Ohne auf die politischen Aspekte einzugehen, hat der neue französische Premierminister keine gewöhnliche Familiengeschichte. Sie ist von ungewöhnlicher geografischer und sozialer Vielfalt geprägt. Einwanderung ist ebenso verbreitet wie religiöse Wandlung.
Die Familie von Gabriel Attal und seinen drei Schwestern hat jüdische und russisch-orthodoxe Wurzeln. Er besuchte die Pariser Eliteschule Ecole d’Alsace, studierte anschließend Politikwissenschaft und verbrachte ein Jahr als Austauschstudent in Rom. Schon in jungen Jahren war sein Leben von Politik geprägt, eine andere Ausbildung hat er nicht.
Attal startete 2016 politisch bei den Sozialdemokraten, doch nur ein Jahr später schloss er sich Emmanuel Macrons Partei Republique En Marche an. Er wurde bald ihr Parteisprecher und arbeitete bis 2020 als Staatssekretär und Bildungsminister.
Gabriel Nissim Attal wurde 1989 in der Nähe von Paris als Sohn des Anwalts und Filmregisseurs Yves Attal und dessen Frau Marie de Couriss geboren. Als sich seine Eltern im Jahr 2000 scheiden ließen, änderte er seinen Namen in Gabriel Attal de Couriss. Sein Großvater väterlicherseits, ein sephardischer Jude, kam 1937 aus Tunis nach Frankreich und wurde französischer Staatsbürger. Er heiratete eine aschkenasische Frau, deren Familie aus dem Elsass stammte. Sein Großvater mütterlicherseits gehörte dem französischen Hochadel an, der auch russische Wurzeln hat. Marie de Couriss stammt aus einer weißrussischen Familie in Odessa.
Obwohl Gabriel Attal in Paris getauft und von einer überwiegend christlichorthodoxen Mutter erzogen wurde, war er während seiner Schulzeit antisemitischen und homophoben Anfeindungen ausgesetzt. Das hörte auch nicht auf, als er aktiver Politiker wurde.
Seine Familiengeschichte, als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, ermutigte ihn, sich politisch mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Seiner Meinung nach sollte auch die Nutzung sozialer Medien durch Kinder unter 13 Jahren streng reguliert werden, und die Eltern sollten gesetzlich dafür verantwortlich sein.
Gabriel Attal sieht seinen rasanten Aufstieg
in der französischen Politik als Beweis für
sein unerschütterliches Engagement,
seine Entschlossenheit und die große
Unterstützung seiner Familie.
Der politische Aufstieg von Gabriel Attal begann im Oktober 2018, als er zum Staatssekretär im Bildungsministerium ernannt wurde. Von 2020 bis 2022 arbeitete er als Regierungssprecher unter dem damaligen Premierminister Jean Castex. Diese Position brachte ihm seinen politischen Durchbruch, da er sich als äußerst medientauglich erwies. Anschließend wurde er Kabinettsmitglied mit einem Sitz im französischen Parlament und 2023 Bildungsminister. Öffentliche Aufmerksamkeit erweckte Gabriel Attal, als er zu Beginn des Schuljahres 2023–2024 eine Verwaltungsvorschrift erweiterte, die das Tragen der islamisch-nordafrikanischen Abaya oder des Qamis, des knöchellangen Gewands, an Schulen verbot. Seine Begründung war, dass es gegen den französischen Laizismus, die gesetzliche Trennung zwischen Religion und Staat, verstoße. Seit 2004 gibt es bereits ein Gesetz, das das Tragen auffälliger religiöser Symbole an öffentlichen Schulen verbot, darunter christliche Kreuze, jüdische Kippot und islamische Schleier.
Als neuer Premierminister Frankreichs legt Gabriel Attal Wert auf Veränderung und Fortschritt. Mit der Absicht, die Zukunft Frankreichs aktiv mitzugestalten, konzentriert er sich auf Arbeitsmarktreformen, Steuersenkungen und den Kampf gegen Bürokratie.
Wenn Attal etwas sagt, wirkt er selbstbewusst und bestimmend. Außerdem soll er ein Kontrollfreak sein. Er hat immer drei Dinge bei sich: eine E-Zigarette, ein Smartphone und eine unüberwind bare Angst vor Überraschungen. Als Anfang Dezember die Ergebnisse der letzten PisaUmfrage bekannt gegeben wurden, wusste er bereits, dass Frankreich in vielerlei Hinsicht schlechter sein wird als im Jahr davor. Nur einen Tag später legte er eine umfassende Reform des französischen Schulsystems vor. Mit solchen und ähnlichen politischen Vorschlägen will er der oft geäußerten Kritik zuvorkommen, er sei zu jung und unerfahren für ein öffentliches Amt. Dass er erfolgreich ist, ist auch seinem persönlichen Team zu verdanken. Es sind junge, ehrgeizige und sehr loyale Mitarbeiter, die Gabriel Attal bereits seit Beginn seiner politischen Karriere begleiten.
Transparente persönliche Beziehungen. Der junge Premierminister hielt seine erste Regierungserklärung im Jänner 2024, während die massiven Bauernproteste Frankreich unter Druck brachten. Attal suchte nach Lösungen, um den Bauern entgegenzukommen und die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes gewaltfrei zu lösen. Nach dem brutalen Terroranschlag auf ein Konzerthaus in der Nähe von Moskau im März 2024 aktivierte er sofort die höchste Sicherheitsstufe Frankreichs, um der unmittelbaren Bedrohung durch den Islamischen Staat zu begegnen.
Gabriel Attal ist der erste offen homosexuelle Premierminister Frankreichs. Sein mittlerweile ehemaliger Lebenspartner Stéphane Séjourné wurde im Jänner 2024 zum Außenminister Frankreichs ernannt. Dieses Naheverhältnis wurde nicht ohne mehr oder weniger respektlose Kommentare in den Medien vermerkt. Beide Männer führten eine seit 2017 eingetragene Partnerschaft, die sie aber 2022 auflösten. Seitdem gilt Gabriel Attal als Single. Als er zum Premierminister ernannt wurde, schenkte ihm seine Familie eine kleine Chow-Chow-Hündin mit dem Namen Volta.
Gabriel Attal sieht seinen rasanten Aufstieg in der französischen Politik als Beweis für sein unerschütterliches Engagement, seine Entschlossenheit und die große Unterstützung seiner Familie. Als junger und offen schwuler Politiker verkörpert er die sich verändernde Landschaft der französischen Politik und den wachsenden Einfluss der jüngeren Generation.
Tatsächlich munkeln viele, Emmanuel Macron würde mit Gabriel Attal seinen eigenen Nachfolger aufbauen. Attals zupackende Art, seine steile Karriere und sein Auftreten in perfekt geschnittenen, engen Anzüge erinnern an den Präsidenten. Bissige Beobachter beschreiben ihn als „Baby-Macron“. Als einer der beliebtesten Politiker Frankreichs wird Gabriel Attal auch von den französischen Medien als ein potenzieller Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2027 gehandelt. Angesichts des Tempos der politischen Karriere von Gabriel Attal sind drei Jahre mehr als genug Zeit, sich auf ein neues, noch größeres Amt vorzubereiten.