Religionsfreiheit sticht Hetze

In regelmäßigen Abständen poppen hier zu Lande Debatten auf, die in die Religionsfreiheit eingreifen – ob das nun das Kopftuch von Muslimas oder das koschere sowie halal Schlachten ist.

1981
Zeichnung: Karin Fasching

Der Feldzug, den die niederösterreichischen Freiheitlichen seit Jahren gegen das Schächten führen, mündete diesen Sommer angesichts merkwürdiger Erlasspläne des Landesrats Gottfried Waldhäusl in eine bundesweite Debatte über das koschere und halal Schlachten. Ja, wünschenswert wäre ein grundlegendes Umdenken, was den Umgang mit Nutztieren sowie die Produktion und den Konsum von Fleisch betrifft. Doch davon ist wenig zu hören. Die Argumente Tierschutz und Kampf gegen zu lange Tiertransporte wurden hier von den Freiheitlichen nur hervorgeholt, als es um das Schächten ging. Eine mehr als fadenscheinige Argumentation.

Es ist nicht das erste Mal, dass Vorstöße solcher Art mit der Religionsfreiheit kollidieren. Vielmehr: Es hat den Anschein, eine solche Debatte geht in die nächste über. Wie ist das nun mit dem Tragen des Kopftuchs durch Muslimas? Dürfen sie das in bestimmten Berufen? Oder im Kindesalter? Und wer entscheidet das? Vom derzeitigen Verkehrsminister Norbert Hofer war 2016 auch zu hören, das Kopftuch sei aus Schulen, Universitäten und dem öffentlichen Dienst gänzlich zu verbannen.

Die Religionsfreiheit ist in Österreich
in der Verfassung verankert
und damit
ein Grundrecht.

SOS Mitmensch veröffentlichte im August ein Dossier zum Thema Religionsfreiheit. Es sei vor allem den Wertebeschwörern sehr ans Herz gelegt. Die Religionsfreiheit ist in Österreich in der Verfassung verankert und damit ein Grundrecht. Das bedeutet, dass sie im Parlament nur mit Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten eingeschränkt oder abgeschafft werden kann. Grundlegende Verfassungsänderungen bedürfen zudem einer verpflichtend durchzuführenden Volksabstimmung.

Wie der Verfassungsjurist Theo Öhlinger außerdem festhält: „Die Religionsfreiheit steht am Beginn der Idee der Menschenrechte. Mit ihr endeten die grausamen Verfolgungen von Andersgläubigen in Europa.“ Und weiter: „Religionsfreiheit setzt nicht nur Toleranz des Staates, sondern auch wechselseitige Toleranz der Menschen voraus.“

Hier sind wir meiner Meinung nach beim Kern der Sache: Das gemeinsame Miteinander wird von vielen Politikern zunehmend nicht nur nicht mehr gewollt, es werden Unterschiede so lange herausgearbeitet, bis sie zum Konflikt hochstilisiert werden. Und leider geht diese populistische Saat immer wieder auf. Egal, ob es die Beschneidung (Kinderrechte!), das Schächten (Tierschutz!) oder das Kopftuch (Frauenrechte!) ist. Der Diskurs orientiert sich nur mehr am entweder oder und nicht mehr am sowohl als auch oder sogar einer Verbindung der vermeintlichen Gegensätze.

Die Religionsfreiheit schützt übrigens nicht nur die Ausübung von Religion, sie schützt, wie SOS Mitmensch unterstreicht, auch vor dem Zwang zu einem religiösen Bekenntnis. „Es werden also ebenso atheistische und agnostische Weltanschauungen vor Eingriffen geschützt, Religionsfreiheit bedeutet in diesem Zusammenhang also nicht bloß den Schutz der Religion, sondern auch den Schutz vor Religion.“ Sich für die Religionsfreiheit einzusetzen, stünde also allen gut an: jenen, die ihre Religion in Frieden ausüben wollen, und jenen, die mit Religion nichts am Hut haben. Denn eines muss auch klar sein: Erlässe wie jener des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, dass in allen öffentlichen Gebäuden ein Kreuz aufzuhängen ist, bringen hier einen Schritt rückwärts: Sie zwingen allen, auch Konfessionslosen oder Mitgliedern einer anderen Religionsgemeinschaft, ein christliches Symbol auf. Darüber sollte diskutiert werden.


INFO:
Dossier von SOS Mitmensch zum Thema Religionsfreiheitsosmitmensch.at/religionsfreiheit-fragen-antworten

 

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