen. Regelmäßig arbeitet er mit Produzenten aus dem EDM-Bereich zusammen, 2015 kommt es gar zu einer Kollaboration mit dem schwedischen Diskothekenkönig Avicii, der den Song Ten More Days mit der warmen, souligen Gesangstimme Zak Abels in eine musikalisch wertige Richtung lenkt. Chartmusik ist für ihn mehr als vertretbar, Pop kein Schimpfwort: „Ich liebe es, wenn die Leute bei meinen Konzerten mitsingen. Wenn die Produktion zu komplex wird, ist das oft nicht möglich. Die Menschen sollen sich schon eine Message aus den Songs holen, das ist mir wichtig. Aber es soll eingängig verpackt sein“, skizziert er seinen stilistischen Zugang, der jedoch genauso Kollaborationen mit anspruchsvollen Premiumproduzenten wie Kaytranada oder Tom Misch mit einschließt.

Zak Abel: Only when we’re naked. Das Debütalbum und die Single Love Song.

Unabhängig davon, mit wem er sich ins Studio begibt, die Qualität der Lyrics ist für ihn immer außerordentlich bedeutsam. Das betont er in unserem Gespräch ausdrücklich. Auf seinem Debütalbum Only when we’re naked aus dem Jahr 2017, das auf Platz 100 der britischen Albumcharts einsteigt, arbeitet er mit einigen der prominentesten Songwriter im Popgeschäft zusammen, da­runter Amy Wadge oder Guy Chambers, die sonst Kaliber wie Ed Sheeran oder Robbie Williams beim Songwriting unterstützen.

Alles, was berührt. Politische Töne sucht man auf seinem Debüt vergebens, am ehesten wagt er sich auf The River dort heran. Hier thematisiert Abel ein real stattgefundenes Gespräch mit einem Taxifahrer, dessen Frauenbild ihm zuwider war. Andererseits hat er mit der Auffassung recht, dass die thematische Größe eines Songs eine höchst subjektive Angelegenheit ist: „Ein großes Thema in der Musik kann alles sein, was die Menschen auf irgendeine Weise berührt. Es kann wirklich alles sein. Auf meinem nächsten Album habe ich aber einen Song über Mental Health, der ist mir besonders wichtig“, erzählt der Sänger.

Über die gegenwärtigen politischen Umbrüche in Großbritannien hat Zak Abel nicht viel zu sagen, was in gleicher Weise auf die Antisemitismusvorfälle um Labour-Party-Chef Jeremy Corbyn zutrifft: „Ich kann nur sagen, dass ich, abseits einiger Bemerkungen über Juden in der Schule, in meinem Leben nie Antisemitismus erfahren habe. Darüber bin ich sehr froh. Ich weiß aber nicht, was sonst in Großbritannien in dieser Hinsicht los ist.“ Angesprochen auf Religion, fällt die Antwort ähnlich knapp aus: „Religion ist sicher eine nützliche Sache als moralischer Kompass oder Wertesystem. Aber ich würde mich selbst nicht als religiös beschreiben.“ Spirituelle oder politische Statements werden einem also kaum auf den nächsten Werken von Zak Abel begegnen. Dass ihm zukünftig die Inspirationen ausgehen werden, scheint hinsichtlich seines bisherigen Lebensweges aber kaum vorstellbar. 

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