Wie klingen Emigration und Zukunftsträume gewürzt mit Hunger und Kriminalität? Sie klingen nach Tango. Aus der Redaktion
Ich suchte eine Musik, die mit mir, mit meinen Erfahrungen etwas zu tun hat, sagt Lloica Czakis, 1973 in Deutschland als Tochter argentinischer Eltern geboren. Sie fand sich im jiddischen Tango wieder und reist seither mit ihren musikalischen Begleitern und ihrem Programm Tangele durch die Welt, um so an der Kunst des Überlebens Tribut zu zollen und damit auch an der Neuerfindung des eigenen Selbst.
Traditionen. Der Tango ist einer der bedeutenden Beiträge Argentiniens zur Weltkultur. Über die Jahrzehnte haben sich Texte, Bewegungen und Musik verändert. Tango ist die Schnittmenge unterschiedlicher musikalischer Traditionen geworden – und ein Beweis für funktionierende Multikulturalität. Osteuropäische Melodien vermischen sich darin mit karibischen Rhythmen, mit Gaucho-Traditionen und Ideen der indigenen Bevölkerung Südamerikas.
Ein Tanz reist durch die Welt
Erste Tangostücke wurden bereits vor dem Ersten Weltkrieg nach Europa importiert. Furore machte die Musik jedoch erst in der Zeit zwischen den Kriegen. Tango ging auf Reisen und gehörte bald zum Standardrepertoire west- und osteuropäischer Vergnügungsstätten.
So begannen auch europäische Komponisten leichter Musik, neue Tangos zu schreiben. Viele von ihnen waren assimilierte Juden und schrieben am häufigsten in ihren Landessprachen, wie der Tango Milonga, auch bekannt als Oh, Donna Clara!, des polnisch-jüdischen Komponisten Jerzy Petersburski.
Tangos in Jiddisch bildeten in der Entstehungsgeschichte eine Sonderform und entstanden meist dort, wo offene jiddischsprachige Gemeinden im Einklang mit der sie umgebenden urbanen Kultur lebten. Dies war der Fall in mehreren polnischen und russischen Städten, in New York, aber auch unter den jüdischen Einwanderern in Buenos Aires.