TOP SECRET OPERATION

Seit 50 Jahren ist der Niederländer Leon de Winter Schriftsteller. Grund genug, dieses Jubiläum mit einem neuen Roman zu feiern, dem ersten seit 2016. Und es ist wieder ein echter de Winter geworden, denn Stadt der Hunde vereint so einiges, für das seine langjährigen Fans diesen Autor lieben. Facts und Fiction, seriöse Recherche und abgehobene Fantasien, autobiografischen Hintergrund und neue Variationen seiner leitmotivischen Themen: Familie, Judentum und Israel.

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Leon de Winter: Stadt der Hunde. Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer. Diogenes 2025, 272 S., 27,50 €

Als prominenter niederländischer Gehirnchirurg hat es Jaap Hollander nicht so mit der Religion. Wäre da nicht seine Tochter Lea, die als „Vater-jüdin“ – Jaaps Frau Nicole stammt aus einer katholischen Familie – auf ihrem jüdischen Familienanteil beharrend mit 18 eine so genannte „Birthright-Reise“ nach Israel antritt, von der sie nie wiederkehrt.

Seit Lea gemeinsam mit ihrem amerikanischen Freund Joshua in der Negev-Wüste verschwunden ist, reist Jaap alljährlich auf der Suche nach ihren Spuren dorthin. Mit ihrem Tod will er sich nicht abfinden, auch nach zehn Jahren nicht. Mittlerweile ist er eher unfreiwillig pensioniert, die Ehe längst geschieden und das riesige Haus in Amsterdam viel zu leer. Im Luxushotel in Mitzpe Ramon am Rande des riesigen Kraters, wo er längst Stammgast ist, eröffnet ihm eine junge Frau, der Ministerpräsident flehe ihn an, zu ihm zu kommen. Ja, genau „DER Ministerpräsident, ein Mann, den ich nicht mag, den ich für einen Populisten, einen Demagogen halte“.

Dieser wiederum, Bibi bis zur Kenntlichkeit, nötigt den weltberühmten Neurochirurgen Jaap im Namen des Friedens zu einer höchst riskanten Gehirnoperation an Prinzessin Noora, der ältesten Tochter des saudischen Herrschers und dessen siebzehnjähriger „Augapfel“ (auch Mohammed bin Salman, de facto Regent von Saudi-Arabien, hat eine Tochter dieses Namens). Entgegen aller Erfolgsaussichten und für ein schwindelerregendes Honorar von einer Milliarde Dollar, Jaap hatte nur drei Millionen für die Nachforschungen an Leas Spuren gefordert, führt er die in jeder Hinsicht „Top Secret Operation“ nach wochenlangen geheimen Vorbereitungen durch.

Ein folgenreicher Fehltritt. Nach dem, zumindest für die Lesenden, vorhersehbaren guten Ausgang des Eingriffs hält die Handlung in mehreren überraschenden Volten den Spannungsbogen bis zum Ende, und das muss gleichsam im Epilog auf den Schwarzen Schabbat des 7. Oktobers deuten. Mehr zu verraten würde dem Page-Turner-Effekt des Romans schaden.

Und was hat das alles mit der titelgebenden Stadt der Hunde auf sich?

„DER Ministerpräsident, ein Mann,
den
ich nicht mag, den ich für einen Populisten,
einen Demagogen halte.“

Nun, gerade am Gedenkstein für die verschwundenen Kinder Lea und Joshua am Kraterrand läuft dem Hundehasser ein verhaltensauffälliger Wüstenhund zu und später bis nach Tel Aviv nach, eine Stadt, die wie jeder Besucher staunend feststellen kann, von Hunden und Hundeliebhabern jeder Spezies nur so wimmelt. Dass deren Hinterlassenschaften nicht immer entsprechend entsorgt werden, wird dem zum „Hundemenschen“ bekehrten Jaap allerdings noch zum folgenreichen Verhängnis werden, er tritt buchstäblich in die Scheiße, ein Fehltritt, der ihn letztendlich auch in anderer Hinsicht bekehren und mit dem Schicksal versöhnen wird.

Gar nicht zuletzt ist dieser Roman, den Leon de Winter in Tel Aviv „in einer intensiven Phase von zwei Monaten“ vor dem Oktober 2023 geschrieben hat, eine herzerwärmende Liebeserklärung an diese Stadt, ihre Menschen, ihre Gassen, Plätze, Lokalitäten, ihre Atmosphäre. Nachdem er 2008 in seiner apokalyptischen Vision Das Recht auf Rückkehr für das Jahr 2025 fast den Untergang des Landes an die Wand gemalt hat, nimmt man dieses Bekenntnis erleichtert auf.

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