Über den Dächern von Wien

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Traumberuf. Ivo Weinmann wollte schon als Kind was mit Technik machen. So war der Eintritt in eine HTL für Architektur nur konsequent.

Ivo Weinmann hat sich als Architekt auf Luxusgeschäfte und Dachbodenausbauten spezialisiert. Geboren wurde er in Jugoslawien, seine Vorfahren kamen aus dem Burgenland und aus Böhmen. Text und Fotos: Reinhard Engel

Es wird einer der größeren Flagship-Stores von Wien. Auf der Kärntner Straße, schräg gegenüber vom Kaufhaus Steffl, wird das internationale deutsche Modelabel Boss seine Waren auf drei Etagen anbieten. Hoch über der Baustelle, die bereits mit Boss-Plakaten das künftige Geschäft ankündigt, hängt ein blau-weißes Architekten-Schild: Weinmann & Partner.

Ivan „Ivo“ Weinmann ist ein langjähriger Profi in diesem speziellen Segment. Er hat in der Wiener City einen Gutteil der bekannten Luxusläden errichtet oder umgebaut: ob Gucci oder Armani, ob Ermenegildo Zegna oder Dolce & Gabbana, ob Tommy Hilfiger, Prada, Ferragamo oder Bally – stets war sein Büro dafür zuständig. „Schon mein allererstes Projekt als junger, noch angestellter Architekt hat mit dem Handel zu tun gehabt“, erinnert er sich. „Das war der Umbau von Delka auf der Mariahilfer Straße.“ Das Büro Echerer zählte damals auch zu den ersten in Wien, die sich auf den Ausbau von Dachböden verstanden. Das sollte Weinmann ebenfalls prägen.

Internationale Designer möchten ihre Corporate Identity durchsetzen – doch dann stoßen sie auf die Wiener Bürokratie.

Irgendetwas mit  Technik wollte Ivo schon als Bub machen, so ergab sich der Eintritt in eine HTL für Architektur fast logisch. Das war in Novi Sad, als diese multikulturelle Stadt noch in Jugoslawien lag. Ivo wurde 1946 in Nis geboren, sein Vater war dort als Offizier der jugoslawischen Volksarmee stationiert. Er hatte schon eine Odyssee als Zwangsarbeiter für die Wehrmacht hinter sich, war dann Partisane und schließlich Militär geworden. Die Vorfahren stammten aus Pilsen und waren über Bratislava nach Novi Sad gezogen. Ivos Großvater mütterlicherseits hatte im burgenländischen Gattendorf eine Fleischhauerei, sowohl für jüdische als auch für nichtjüdische Kunden, betrieben. Dann zog er in Richtung Süden und eröffnete schließlich in Novi Sad noch vor dem Ersten Weltkrieg einen Betrieb.

Ivo besuchte dort die Volksschule und die HTL, gesprochen wurde zuhause serbokroatisch und ungarisch. Sein Vater hatte bereits in den 50er-Jahren den Abschied von der Armee genommen, ein Studium nachgeholt und als Exportkaufmann gearbeitet, unter anderem als Direktor des Weinerzeugers Jugovino. Anfang der 70er-Jahre übersiedelten die Weinmanns nach Wien, Ivos Vater exportierte Lebensmittel.

Auch der Junior wollte nach Wien kommen, aber es gab ein Problem: „Die HTL in Novi Sad dauerte nur vier Jahre, das war hier für die Zulassung zum Studium nicht genug“, erzählt er. Also blieb er als Einziger in Jugoslawien und inskribierte in Laibach an der TU Architektur. „Die ersten drei Monate habe ich alles mitgeschrieben, ohne etwas zu verstehen. Dann ist es mit dem Slowenischen gegangen.“ Parallel dazu verbesserte er sein mageres Schuldeutsch, wenn er die Eltern in Wien besuchte und hier Feiertage mit Gleichaltrigen aus der linken Jugendorganisation Ha­shomer Hatzair verbrachte. „Das waren meine ersten Kontakte mit Österreichern. Weil ich hier nicht in die Schule gegangen bin, habe ich ja niemanden gekannt.“

Der Weg in die Selbstständigkeit

Sobald Weinmann das Studium abgeschlossen hatte, zog auch er nach Wien und begann als Architekt zu arbeiten. Als er nach einigen Jahren seinen Chef um eine Lohnerhöhung ansprach und dieser unnachgiebig blieb, wechselte er zur Konkurrenz. Im Büro Dürschmid sollte er dann mehr als zwölf Jahre bleiben, aber das Ziel war weiter die Selbstständigkeit.

Der Weg dorthin erfolgte dann fließend, freilich mit langen Abend- und Wochenendstunden. Denn Weinmann arbeitete zwar noch als Freiberufler für seinen Chef, betrieb aber daneben schon sein eigenes kleines Büro, mit seiner damaligen Frau als Teilzeitsekretärin. Als er vom Unternehmer Martin Schlaff mehrere große Aufträge erhielt, wagte er den Sprung.

„Ich habe damals etwa in Ostberlin einen Schauraum in einem Modecenter gebaut und Büros modernisiert. Die Handwerker haben wir aus Wien einfliegen lassen.“ Dann ergab sich eine langfristig produktive Zusammenarbeit mit Ariel Muzicant, der mit seinem Immobilienbüro Columbus zunehmend Markenartikler bei ihrer Standortsuche betreute. Der erste große Auftrag kam von der italienischen Benetton-Gruppe, die in Österreich sowohl eigene als auch Franchise-Standorte eröffnete. Dann folgten Handelsketten wie Import-Parfümerien, aus denen die Kette Marionnaud wurde und schließlich diverse Luxusmarken.

Gewandert wird in der Familie Weinmann längst nicht mehr nur innerhalb der Grenzen der Monarchie.

Dabei stellt sich die Aufgabe des lokalen Architekten jedes Mal anders. Meist möchten die internationalen Stardesigner in Mailand oder New York ihre Corporate Identity strikt durchgesetzt haben. Doch dann stoßen sie erst auf die Wiener Bürokratie, die ihnen übersetzt werden muss, und auch immer wieder auf Baujuwelen, die man nicht zerstören sollte. So konnte Weinmann etwa am Kohlmarkt bei Gucci die Loos-Fassade retten, bei Hilfiger den stilvollen Charakter des ehemaligen House of Gentleman mit seiner Holztreppe und den Stuckdecken.

Neben Geschäften und Dachböden baute Weinmann immer wieder für die Israelitische Kultusgemeinde – etwa Studentenwohnheime. Er revitalisierte die Badener Synagoge oder das Friedhofshäuschen in Währing. Und auch in seiner Freizeit widmet er sich neben dem Sammeln von Gallé-Vasen jüdischen Themen: Er ist ein wichtiger Sponsor beim Wohlfahrtsverein Ohel Rahel, nicht zuletzt weil seine Lebenspartnerin seit 24 Jahren, Rosi Kohn, dort im Vorstand aktiv ist. Seine drei Kinder aus der früheren Ehe sind mindestens so international wie er selbst: Tochter Nadine arbeitet als Head of Marketing einer Hightechfirma in Israel, Sohn Dennis als Hotelmanager in Wien und Dominic als Sprachenlehrer in Rio de Janeiro. Gewandert wird in der Familie längst nicht mehr nur in den Grenzen der Monarchie.

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