Rot, weiß, koscher

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Seit mehr als 30 Jahren keltert das burgenländische Weingut Hafner koschere Weine. Diese werden in 20 Länder exportiert. Von Reinhard Engel

Von außen sieht das „House of Hafner“ aus wie so manches andere burgenländische Weingut. Aber in der Abfüllhalle hat neben dem Besitzer, Julius Hafner III., ein bärtiger Herr mit schwarzer Kippa das Sagen.

Vor einer blank glänzenden Abfüllanlage aus Nirosta-Stahl steht Israel Liechtenstein, der Maschgiach, und konzentriert sich. Immer wieder einmal muss er die Maschine abstellen, weil sich etwas verklemmt hat. Dann drückt er erleichtert den großen roten Knopf, und die kobaldblauen Weinflaschen fahren an einem Kontroll-Lichtschirm vorbei zum Füllen. „Jetzt kenne ich die Anlage schon recht gut“, erzählt er, „schließlich mache ich das schon einige Jahre“. Liechtenstein agiert hier als Vertreter des Wiener Rabbiners A. Y. Schwartz. Er sorgt dafür, dass der Wein koscher, also rein hergestellt wird.

Mit seiner vielfältigen Ausbildung und Sinn für die Ideen und Visionen seines Vaters führt Julius Hafner III. heute mit großem Erfolg den Familienbesitz im burgenländischen Mönchhof.

Was bedeutet das? Etwas vereinfacht: dass mit dem Wein selbst und seiner Produktion nur Männer zu tun haben, die den Schabbat einhalten, also gläubige Juden.
Und dass im Wein nichts enthalten ist außer dem vergorenen Traubensaft. Der Maschgiach kontrolliert also die Sauberkeit im Keller – die Flaschen müssen außerdem neu sein und dürfen kein zweites Mal befüllt werden. Auch bei den Produktionsschritten davor gelten mehrere, lange überlieferte Regeln. Die Weinstöcke dürfen erst zur Weinerzeugung herangezogen werden, wenn sie zumindest vier Jahre alt sind; Mischkultur im Weingarten ist verboten, also das Nebeneinander von Weinstöcken und Gemüse; und bei der Produktion selbst dürfen keine Zusätze in den Wein gegeben werden, seien es Zucker oder künstliche Hefen. Ebenso ist das Klären des Weins mit – tierisch gewonnener – Gelatine verboten.

Was die naturnahe Bewirtschaftung betrifft, sind die jüdischen Vorschriften und die modernen ökologischen Methoden übrigens gar nicht so weit voneinander entfernt. Und Hafner ist mittlerweile seit 2008 auch bei Austria Biogarantie als Bioweingut zertifiziert.

Zollschranken vor der EU

Warum unterwirft sich ein burgenländischer Weinbauer trotz des strengen österreichischen Weingesetzes noch zusätzlich diesen religiösen Geboten? Hafner erzählt, dass sein Vater im Jahr 1980 mit dem Erzeugen von koscherem Wein begonnen habe. Damals waren Vertreter der jüdischen Gemeinde aus Wien mit ihm ins Gespräch gekommen, nicht zuletzt gab es auch finanzielle Gründe. Auf den in anderen Ländern – Israel, Frankreich, Italien – hergestellten koscheren Weinen lasteten in der Zeit vor Österreichs EU-Beitritt noch hohe Einfuhrzölle. Im Inland sollte man diese doch günstiger produzieren können, lautete die Überlegung. Überdies gab es im Burgenland, als es noch zum ungarischen Teil des Habsburger Reichs gehörte, in den so genannten sieben Gemeinden – Sheva Kehillot – eine alte Tradition des Weinbaus mit anerkannt guter Qualität.

Freilich, anfangs musste man sich erst aneinander gewöhnen, erzählte einst Hafner Senior, der 2005 bei einem Autounfall ums Leben kam, einem Reporter: „Wenn einmal ein Gerät nicht funktioniert hat, dann hat man halt automatisch hingegriffen, wollte es richten. Doch das ist strengstens verboten.“ Für seinen Sohn stellt das keine Probleme mehr dar. Der Weinbauer, der nebenbei in Eisenstadt die Fachhochschule für internationale Wirtschaftsbeziehungen absolviert hat und den Magister-Titel führt, vertraut Maschgiach Liechtenstein beim Hantieren mit den teuren Geräten.

Hafner kann die Business-Ausbildung und seine Sprachkenntnisse in Englisch, Französisch und ein wenig Ungarisch gut gebrauchen. Denn seit den Anfängen der Koscherwein-Produktion hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Heute gehen fast 90 Prozent der Weine in den Export, in mehr als 20 Länder, vor allem nach Deutschland, Frankreich, in die USA und nach Kanada. Aus den Hafner’schen Weingärten kommt ein umfangreiches, abgerundetes Programm: von den süßen, roten Kiddusch-Weinen bis zum modernen, trockenen Chardonnay, der auch für Diabetiker geeignet ist; vom tiefroten Zweigelt bis zur goldgelben Trockenbeerenauslese. Sogar koschere Eisweine keltert Hafner, freilich gewährt ihm die Natur das nicht jedes Jahr. Insgesamt hat das Gut 50 verschiedene Koscher-Produkte im Angebot.

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Besonders stolz ist der Weinbauer darauf, dass er zuhause und auch international eine erhebliche Anzahl von Prämierungen erringen konnte. Das mag für einen sorgfältigen burgenländischen Winzer nichts Ungewöhnliches sein. Aber Hafner ist mit einem Handicap angetreten. Seine koscheren Weine sind – mit wenigen Ausnahmen – mevushal. Das heißt, sie wurden kurz erhitzt, und da braucht es ein ganz besonderes Können, damit die Pasteurisierung den Wein nicht zerstört, die Weißen geschmacklos werden lässt und aus den Roten blasse, rosa Wässerchen macht. Die Erhitzung wird durchgeführt, damit auch Nicht-Juden die Weine öffnen und servieren dürfen. Und das ist bei zahlreichen Veranstaltungen mit wechselndem Kurzzeitpersonal immer wieder notwendig – ob im Wiener Rathaus oder bei Bar Mitzwas oder Hochzeiten in den unterschiedlichsten Hotels oder Event-Locations.

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