Shira Karmon: Hier schließen sich berufliche und private Kreise

SHIRA KARMON studierte in Tel Aviv und an der Manhattan School of Music. Die israelische Sopranistin ist sowohl im klassischen Opern- und Konzertrepertoire wie auch in jüdischer Musik beheimatet. Sie ist Preisträgerin des Israelischen Musikinstituts sowie des Wettbewerbs Lied des 20. und 21. Jahrhunderts. Dieses Jahr singt sie die Titelpartie der Madama Butterfly in Jerusalem; im Herbst erscheint ihre CD The Spirit of Hope mit Paul Gulda. Seit 2014 lebt sie in Wien.

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© Ronnie Niedermeyer

Wien ist für mich ein Ort, an dem sich berufliche und private Kreise schließen. Ich kam in Israel zur Welt, wohin meine Großeltern väterlicherseits um 1920 aus Ungarn emigriert waren. Leider habe ich meinen Großvater, Moshe Kremer, nicht persönlich gekannt: Er diente in der k. u. k. Armee und arbeitete später für Meir Dizengoff in Tel Aviv. In der Familie schwingt bis heute eine gewisse verklärende Begeisterung für den alten Kaiser durch: „Der war gut zu uns.“ Mein Vater, Klavierstimmer und Maler, änderte seinen Familiennamen von Kremer auf Karmon. Meine Mutter war eine der Krankenschwestern Ben Gurions im Tel Hashomer. 1935 waren ihre Eltern – nach einer zionistischen Ausbildung – aus Leipzig und Saarbrücken in das gelobte Land eingewandert. Wenn meine Großeltern nur wüssten, wie ich heute fließend Deutsch spreche …! Ihre Muttersprache wandten sie nur an, wenn sie etwas vor ihren Kindern geheimhalten wollten. Meine Kenntnis der deutschen Sprache hat sich erst durch mein Interesse am deutschen Lied entwickelt. Meine Schwester und ich wuchsen in einer multikulturellen Atmosphäre auf. Musik aller Genres war in unserer Wohnung in Ramat Gan zu hören: von Mozart bis zu brasilianischem Bossa Nova, von Pink Floyd bis zur Johannes-Passion. Die Leidenschaft für den Gesang war schon in meiner Kindheit zu spüren, sei es in den Schulzeremonien zu Jom haSikaron oder in der Band der Pfadfinder. Immer wieder wurde ich als Solistin eingeteilt. Ab 16 bekam ich bei der in Graz geborenen Sylvia Shamai Gesangsunterricht; mit 20 entdeckte ich die Opernbühne. Am selben Tag, an dem ich meinen Militärdienst beendete, begann ich das Studium an der Music Academy in Tel Aviv. Dann war New York an der Reihe, um an der Manhattan School of Music den Master im Fach „Opera Performance“ abzuschließen. Ein erstes Engagement kam am Saarländischen Staatstheater zustande: Das konnte mein Großvater aus Saarbrücken leider nicht mehr miterleben! Bald darauf wurde ich in der Rolle der Donna Elvira in Bayern engagiert. Dort lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen, der in Salzburg und Wien aufgewachsen war. Aus beruflichen Gründen zogen wir gemeinsam nach Passau, wo unsere beiden Kinder zur Welt kamen. Doch sehnte ich mich nach einer großen, pulsierenden Stadt mit jüdischem Leben und vielfältigem kulturellem Angebot, wie ich es von meiner Kindheit in Israel kannte. Es stellte sich heraus, dass ich in Wien eine Verwandte habe. Ende 2014 übersiedelten wir hierher. Die jüdische Gemeinde nahm mich herzlich auf, und ich gewöhnte mich sofort an das Leben in Wien. Nicht zuletzt wegen der vielen Grünflächen und des besten öffentlichen Verkehrssystems, das ich kenne.

Tipp: Der Ort, an dem ich mich am liebsten verabrede – sei es privat oder beruflich –, ist das Café Ansari in der Leopoldstadt. Die internationale, offene Atmosphäre zieht Alt und Jung an und lädt zum Entspannen ein. Nur wenige Meter entfernt, auf der Praterstraße 25, lebte Theodor Herzl von 1878 bis 1882.

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