Stiller Torgarant

1984

Omer Damari tut auch bei der Austria, was er am besten kann: Tore schießen. Abseits des Feldes präsentiert sich die israelische Neuerwerbung eher zurückhaltend. Dass er auch anders kann, hat der Stürmer rund um seinen Abschied von Hapoel Tel Aviv bewiesen. Von Reinhard Krennhuber*   

Omer Damari grinst freundlich, als er im Schlepptau von Austria-Pressesprecher Christoph Pflug um die Ecke des Viola-Pubs biegt. Der 25-jährige Stürmer hat den Sprachunterricht hinter und das Nachmittagstraining vor sich. Mehr als ein „Hallo“ bringt er auf Deutsch aber noch nicht über die Lippen – zumindest nicht vor dem Mikrofon. Das Interview gibt er auf Englisch, zwischendurch wechseln Damari und der israelische Kollege, der  unsere Abordnung verstärkt, ein paar hebräische Worte. Aber auch in seiner Muttersprache bleibt der Austria-Neuzugang eher schüchtern. Damari scheint es zu bevorzugen, seine Tore sprechen zu lassen. Vier waren es in den letzten beiden Spielen für das israelische Nationalteam in der EM-Qualifikation. Erst am Vorabend ist er nach den Siegen gegen Zypern und Andorra, in dem er einen Hattrick erzielte, wieder in Wien angekommen.

Ambition und Aufstieg
Torjäger. In der letzten Saison hat Damari 26 Tore für seinen Verein Hapoel Tel Aviv erzielt. (Bild: © Daniel Shaked)

1,2 Millionen Euro hat die Austria laut Medienberichten für den Stürmer an Hapoel Tel Aviv überwiesen. Damari, der einen Vertrag bis 2018 erhielt, soll den Abgang von Philipp Hosiner kompensieren, der für eine etwas höhere Summe im Sommer zu Stade Rennes gewechselt ist. Und die Investition trägt bereits erste Früchte. Sieben Tore erzielte Damari in den ersten elf Pflichtspieleinsätzen für seinen neuen Verein, darunter eines im Derby gegen Rapid und den entscheidenden Treffer beim 3:2-Sieg gegen Red Bull Salzburg – dazu kommen noch vier Assists. „Man sieht, dass ich mich in Wien sehr wohl fühle“, lautet seine nüchterne Analyse. „Die Bedingungen im Verein sind ausgezeichnet, der Wechsel war für mich ein Aufstieg.“

Das sieht auch Amit Lewinthal nicht anders. „Damari hat sich für den ambitionierten Weg entschieden, aber ich denke, es war der richtige Schritt“, sagt der Sportchef der in Tel Aviv erscheinenden Tageszeitung Israel Hayom. „Er hat bei der Austria gut eingeschlagen. Wenn er so weitermacht, wird ihm das in Israel viel Respekt einbringen, weil sich viele andere Spieler im Ausland nicht durchsetzen konnten.“ Als Fan von Hapoel Tel Aviv hat Lewinthal die Entwicklung des im Großraum der Metropole aufgewachsenen Stürmers aus der Nähe verfolgt. Erstmals aufgefallen sei der damalige U21-Teamspieler in der Saison 2009/10 durch zehn Tore für Maccabi Petach Tikwa, im Jahr darauf brachten ihn 15 Treffer endgültig in die Notizblöcke internationaler Scouts. „Ein Wechsel zu Celtic ist in letzter Minute geplatzt, Hapoel hat ihn dann für sehr viel Geld nach Tel Aviv gelotst“, sagt Lewinthal. Mit 1,5 Millionen Euro – mehr als die Austria für Damari bezahlt hat – beziffert transfermarkt.at die damalige Ablösesumme. Es folgten wilde Spekulationen, dass der Deal auch andere Geschäfte zwischen Petach Tikwas Präsident Amos Luzon und Hapoel-Eigentümer Eli Tabib miteingeschlossen habe, doch es blieb bei Gerüchten. Für Damari sollte der Wechsel jedoch noch einigen Stress nach sich ziehen, denn 50 Prozent seiner Transferrechte blieben bei Luzon, dem Bruder des ehemaligen israelischen Verbandspräsidenten.

Der schnelle und trickreiche Mittelstürmer ließ sich vom Wirbel um seinen Transfer nicht beeindrucken.

Rückgrat statt Allüren

Der schnelle und trickreiche Mittelstürmer ließ sich vom Wirbel um seinen Transfer allerdings nicht beeindrucken. Er traf auch im Dress von Hapoel am Fließband, und die Kritik der Fans an der hohen Ablöse verstummte. Über 100 Tore erzielte Damari in drei Saisonen für seinen Herzensverein, wie er Hapoel bezeichnet. „Meine Beziehung zu den Fans war sehr eng. Sie waren immer für mich da.“ Sogar ein Fansong wurde Damari gewidmet. Das Lied basiert auf einer Ballade des populären Tel Aviver Sängers Shlomo Artzi und wird auch heute noch gelegentlich im Bloomfield-Stadion angestimmt.

Verantwortlich dafür sind jedoch weniger Damaris Tore, sondern das Rückgrat, das der Stürmerstar bewies. Denn in der vergangenen Saison, als immer klarer wurde, dass das finanziell arg gebeutelte und im sportlichen Mittelmaß versinkende Hapoel ihn nicht halten könne, widersetzte sich Damari einem Wechsel zum Stadtrivalen Maccabi Tel Aviv. „Er hätte dort das Vierfache verdienen können und ganz andere Perspektiven gehabt“, sagt Lewinthal. Denn Maccabi ist dank der Millionen des kanadischen Eigentümers Mitchell Goldhar der Finanzkrösus der israelischen Liga und konnte die letzten beiden Meisterschaften mit Respektabstand für sich entscheiden. „Amos Luzon war nicht erfreut über Damaris Entscheidung, weil er so vermutlich mehr Geld als mit dem Wechsel nach Österreich verdient hätte“, meint der Sportjournalist. „Er wollte ihn danach auch noch an Maccabi Haifa verkaufen, aber Damari hat seinen Willen durchgesetzt.“ Für Lewinthal markierte diese Etappe in Damaris Karriere auch eine Veränderung seiner Persönlichkeit. „Vor einem Jahr war er noch ein schüchterner Bursche, der vor den TV-Kameras davongerannt ist. Plötzlich hat er sich ins Fernsehstudio gesetzt und seinen Kampf mit einem der mächtigsten Funktionäre des israelischen Fußballs öffentlich ausgetragen.“

Damari live

„Ich musste auf mich schauen“, kommentiert Damari seine Entscheidung. „Luzon ist ein gewiefter Manager und ein mächtiger Mann, aber ich wollte mein gutes Verhältnis zu Hapoel und seinen Fans nicht aufs Spiel setzen.“ Also unterschrieb der israelische Teamstürmer am 29. Juli für die Austria, die ihm wenige Monate zuvor durch die Auftritte in der Champions-League-Gruppenphase erstmals aufgefallen war. „Der Transfer hat für viel Aufsehen gesorgt, weil man allgemein davon ausgegangen ist, dass er zu Maccabi wechselt“, sagt Lewinthal. „Einige Experten haben gemeint, dass ich in eine größere Liga wechseln hätte sollen, aber ich bin mit dieser Entscheidung zufrieden. Mir ist egal, was über mich geschrieben wird“, erzählt Damari, der die österreichische Liga in punkto Tempo und Physis für anspruchsvoller als das israelische Pendant hält.

Mittlerweile hat allerdings nicht nur die schreibende Presse ihr Interesse für den österreichischen Fußball entdeckt: Damaris Auftritte werden vom Sportsender Channel 5 auch live in die israelischen Wohnzimmer übertragen. „Man sollte sich keine Illusionen machen. Außer Damaris Familie und seinen Freunden schauen da nicht viele Leute zu, wenn parallel die englische und deutsche Liga laufen“, sagt Sportjournalist Lewinthal. „Aber seine Tore werden auch in den abendlichen Sportnachrichten gezeigt.“

Jüdisches Bewusstsein, Wiener Küche

Besondere Beachtung fand Damaris Wechsel zur Austria in Israel auch deshalb, weil der Verein aus Favoriten – vor allem auf Funktionärsebene – auf eine jüdische Tradition zurückblickt. Eine Tatsache, die ihm schon vor der Vertragsunterzeichnung bewusst gewesen sei, sagt Damari: „Das war einer der Gründe, warum ich mich für die Austria entschieden habe. Außerdem hat man mir auch gesagt, dass es in Wien eine sehr aktive jüdische Gemeinde gibt.“ Bestärkt in seiner Entscheidung wurde der Stürmer, als ihn die Vereinsverantwortlichen Anfang Oktober zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu seiner Familie nach Israel reisen ließen, obwohl das Spiel gegen Tabellenführer Wolfsberg anstand. „Es hat mich sehr gefreut, dass mir da keine Steine in den Weg gelegt worden sind.“

Genutzt hat Damari den Aufenthalt in der Heimat, um den Umzug seiner Frau und seiner Tochter nach Wien vorzubereiten. „Das ist für mich sehr wichtig, weil ich sehr viel Zeit mit meiner Familie verbringen möchte“, sagt Damari, dessen Vorfahren aus dem Jemen und Bulgarien nach Israel gekommen waren. Und auch mit dem jüdischen Leben in Wien hat sich der Mittelstürmer bereits vertraut gemacht. „Ich bin zwar nicht sehr religiös, war aber bereits in der Synagoge – ein wirklich beeindruckendes Gebäude. Im Jüdischen Museum habe ich ein Fernsehinterview gegeben, und auch die koscheren Geschäfte und Restaurants im zweiten Bezirk schätze ich sehr.“ Daneben blieb aber auch Zeit für erste Ausflüge in die Welt der österreichischen Hausmannskost. „Neulich habe ich ein Wiener Schnitzel gegessen. Das war sehr lecker“, sagt Damari.

Die Basis für eine harmonische Beziehung zu Wien sollte also gelegt sein – auch wenn es für die Mannschaft noch weniger gut läuft als für den Stürmer. Trotz des mäßigen Saisonstarts der Austria hat Damari den Traum vom internationalen Geschäft noch nicht begraben. „Wie jeder Spieler möchte auch ich in der Champions League spielen“, sagt der Israeli. „Diese Saison wird es schwer, wir sind weit weg von den beiden Qualifikationsplätzen und brauchen einen Lauf, um das noch zu schaffen. Notfalls muss ich mich noch eine Saison gedulden.“ ◗

* mit Martin Hanebeck und Yair Barzilai

© Daniel Shaked © apa picturedesk/EXPA/ Alexander Forst

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