Junge Juden schließen sich an ein breites Bündnis gegen den autoritären Regierungsstil von Viktor Orbán an. Von Silviu Mihai
Budapest – „Es ist jetzt genug, wir werden dies nicht mehr hinnehmen. Wir werden jeden Tag auf die Straßen gehen, bis jemand Viktor Orbán endlich stoppt“, verspricht Milán Rózsa sichtlich verärgert. Der 25-Jährige engagiert sich seit Längerem bei der Studentenorganisation HaHa, doch seit zwei Jahren geht er tatsächlich fast wöchentlich demonstrieren. Wie er protestieren in der letzten Zeit Tausende Menschen in der Budapester Innenstadt. „Die autoritäre und rechtspopulistische Politik dieser Regierung betrifft mich persönlich in vielerlei Hinsicht“, stellt Rózsa fest. „Als Studierender muss ich mit deutlich höheren Studiengebühren rechnen, als junger Jude sehe ich mich mit einer seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen Eskalation des Antisemitismus konfrontiert.“
Ungarns rechtspopulistischer Premier hat es beinahe geschafft: Gegen die Politik der letzten vier Jahre hat sich ein seltener, breiter gesellschaftlicher Widerstand gebildet. Studenten, Obdachlose, Gewerkschafter, Juden und Roma, Schwule und Lesben, Lehrer, Menschenrechtsaktivisten, Medienschaffende, verarmte Rentner und Budapester Hipster demonstrieren gemeinsam. Es ist eine wahre Premiere im traditionell apathischen Osteuropa. Dass die parlamentarische Opposition bei den Wahlen im April den Umfragen zufolge nur wenig Chancen hat, sich gegen Orbán durchzusetzen, macht die Protestler wütend. Die Perspektive vier weiterer Jahre, in denen die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz alles abnicken, was Viktor Orbán in den Sinn kommt, gilt vielen als GAU-Szenario, doch die neue Bewegung hat es bisher nicht geschafft, die Mehrheit der Bevölkerung zu mobilisieren.
Das heutige Ungarn ist bei Weitem nicht mehr die fröhlichste Baracke Osteuropas. Mit mehr als 10 Prozent Arbeitslosigkeit, mit einer hohen Inflationsrate und einer rasch abwertenden Währung kriecht die Volkswirtschaft seit mehr als drei Jahren nur noch vor sich hin. Vorbei sind die Zeiten des Konsumoptimismus, verschwunden die enthusiastischen Experten, deren Analysen kurz nach dem EU-Beitritt des Landes eine Investitionsflut und Wachstumsraten chinesischen Ausmaßes voraussagten. Stattdessen präsentieren ausländische Banken und Investoren Ungarn nun eine unbezahlbare Rechnung. Aus Wut und Enttäuschung wählten die Bürger 2010 die Sozialdemokraten ab, es wurde ein Erdrutschsieg für Viktor Orbáns rechtspopulistische Partei Fidesz.