Während die einen beschwichtigen, protestieren die anderen: Die neue Regierung in Polen sorgt für Unruhe. Von Marta S. Halpert
Es lag eine freudig-verschwörerische Stimmung in der Warschauer Luft. 1990, kurz nach dem Ende des Kommunismus in Polen, spürten das die alteingesessenen Juden, aber auch der ausländische Besucher. Man zuckte zwar merklich zusammen, wenn man an mehreren Türpfosten in der Stadt unvermutet tiefe, leere Kerben sah, wo ehemals eine Mezuzah prangte. Auch Graffiti mit kleinen Galgen und Davidstern konnte man nicht übersehen. Gleichzeitig kamen in der großen Nozyk-Synagoge, die 1902 im Stil der Neuromantik erbaut wurde und 1941 als Lagerraum missbraucht wurde, viele ältere aber auch viele junge Juden spontan zusammen. Hier fühlten sie sich sicher, um darüber zu sprechen, sich auszutauschen, ob dem großen Umbruch zu trauen sei. Konnte, sollte man sich jetzt offen zum Judentum bekennen? War es nun mit der Heimlichtuerei unter dem Jahrzehnte langen Kommunismus endgültig vorbei?