Die Stunde der Verkäufer

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Während noch nicht alle Modalitäten rund um das größte Unterwassergasfeld Leviathan geklärt sind, haben die Exporteure bereits  intensiv mit der Vermarktung des Energieträgers begonnen. Von Reinhard Engel

Es waren zwei Verträge von symbolischer Bedeutung. Zu Jahresbeginn unterschrieb das Management des israelischen Gasförderkonsortiums mit benachbarten arabischen Kunden langfristige Abnahmevereinbarungen. Die Käufer kamen aus Jordanien und aus dem Westjordanland: Das Gas wird in zwei großen jordanischen Industriebetrieben am Ostufer des toten Meers genutzt, und die palästinensische Autonomiebehörde will daraus in Jenin Strom erzeugen. Zwar gibt es im zweiten Fall Skepsis über die Zahlungstreue – denn schon jetzt sind die Palästinenser regelmäßig mit ihren Rechnungen bei Strombezügen aus Israel im Rückstand. Aber das politische Signal ist deutlich: Denn die Jordanier waren gemeinsam mit Israels Gaskunden in den letzten Jahren immer wieder mit Lieferunterbrechungen aus Ägypten konfrontiert gewesen. Damit ist nun endgültig Schluss.

Aber auch in Israel selbst geht die Vermarktung des Energieträgers aus der Meerestiefe weiter. So wurden zuletzt etwa zwei innerisraelische Lieferverträge abgeschlossen, für effiziente Kraft-Wärme-Kupplungen in zwei Industriegebieten, in Ramat Gabriel und in Alon Tavor im Norden des Landes. Dabei wird in Kraftwerken sowohl Strom als auch Dampf erzeugt, der Wirkungsgrad ist damit besonders hoch. An beiden Kraftwerken ist übrigens die Delek-Gruppe beteiligt, die neben der amerikanischen Noble Energy bei der Ausbeutung der Gasfelder Tamar und Leviathan den zweitgrößten Partner in den jeweiligen Konsortien stellt.

Die weitaus umfangreicheren Lieferungen werden aber erst verhandelt. Dabei geht es um Gas aus dem großen Leviathan-Feld, das – anders als Tamar – derzeit noch nicht erschlossen ist. Und dabei spießt es sich momentan auch noch. Denn die israelische Regierung hat wiederholt die Bedingungen verschärft – es geht etwa um die Finanzierung der Infrastruktur wie Transportleitungen, aber auch um Steuertechnisches wie Abschreibungszeiträume, die die Profitabilität der Investitionen entscheidend verändern. Aus diesem Grund könnte auch ein großer Partner, der australische Woodside-Konzern, wieder abspringen – und damit die Erschließung des Feldes verzögern.

Neuer Markt  Türkei

Dabei sind derzeit die israelischen Verkäufer äußerst aktiv. Der größte Markt in der Region ist der türkische. Das stark wachsende Industrieland hat in den letzten Jahren den Anteil von Gas am Gesamtenergieverbrauch von wenigen Prozent auf ein rundes Drittel gesteigert. Und noch ist kein Ende des Hungers danach abzusehen. Die Türkei verfügt über keine eigenen Vorkommen, ist zum Großteil von russischen Lieferungen abhängig und möchte diese mit Einkäufen aus anderen Märkten reduzieren. Dazu gehören Aserbaidschan und auch Israel.

Vor wenigen Wochen hat die türkische Turcas Petrol an der Istanbuler Börse verkündet, dass man gemeinsam mit dem ebenfalls türkischen Energiekonzern Enerjisa und dessen deutschem Partner E.ON Verhandlungen zum Kauf von israelischem Gas aufgenommen habe. Laut Pressemeldungen ginge es dabei um erhebliche Mengen – und um Summen in der Größenordnung von 25 bis 35 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von 15 Jahren. Mit eine Rolle gespielt haben dürfte auch die jüngste Wiederannäherung zwischen Israel und der Türkei nach dem Zwischenfall vor Gaza mit der „Mavi Marmara“, bei dem neun türkische Aktivisten von der israelischen Armee erschossen worden waren. Inzwischen hat man sich auf Schadenszahlungen geeinigt.

Türkei, Spanien, Zypern: Immer mehr Länder interessieren sich für Israels Gas-Exporte.

Ein weiterer internationaler Kunde könnte die spanische Gasfirma Union Fenosa werden. Diese betreibt in Ägypten eine Anlage zur Verflüssigung von Gas zum Transport mit Schiffen. Diese LNG-Anlage (Liquid Natural Gas) ist nicht ausgelastet, und die Spanier möchten von Israel zusätzliche Mengen zukaufen. Dabei ginge es pro Jahr immerhin um Gas im Wert von 1,3 Mrd. Dollar. Und schließlich hat sich Israel in Zypern an einer großen Ausschreibung für Lieferungen ab 2016 für die dortige Stromerzeugung beteiligt. Zypern hat zwar ebenfalls Gas im Mittelmeer gefunden, ist aber mit der Gewinnung noch nicht so weit, Israel kann aber – zumindest aus dem Feld Tamar – bereits liefern. Daher werden den Israelis gute Chancen gegeben, diese Ausschreibung zu gewinnen. Dann müsste das Gas mit einer neu zu bauenden Unterwasserpipeline nach Zypern gebracht werden – ähnlich wie in Richtung Türkei.

Stromtransport durch das Mittelmeer

Um ein anderes Modell ist es in den letzten Monaten wieder ruhiger geworden. Dieses sah vor, Gas nicht zu exportieren, sondern dieses in Israel zu verstromen und dann die elektrische Energie über ein Unterseekabel in Richtung Griechenland und übriges Europa zu exportieren. Doch das macht unter den gegenwärtigen Bedingungen auf dem europäischen Strommarkt kaum Sinn. „Auch wenn Gaskraftwerke sehr umweltfreundlich sind, lassen sie sich derzeit in Europa nicht wirtschaftlich betreiben“, erzählt Florian Seidl, Pressesprecher beim österreichischen Energiekonzern Verbund. Auch das eigene, hochmoderne Gaskraftwerk im steirischen Mellach stehe derzeit still.

Die intensive staatliche Förderung alternativer Energiequellen wie Wind und Sonne hat in ganz Europa zu einem erheblichen Preisverfall an den Strommärkten geführt, und mit den wenigen Betriebsstunden bei Windstille oder in der Nacht lassen sich Gaskraftwerke nicht rentabel fahren. „Technisch wäre der Stromtransport durch das Mittelmeer kein Problem“, meint Seidl. „Aber wenn man die hohen Investitionen in Kraftwerke und Tiefseeleitungen zusammenrechnet, wird es sich nicht rechnen.“ Im israelischen Gasexport nach Zypern sieht er allerdings gute Chancen. Denn dort kann ein Gaskraftwerk flexibel sowohl Grundlast als auch Spitzenstrom für Haushalte und Hotels erzeugen, und die geografische Nähe mache die Lieferung besonders rentabel. ◗

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