Scharfzüngig, witzig und romantisch

Eine neue Biografie beschreibt Leben und Werk der amerikanischen Journalistin, Drehbuchautorin und Filmregisseurin Nora Ephron, die vor zehn Jahren gestorben ist.

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Nora Ephron in ihrer New Yorker Wohnung im November 2010. Die Autorin und Regisseurin lebte bis zuletzt selbstbewusst und selbstständig. © LUCAS JACKSON / REUTERS / picturedesk.com

Sally: Ich hätte den Kuchen gerne heiß, aber das Eis nicht oben drauf, ich möchte es daneben. Und wenn es geht, Erdbeere statt Vanille, falls Sie es haben. Wenn nicht, dann gar kein Eis, nur Schlagobers, aber auch nur, wenn es echt ist. Wenn es aus der Dose ist, dann gar nichts.
Kellnerin: Auch nicht den Kuchen?
Sally: Nein, dann nur den Kuchen, aber nicht heiß.

Aus dem Film „Harry und Sally“

Warum bekam Nora ihren Namen? Nach der berühmten Figur in Henrik Ibsens Stück Ein Puppenhaus. Das war natürlich kein Zufall, die Eltern der 1941 in New York geborenen Nora Ephron, Henry und Phoebe, schrieben selbst Theaterstücke, dann Drehbücher in Hollywood. Und Nora würde in ihre Fußstapfen treten, wohl viel später, aber dann auch gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Delia.

Die Ephron-Eltern waren schon in den USA geboren, stammten aber von jüdischen Einwanderern aus Osteruropa ab, vor allem aus Belarus. Phoebes Mädchenname war Wolkind. Während die beiden zunächst für New Yorker Theater schrieben, zogen sie mit der kleinen Nora nach Kalifornien, wo das Kino boomte und sie gute Aufträge als Drehbuchautoren bekamen. Nora besuchte dort die Schule und graduierte an der Beverly Hills High School, um dann zum Politikwissenschaftsstudium an das renommierte Wellesley College für Frauen in Massachusetts zu übersiedeln. Aber ihre Interessen galten auch der Literatur, schon während ihrer HighschoolZeit hatte sie gesagt, sie würde einmal Journalistin werden, am Studentenblatt Wellesley News arbeitete sie dann bereits mit. Ihr erster Job führte sie allerdings in die Politik, nach Washington als Praktikantin ins Weiße Haus von John F. Kennedy. Die journalistischen Anfänge sollten dann frustrierend werden. Beim Magazin Newsweek in New York begann sie mit Botengängen und als Fakten-Checkerin im Archiv. Als sie ihr Interesse an einem Reporter-Job bekundete, wurde ihr gesagt, Frauen kämen dafür nicht in Frage. Sie wehrte sich dagegen gemeinsam mit anderen Kolleginnen mit einer Antidiskriminierungsklage.

Kristin Marguerite Doidge: Nora Ephron: A Life. Chicago Review Press 2022, 304 S., 33,99 €

Aber sie wartete diese nicht ab, sondern wechselte zum Boulevardblatt New York Post, dort durfte sie als Reporterin über unterschiedlichste Themen berichten – von Morden über Gerichtsverfahren bis zu Stars und Prominenten. Sie beschrieb etwa die Ankunft der Beatles in New York oder die Hochzeit der Tochter von Präsident Lyndon B. Johnson, „mit 1.511 Rosinen in der Torte“. „Viele dieser Artikel erschienen auf der Titelseite“, schreibt ihre Biografin Kristin Marguerite Doidge. „Sie war gut, und man wurde auf sie aufmerksam.“

Nach fünf Jahren bei der Post traute sie sich schon mehr zu. Sie begann im Männermagazin Esquire Essays über Frauenthemen zu schreiben. Mit spitzer Feder. Dabei legte sie sich durchaus auch mit bekannte Feministinnen an, sie kritisierte ihre ehemalige Universität Wellesley, trotz akademischem Anspruch bloß Generationen von braven, unterdrückten Hausfrauen produziert zu haben. Dabei enttäuschte sie auch eine Reihe von Studienkolleginnen, die sie namentlich aus privaten Gesprächen zitierte, ohne dass diese wussten, dass sie das einmal veröffentlichen würde. Später sollte sie dann von Feministinnen kritisiert werden, weil sie zu wenig hart sei, weil sie für ihre Filmkomödien Happy Ends schrieb.

Nach einer gescheiterten Ehe mit dem Journalisten und Autor Dan Greenberg hatte Ephron 1976 den Reporter der Washington Post Carl Bernstein geheiratet, bekam mit ihm auch zwei Söhne. Bernstein deckte mit einem Kollegen bei der Post, Bob Woodward, den Watergate-Skandal auf. Dies wurde dann – sehr erfolgreich – verfilmt, mit Dustin Hoffman und Robert Redford als Reporter. Ephron hatte gemeinsam mit ihrem Mann Bernstein dazu an einem Drehbuch gearbeitet, dieses wurde dann allerdings nicht verwendet. Es war dennoch für sie ein erster Einstieg in die neue Branche.

Die Ehe ging in die Brüche, Ephron verzieh Bernstein seine Affären nicht. Sie rächte sich mit einem Roman, Heartburn, der sich ganz offensichtlich an dem Rosenkrieg der beiden orientierte. Er wurde äußerst erfolgreich – einige Jahre später dann auch als Film. Ihre erste Drehbucharbeit war allerdings einem ernsteren Thema gewidmet. Gemeinsam mit Alice Arlen bearbeitete sie die Geschichte der Whistleblowerin Karen Silkwood, die Vergiftungen von Arbeiterinnen in einer Nuklearfabrik an die Öffentlichkeit geleakt hatte und unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. Meryl Streep spielte die Hauptrolle, der Film brachte Ephron eine erste Nominierung bei den Academy Awards für das Drehbuch ein, ebenso Streep für die Hauptrolle.

„[…] sie war auch großzügig, loyal, konnte eine
liebenswürdige Freundin und Mentorin sein.“
Kristin Marguerite Doidge

Jetzt begann für Ephron eine aufregende Zeit in Hollywood, mit Höhepunkten und Tiefs, man ließ sie Drehbücher umarbeiten, die dann nie in Filme mündeten, Projekte wurden verschoben, zwischen den Studios hin und her verkauft, kaum wiedererkennbar dann doch gefilmt, Budgets über Nacht drastisch zusammengestutzt.

Doch Ephron konnte sich durchsetzen, ihre romantische Komödie Harry und Sally wurde ein Hit, es war die erste Zusammenarbeit mit Meg Ryan und Billy Crystal. Dabei hatte es auch hier im Vorfeld umfangreiche Umstellungen und Veränderungen gegeben. So hätte ursprünglich die weibliche Hauptdarstellerin jüdisch und der Partner nicht jüdisch sein sollen, mit Crystal und Ryan drehte sich das dann um. Eine der meist zitierten Szenen entstand überhaupt erst beim Drehen, nämlich als Ryan an einem Restauranttisch in Katz’s Deli lautstark einen Orgasmus vortäuscht. Eine ältere Dame an einem Nebentisch, übrigens die Mutter des Regisseurs Rob Reiner, sagt darauf hin trocken zum Kellner: „Genau das hätte ich auch gerne.“ Ephron wagte sich zunehmend auch ins Regiefach vor und verfilmte ihre eigenen Drehbücher – einige Male in Kooperation mit ihrer Schwester Delia. Mehrere dieser Filme wurden extrem erfolgreich, und ihre Biografin Doidge listet als Beleg dafür die amerikanischen und internationalen Einspielergebnisse auf: So erwirtschaftete etwa Schlaflos in Seattle mit Meg Ryan und Tom Hanks 270 Mio. Dollar, Julie & Julia mit Meryl Streep und Amy Adams 124 Mio., Aufgelegt mit Meg Ryan, Diane Keaton und Walter Matthau 210 Mio. und Michael mit John Travolta und Andy McDowell 184 Mio..

Ephron schaffte diese Erfolge freilich nicht nur mit ihrem fröhlichen Lächeln. Sie war eine extrem sorgfältige Planerin und Regisseurin, bestand strikt darauf, dass ihre Vorgaben auch penibel umgesetzt würden, scheute auch nicht davor zurück, noch beim Drehen am Set Schauspieler zu ersetzen. „Sie konnte beinhart, um nicht zu sagen grausam sein in ihrem Schreiben und in ihrer Kritik“, so die Biografin Doidge. „Aber sie war auch großzügig, loyal, konnte eine liebenswürdige Freundin und Mentorin sein.“ Trotz ihrer stressigen Filmarbeit schaffte Ephron in ihren letzten Jahren auch noch eine Reihe von scharfzüngigen Essays, die auch gesammelt in Buchform erschienen, etwa Der Hals lügt nie. Mein Leben als Frau in den besten Jahren (2006) oder Ich kann mir alles merken. Nur nicht mehr so lange (2011).

Die Krebsdiagnose kam dann überraschend, riss sie im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Leben. Im Juni 2012 starb Nora Ephron in New York 71-jährig an Leukämie. Ihre Biografin zitiert Ephron auch mit einer trotzig-sarkastischen Bemerkung über das Lebensende: „Es ist äußerst wichtig, dass man sein letztes Mahl isst, bevor es das letzte Mal ist. Denn sonst kann es einem passieren, dass man es mit so etwas wie einem Tunfisch-Sandwich veschwendet.“

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